Keine halbe Stunde später hatte er den Besuch beim Arzt hinter sich gebracht, der ihn nach einer eingehenden Untersuchung vorerst für eine Woche krank geschrieben hatte, ihn nach dieser Zeit aber noch einmal sehen wollte.
Darüber informierte Joe gleich Jon und Hunter, bei dem er nach mehrmaligen fruchtlosen Versuchen Vince zu erreichen, dessen Handy wie üblich besetzt war, vorbeiging und ihm die Krankmeldung zu überreichte. Sie wechselten noch einige Worte und Hunter legte ihm nahe, sich so schnell wie möglich auf den Weg nach Alabama zu machen und sich bei ihm melden. Er wirkte ziemlich neugierig auf die Idee, die Jon hatte.
Nun ging er weiter zu Col seinem Zimmer, um zu schauen ob dieser schon vom Training zurück war. Er hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil er diesen beim Essen doch recht schroff abgefertigt hatte.
Es dauerte einen Moment, ehe Col ihm nur mit Jogginghose und nassen Haaren die Tür öffnete und ihn teils erstaunt, teils abwartend ansah.
'Nanu, was macht er denn hier?', schoss es Col durch den Kopf. 'Vorhin mir schier drohen und nun mit völlig zerknirschtem Gesichtsausdruck vor mir stehen. Bin ja jetzt echt mal gespannt, was das gibt. Entweder er reisst mir wegen dem Anruf bei Jon den Kopf ab, oder er redet endlich!'
Tatsächlich konnte Col das schlechte Gewissen, dass sich in Joes Augen widerspiegelte sofort erkennen, als sein langjähriger Freund ihn anschaute.
„Sorry wegen vorhin, Col. Mir geht’s halt momentan nicht so gut“, brachte er mit leiser Stimme hervor.
Col, der sich inzwischen mit vor der Brust verschränkten Armen an den Türrahmen gelehnt hatte, grinste nur schief. “Ach,das wär mir ja nie aufgefallen", entgegnete er mit leicht sarkastischem Unterton und hielt dann einladend die Tür auf. "Jetzt komm erst mal rein. Ich möchte nicht unbedingt auf dem Flur mit dir reden.“
Cols Zimmer war eine exakte Kopie von seinem. Rechts befand sich die Tür zum Bad und in dem Wohn-Schlafbereich stand rechts das Bett. Diesem gegenüber hing ein Landschaftsbild an der Wand. Vor dieser stand ein Tisch mit zwei Stühlen und weiter hinten in der Ecke hing ein moderner Fernseher an der Wand, davor ein Sofa und ein Sessel mit einem niedrigen Tisch.
Er ging zu diesem und setzte sich hin, stützte die Ellbogen auf die Oberschenkel und sah Col wartend entgegen. Dieser schloss die Tür, schnappte sich auf dem Weg zum Sofa sein bereit gelegtes Shirt und setzte sich dann zu Joe. Dieser sah ihn mit einem schiefen Schmunzeln an und begann gleich zu reden.
“Eigentlich wollte ich dir ja die Leviten lesen, weil du Jon angerufen hast", begann er. "Naja, inzwischen bin ich dir dankbar dafür.“
Col stutzte überrascht, blickte ihn fragend an, wartete aber, dass dieser weiter sprach.
„Du kannst dir ja bestimmt vorstellen, was mit mir los ist", fuhr Joe leise fort. "So langsam kann ich wirklich nicht mehr. Du merkst ja was Abend für Abend los ist, sobald ich auf die Bühne trete. Mit der Zeit macht einen das echt fertig. Himmel noch mal, manchmal möchte ich einfach alles hinschmeissen und gehen. Andererseits liebe ich meinen Job! Wann merkt Vince endlich, dass es so nichts wird? Die Fans werden mich so nie akzeptieren. Das Gebuhe wird inzwischen ja wieder immer schlimmer. Ich möchte gar nicht wissen was abgeht, wenn ich wirklich den Universal Title gewinnen sollte. Dann brauch ich vermutlich einen Bodyguard. Vor allem wegen den ganzen Marks! Ich bin ja schon mal bedroht worden. Weißt du noch?“
„Ja, das war echt übel", pflichtete Col ihm nachdenklich bei. "Ich habe auch kein gutes Gefühl im Bezug auf den UC-Title. Tja, aber du kennst ja Vince. Wenn der sich was in den Kopf gesetzt hat, gibt es nichts dran zu rütteln. No Chance. Aber was war jetzt so gut daran, dass ich Jon angerufen habe?“
„Er wollte das ich ein paar Tage zu ihm komme. Dazu meinte er noch, ich sollte mal mit Hunter sprechen.“ Schulterzuckend grinste er nur. “Naja, das Ende vom Lied ist jetzt, dass ich eine Woche krankgeschrieben bin. Ich habe doch so Probleme mit der linken Seite, dazu bringt mich mein Rücken momentan echt um. Jon hat wohl schon eine Idee was man machen könnte. Ich selber habe mir auch schon was überlegt, bin mir aber nicht sicher, ob das was werden könnte. Nach unserem Gespräch soll ich mich bei Hunter melden und ihm davon erzählen. Hunter und Steph sind wohl mit Vinces Ideen nicht grade glücklich. Also, mein Gefühl sagt mir, dass ich in den beiden gute Verbündete haben könnte, die mir helfen.“
„Hey, das hört sich echt super an! Besonders wenn Hunter auf deiner Seite ist.“
Col sah man die ehrliche Freude regelrecht an. Er hoffte inständig, dass sich langsam mal was änderte für seinen Brother. Da es inzwischen fast allen auffiel, dass seine Situation und sich somit auch sein Gemütszustand immer weiter verschlechterte, war er, wenn er gerade nicht anwesend war, bereits Gesprächsthema Nummer Eins im Lockerroom. Col hatte bis jetzt meistens nur still zugehört und sich nur dann an den Gesprächen beteiligt, wenn er direkt drauf angesprochen wurde. Er fand die Theorien, Ansichten und Ideen zwar sehr interessant, dachte sich aber nur seinen Teil. Gerade bei einer Person, mit der er nie gerechnet hätte, könnte er sich sogar sehr gut vorstellen, dass er Joe gut als Verbündeter zur Seite stehen könnte. Noch wollte er Joe aber nichts sagen. Erst einmal schauen, was für ein Plan ausbaldowert wurde.
„Ich werde mich auch mit meinem Vater zusammensetzen", fuhr Joe fort. "Mal sehen, was er dazu meint. Meine Mutter schaut sich laut ihm schon gar kein RAW mehr an. Es tut ihr zu weh, wenn sie die Reaktionen der Leute hört. Myritza hat mir auch geschrieben, dass er sich regelmäßig aufregt und Vince regelrecht verflucht. Nur wollte sie nichts genaues schreiben. War wohl nicht allzu angenehm und zum Teil nicht jugendfrei“, grinste Joe und Col fing an zu lachen.
“Das kann ich mir sehr gut vorste... “
Unterbrochen von Joes Handy, holte dieser es aus der Hosentasche, schaute auf das Display und verdrehte stöhnend die Augen. “Vince“, knurrte er unwillig.
Col murmelte nur „Oje, viel Spaß“ und grinste Joe mitleidig an. Ihm war schon klar, dass Vince im Dreieck sprang und garantiert schlechte Laune hatte. Kaum hatte er abgenommen, verdrehte Joe erneut die Augen, hielt das Handy auf Abstand und gab ein stummes „blablabla“ von sich, woraufhin Col sichtlich Probleme hatte sich das Lachen zu verkneifen. Das Gespräch mitzuhören war kein Problem, da Vince mehr als laut genug war. Nachdem dieser sich ein wenig abgeregt hatte und endlich leiser wurde, kam Joe auch mal zu Wort.
“Ja natürlich, Vince. Das ist mir schon klar. Aber was bringt es, wenn ich jetzt unbedingt weiter mache, meine Seite und mein Rücken dadurch aber immer schlimmer werden?!“
Langsam wurde Joes Ton auch schärfer. Er schien sich regelrecht in Rage zu reden. Col sah ihn ernst an und machte mit den Händen schon Zeichen, das er wieder runter kommen sollte. Dieser nickte nur und atmete tief durch. Er lauschte wieder und gab nur noch ein „Ja okay“ von sich, bevor das Gespräch beendet war.
„Oh Mann,du hast es ja gehört! Der spinnt total rum! Aber mir egal. Ich freue mich auf die Woche und werde nachher gleich schauen, wann es die nächste Flugmöglichkeit nach Birmingham gibt. Ich freue mich schon auf Jon. Der hörte sich zwischendrin ziemlich gefrustet an und so wie wir ihn kennen, fällt dem garantiert die Decke auf den Kopf.“
Die beiden grinsten sich nur an und Col nickte dazu. “Oh ja und wie! Der fühlt sich bestimmt wie ein eingesperrter Tiger.“
Noch während er dieses sagte, sprang Col auf und eilte zu seinem Schrank. Diesen riss er mit Schwung auf und schnappte sich seinen Laptop.
„Los komm,laß uns nach ´ner Flugverbindung schauen!“
„Super! Danke, Col! Je eher, desto besser.“
Innerhalb weniger Minuten hatte Col einen Flug ausfindig gemacht und gebucht. Joe konnte noch am heutigen Abend fliegen. In zweieinhalb Stunden musste er bereits los. Da er noch packen mußte erhob Joe sich und gab Col die Hand.
„So Bro´, dann sollte ich mich wohl etwas beeilen. Fertig machen, packen und dann mal los. Ich bin schon gespannt wie es Jon geht. Halt uns bitte auf dem Laufenden, was hier so abgeht und geredet wird. Es ist zwar nur eine Woche, aber in dieser kann sehr viel passieren. Man kennt ja Vince.“
„Ja klar, mach ich. Sag Jon einen schönen Gruß. Bis nächste Woche.“
Zwei Stunden später befand sich Joe bereits am Flughafen, umgeben von Fans die ihn sofort erkannt hatten.
Oje, bei der Menge kann ich wirklich froh sein, dass ich so zeitig aus dem Hotel abgehaue bin. So besteht noch die Chance, dass ich hier rechtzeitig fertig bin, wenn der Check-In beginnt.
Wieder waren viele Kinder dabei, die er nicht enttäuschen wollte und geduldig Autogrammwünsche erfüllte und sich mit den Kleinen ablichten ließ, wobei sein Blick doch immer wieder nervös Richtung Uhr wanderte.
Zur selben Zeit verließ Jon eiligen Schrittes die Praxis seines Physiotherapeuten. Auf seinem Handy war gerade die Nachricht von Joe eingegangen, dass er heute schon kommen würde. Voller Vorfreude und der Ahnung, dass Joe bestimmt nach bereits zwei Flügen innerhalb so kurzer Zeit vollkommen erledigt war, schlenderte er in den nächsten Supermarkt, damit sie sich noch etwas schönes zu Essen machen konnten. Kaum in dem möblierten Appartement angekommen, das er für seinen Aufenthalt in Birmingham angemietet hatte, sprang er unter die Dusche, kleidete sich danach neu an und trank noch einen Kaffee, bevor er sich langsam auf den Weg zum Flughafen machte. Dort angekommen reichte ein Blick auf die Anzeigetafel und seufzend suchte er sich ein Café, um die Wartezeit zu überbrücken.Wie konnte es auch anders sein, hatte der Flug Verspätung.
Aus Langeweile hatte er sich noch die neueste Zeitung geholt und blätterte lustlos darin herum. Endlich, nach zwei Kaffee und nachdem er cirka dreiviertel der Zeitung durchgelesen hatte, kam die Durchsage, dass der Flug gelandet war. Jon rief die Kellnerin zu sich, um zu zahlen, setzte seine Sonnenbrille und die Mütze auf und machte sich auf den Weg zum Ausgang. Da es wohl noch etwas zu dauern schien, bis Joe kam, konnte er genauso gut noch eine rauchen. Mitten unter die wartenden Menschenmassen wollte er sich auch nicht unbedingt stellen. Es war ganz angenehm einmal nicht dauernd von Fans angesprochen zu werden. Bei den Ortsansässigen hielt es sich sowieso in Grenzen, da diese es gewohnt waren, dass hier dauernd irgendwelche Wrestler herum liefen. Schließlich wurden hier ja sämtliche WWE-Superstars durchgecheckt,operiert und machten hier auch zum Teil ihre Reha.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit und drei Zigaretten später, sah er Joe aus dem Gebäude treten und pfiff kurz, um auf sich aufmerksam zu machen. Joe schreckte kurz zusammen und sah sich dann suchend um. Sobald er Jon entdeckte, fing er an zu lächeln und kam schnellen Schrittes auf ihn zu. Die beiden nahmen sich zur Begrüßung kurz in den Arm und drückten sich. Lange war es her seit dem letzten Mal.
„Hey, wie war dein Flug?“ Diese Floskel konnte Jon sich dann doch nicht verkneifen und grinste Joe breit an. Dieser verdrehte die Augen, nur das Schmunzeln verriet ihn. Leicht stöhnend antwortete er: „Boah hör mir bloß auf! Zwei Flüge an einem Tag sind selbst mir zu viel. Dazu die ganzen Fans, Schaulustigen und das dauernde Warten. Das geht mir zur Zeit alles sowas von auf die Nerven! Am liebsten einfach mal nur weg von allem und ganz in Ruhe ausspannen, Kraft tanken und überlegen wie es weiter gehen soll. SO auf jeden Fall nicht mehr!“
„Hey,mal ganz ruhig. Lass uns erstmal zu mir fahren, dort machen wir uns was schönes zu Essen und dann können wir in Ruhe bei ´nem Bier reden, wenn du möchtest.“
„Oh ja, ein Bier wäre jetzt genau das richtige. Einfach mal nur quatschen, ohne dass man aufpassen muss, ob einer mithört und was man sagt.“
Nickend und mit einem schiefen Lächeln konnte Jon ihm da nur beipflichten. “Oh ja und Pläne schmieden.“
Am Auto angekommen verstauten sie schnell sein Gepäck und fuhren in einvernehmlichem Schweigen zu Jons angemieteter Wohnung. Joe brauchte diese Ruhe einfach gerade nach dem Flug und Jon dachte drüber nach, was sie sich schnelles zu Essen machen konnten.
Kaum in der Wohnung angekommen, zeigte er Joe das kleine Gästezimmer, in dem er die nächsten Tage schlafen sollte und sich zurückziehen konnte, falls er seine Ruhe haben wollte. Sie stellten das Gepäck ab und hängten ihre Jacken an die Garderobe im Flur, die links von der Wohnungsstür lag. Das Badezimmer befand sich auf der anderen Seite des schmalen Flures, das halb versteckt hinter dieser Tür lag. Daneben lag das Gästezimmer und der Gang endete direkt in einem größeren Raum, der aufgeteilt war in einen Wohn- und Küchenbereich. Links ging noch eine Tür ab ins Schlafzimmer. Auf den ersten Blick war sie für eine Ferienwohnung recht gemütlich eingerichtet mit zeitlosem Mobiliar. Dann fiel Joe auf, dass sich am Wohnbereich noch eine Tür zum Balkon befand. Er ging sofort hin und öffnete diese. Der Balkon entpuppte sich als recht groß, so dass man dort gemütlich den Tag beim Frühstück beginnen oder auch ausklingen lassen konnte. Obwohl die Sessel regelrecht dazu einluden es sich gemütlich zu machen, ging Joe schnurstracks an das Geländer, stützte sich auf dieses und ihm entwich ein leises, bewunderndes „Wow“.
Er schaute direkt auf den Birmingham Botanical Garden.
Jon stand leicht schmunzelnd am Türrahmen. “Ja, so habe ich auch reagiert. Es sieht einfach nur toll aus, oder?“
Joe nickte nur zustimmend und schaute sich weiter um. Er richtete sich auf, ließ den Kopf in den Nacken fallen und mit geschlossenen Augen atmete er tief durch.
„Oh Mann, du glaubst gar nicht wie gut das tut. Hier bei dir und mal den ganzen Scheiss hinter mir zu lassen. Ich glaube viel länger hätte ich es auch nicht mehr ausgehalten ohne zu explodieren. Das wird dort wirklich immer schlimmer. Sei froh, dass du hier gerade deine Ruhe hast. Ich habe mich mehrfach mit den Writern unterhalten. Ideen haben die schon gute, nur Vince schiesst quer wie üblich. Egal was die auf den Tisch legen. Er hat immer was zu meckern und macht sie nieder. Immer mehr der Jungs können zu Hause bleiben und werden wenn, dann nur für die House Shows eingesetzt. Angeblich haben die Writer keine Ideen für sie.“ Er schnaufte verächtlich auf. “Von wegen, Ideen sind richtig gute und zur genüge da. Tja,nur Chefchen hat was dagegen. Also ich möchte hier echt kein Writer sein. Besonders auch was mich angeht. Die fluchen im stillen ohne Ende. Egal was sie machen, es ist alles falsch. Was soll auch dieser Mist mit dem Face of the Company? Irgendwann muss der doch mal merken, dass es so nix wird. Da kann man cool tun wie man will, die Reaktionen der Fans treffen einen doch und das nicht zu knapp!“
Frustriert aufseufzend legte er die Unterarme auf die Brüstung und schaute über diese auf die Rasenfläche davor. Jon merkte sofort, dass Joe einfach nicht mehr konnte. Er ging zu ihm, legte ihm den Arm um die Schulter und zog ihn einfach mit sich zurück ins Wohnzimmer. Leicht überrumpelt stolperte dieser fast und beide krachten gegen die Tür. Laut auflachend lösten sie sich von einander und gingen in die kleine Küche.
„Na komm Joe, lass uns mal schauen was der Kühlschrank schönes her gibt. Zumindest ´ne Kleinigkeit sollten wir noch essen und dann setzen wir uns gemütlich bei einem Bier zusammen und reden einfach mal.“