Inspiration/Prompt: https://twitter.com/RickGPunkt/status/1366364818534457345?s=20
"Wer ist dieser Typ noch mal?", fragte Rowan seinen Nebenmann.
"Ich hab's auch nicht verstanden. Aber offenbar ein Freund vom Weißen Reiter." Genau wie Rowan hörte auch Elamir nicht auf, zu winken und zu jubeln.
Rowan nickte. Klar, den Weißen Reiter kannte er. Der war einfach aus dem Nichts aufgetaucht, hatte Herrn Faramir vor den Nazgûl gerettet und in der Schlacht offenbar auch gleich die Führung über die Stadt übernommen.
Oder auch nicht. In den Straßen redeten alle davon, dass der dunkelhaarige Mensch an seiner Seite jetzt das Sagen hatte. Der, der sich offenbar mit Zwergen und Elben viel besser verstand als mit anderen Menschen.
Was in der Zwischenzeit aus Herrn Denethor geworden war, wusste Rowan nicht. Und Herr Faramir war manchen Gerüchten zufolge tot und anderen zufolge im Haus der Heilung.
Die vier Reiter zogen vorüber: Der alte Mann auf dem weißen Pferd, der Dunkelhaarige und hinter ihnen ein Elb und ein Zwerg zusammen auf einem Tier. Rowan ließ den Arm sinken und massierte seine Schulter. "Tja, mir soll's recht sein." So lange alles so blieb, wie es war, sollte das heißen.
~*~
Diese Nacht verbrachte er bibbernd in einem zugigen Lager, dessen Wand fehlte, verfolgt von aufblitzenden Bildern der vergangenen Schlacht, die zu einem irrsinnigen Wirbel verschwammen. Wieder und wieder schreckte er auf, weil er einen blutdürstigen Ork auf sich zustürzen sah.
Er hatte in seinem Leben schon einiges erlebt, doch niemals so eine Schlacht wie diese.
Am nächsten Morgen wollte er pünktlich zum Dienst antreten und erwartete, damit betraut zu werden, die Trümmer an die Seite zu räumen und die Toten zu bergen. Der untere Ring und die Felder vor der Stadt waren übersät mit Katapultgeschossen, Brocken aus den weißen Mauern und Körpern, in denen wohl hier und da noch etwas Leben stecken könnte - die meisten Verletzten hatten sie allerdings hoffentlich gestern bereits gefunden.
Stattdessen fand Rowan die anderen Wächter im Aufbruch begriffen vor. Pferde wurden gesattelt, Rüstungen angelegt, Waffen verteilt ...
"Was ist denn los?", fragte er. "Kommen die Orks zurück?"
"Nein, wir brechen auf", antwortete Elamir, der aus der Waffenkammer trat. "Der König will in den Krieg ziehen."
"Welcher Kö...?" Rowan beendete die Frage nicht, weil ihm der merkwürdige Mann wieder einfiel, dem sie gestern zugejubelt hatten. Er nahm das Schwert in Empfang, das Elamir ihm reichte. "Und wohin ziehen wir?"
"Nach Mordor."
"Was?!", ächzte Rowan so laut, dass sich alle zu ihm umdrehten. "Mordor? Aber ... wieso? Wir haben sie doch geschlagen!" Unwillkürlich bebten seine Finger. Ein Schauer überlief ihn bei der Erinnerung an die nervenzerreißenden Schreie der dunklen Reiter auf ihren geflügelten Ungetümen.
Der Hauptmann trat zu ihnen und stieß Rowan einen Schild vor die Brust, den dieser instinktiv umklammerte. "Wir ziehen vor das Schwarze Tor", teilte er ihnen in einer Stimmlage mit, die auch die anderen Soldaten im Umkreis gut verstehen konnten. Zu einer richtigen Motivationsrede fehlte ihrem Hauptmann jedoch das Pathos - er schien ebenso unglücklich über die Entwicklung wie seine Untergebenen. "Mir wurde gesagt, dass wir jemandem helfen werden. Einem ... Froschdo oder so. Und deswegen müssen wir jetzt zuschlagen, solange Sauron geschwächt ist." Er zuckte mit den Achseln, ehe er die Maske des selbstbewussten Anführers wieder anlegte und in die Hände klatschte. "Rüstet euch, Männer! Vor der Mittagsstunde brechen wir auf."
"Wir ziehen vor das schwarze Tor?", flüsterte Rowan zu Elamir, nachdem der Hauptmann sich abgewendet hatte. "Das ist Selbstmord! Wer ist dieser Froschdo und was macht ihn so wichtig, dass man ganz Minas Tirith in den Tod schickt?"
"Offenbar", murmelte Elamir, "ist unser neuer Herrscher genauso verrückt wie der alte."