Prompt: Blood
15.10.2016
Ich sah auf das leere Glas, mit dem ich in meiner Hand spielte, als der Mann, mit dem ich bereits seit fünf Minuten über Blicke flirtete, endlich zu mir herüberkam. Es hatte wohl eine Weile gedauert, bis er den Wink verstand.
»Hey. Magst du was trinken?«
Ich lächelte ihn herausfordernd an. »Ist das eine Einladung?«
»Nun, du spielst seit Minuten mit dem leeren Glas. Ich dachte, dass es voll vielleicht besser wäre.«
»Da gebe ich dir recht.« Ich stieß mich von der Wand ab, an der ich bisher gelehnt hatte, und folgte ihm zur Bar.
»Warum füllst du es nicht selbst?« Für einen Moment zeigte sich Skepsis in seinem Blick.
Glaubte er etwa, ich wäre noch nicht alt genug? So jung sah ich doch auch nicht mehr aus.
»Ich lass mich eben gern von edlen Rittern vor dem Verdursten retten. Außerdem bin ich nur ein armer Künstler.« Demonstrativ krempelte ich meine leeren Hosentaschen nach außen.
Er schmunzelte. »Soso, was mag der arme Künstler denn Trinken?«
»Such du aus.« Ich würde davon eh nichts mehr spüren, also war es auch egal.
Er bestellte für uns beide Bier. Etwas knauserig, aber es sollte mir recht sein.
Mit den Getränken begaben wir uns in eine etwas ruhigere Ecke. »Du bist also Künstler? Was machst du denn?«
Zweifelnd sah ich ihn an. Er wusste wirklich nicht, wer ich war? Dabei war es für mich doch mittlerweile fast unmöglich, mich hier in Boston durch die Szene zu bewegen, ohne erkannt zu werden. Sogar Claudia hatte mich sofort erkannt. »Ich bin Musiker. Ich hab eine hier recht bekannte Band. Blutlaster.«
»Nein. Sagt mir nichts, sorry.«
»Oh, das muss man doch glatt ändern. Hast du nächsten Freitag schon was vor? Ich besorg dir Karten.« Ich hatte eh noch Freikarten, die ich loswerden musste, und keine Ahnung, wem ich die zukommen lassen sollte. Warum also nicht die Gelegenheit nutzen.
»Klingt gut. Was genau macht ihr denn für Musik?«
Wir unterhielten uns noch eine Weile, tranken dabei noch ein, zwei Bier, gingen zwischendurch tanzen. Dabei ließ ich vorsichtig Körperkontakt entstehen, streichelte ihm mal hier mal dort über den Arm oder legte meine Hand auf seine Schulter, testete aus, wie er reagierte. Als er es erwiderte, lächelte ich leicht und wurde forscher.
Einmal ließ ich meinen Blick unauffällig durch den Club streifen. Curtis fand ich sich mit einer Frau unterhaltend ein Stück entfernt, Victor stand noch immer bei Claudia auf der Balustrade. Kein Wunder, er passte hier trotz der neuen Klamotten nicht rein. Lediglich Tessa war nicht zu sehen. War sie bereits fündig geworden? Nun der ein oder andere Goth stand sicher auch auf Frauen im rosa Bonbonkleidchen.
Nach einer Weile hatte ich keine Lust mehr auf Smalltalk. Ich hatte es nicht eilig, wollte aber gern als Erster fertig sein, um mir von oben anzusehen, wie sich die anderen schlugen. Also stand ich auf, lehnte mich zu Trevor, so hatte sich mein Flirt vorgestellt, herunter und erklärte gerade laut genug über die Musik hinweg: »Ich bin mal auf Klo.« Dabei sah ich ihm genau in die Augen und zwinkerte. Zusätzlich strich ich mit der Hand über seinen Oberschenkel, als ich mich entfernte. Den Wink verstand er doch hoffentlich.
Ich hatte Glück, tatsächlich war noch eine Kabine frei. Ich ging hinein und hielt die Tür lediglich mit dem Knie zu. Das war zwar sicher nicht der romantischste Ort, aber darum ging es mir auch gar nicht. Eine schnelle Nummer, bekommen was ich wollte und dann war die Sache erledigt.
Wenig später blieb jemand vor der Kabine stehen und fragte leise: »Samsa?«
Gut, er hatte es verstanden. Ich öffnete die Tür, ließ ihn ein und schloss sie dann hinter ihm ab. Langsam näherte ich mich ihm, ließ ihm die Chance, mir auszuweichen. Doch er lehnte sich lediglich gegen die Wand, als ich direkt vor ihm stand, kam mir direkt entgegen, als meine Lippen sich seinen näherten. Ideale Voraussetzungen also.
Ich drückte ihn gegen die Wand, rieb meinen Körper an seinem und küsste nicht nur seine Lippen. Zuerst hatte ich vorgehabt, ihm vielleicht einen zu blasen, aber da er schon darauf ziemlich ansprang, beließ ich es dabei, rieb lediglich meinen Oberschenkel gegen seinen Schritt. Ich hörte sein Herz schlagen und das Blut in seinen Adern rauschen. Das war ein ganz neues Gefühl. Und es machte mich hungrig.
Trevor steuerte auf den Höhepunkt zu und ich fuhr die Reißzähne aus. Noch war das ungewohnt, aber ich würde mich hoffentlich daran gewöhnen. Einen Moment zögerte, ich als der Orgasmus über ihn herein rollte, doch dann biss ich an die Stelle, an der ich seine Schlagader vermutete.
Der Geschmack des Blutes war metallisch, ein wenig anders als die Konserven, mit denen Claudia uns bisher versorgt hatte, aber erstaunlich wohlschmeckend. Gierig saugte ich, während er in meinen Armen immer schwerer wurde.
Es war schwer, mich von ihm loszureißen, doch Claudia hatte uns gewarnt, es nicht zu übertreiben. Also riss ich mich zusammen, löste die Zähne aus seinem Fleisch und fuhr sie wieder ein. Nun fühlte auch ich mich etwas beschwipst.
Einen Moment wartete ich, bis er wieder halbwegs klar war. Ich lächelte ihn an. »Geht’s dir gut?«
Noch immer wirkte er etwas verwirrt, aber doch anwesend. »Wow, ja.«
»Schön.« Ich zwinkerte ihm zu und ließ eine Visitenkarte in seine Hemdtasche wandern. »Meld dich wegen der Karten. Vielleicht find ich ja auch etwas Zeit für dich.«
Er nickte und beim Verlassen der Kabine sah ich, dass er die Karte aus der Tasche holte und einen Blick darauf warf. Als würde ich ihn verarschen. Das Angebot war durchaus ernst gemeint. Ein Snack nach der Show konnte sicher nicht schaden.
Als ich bei Claudia ankam, nickte sie mir zu. Ich lehnte mich neben sie an das Geländer und sah auf die tanzende Menge hinab.
»I’m the duke of the night
My existence is a neverending fight
Pleasure and pain is all I bring to thee
Party all night, sleep all day
Never grow old and never die
Oh, it’s fun to be a blutzukker!«
Blutzukker – Duke of the Nite