Knox rieb sich fassungslos seinen weißen Bart und sah unschlüssig zu Neverember, der seinen Blick nahezu flehend erwiderte. „Du kannst ihnen diese unsinnige Geschichte doch nicht glauben? Ich bitte dich Knox, alter Freund und Weggefährte!‟ Der Lord trat einen Schritt auf den Feldwebel zu, doch dieser wich entsetzt zurück.
„Ich weiß nicht mehr an wen oder was ich nach dieser Nacht glauben soll‟; murmelte er erschöpft und sah zu Harbek hinab. „Spielt nicht mit mir, ihr habt euch mein Vertrauen und meinen Respekt schon lange verdient, aus diesem Grund frage ich euch, und werde eure Antwort auch glauben. Entspricht eure Geschichte tatsächlich der Wahrheit?‟ Er sah sie bestürzt an, doch auch wenn ihre Erzählungen sein Weltbild ins wanken brachten, war er noch immer Soldat und würde mit allen Widrigkeiten, die ihm in den Weg gelegt wurden zurecht kommen.
Mitfühlender nickte Alice, sie war es gewesen, die dem Feldwebel die wahren Geschehnisse geschildert hatte. Beginnend mit Neverembers Verhältnis zu Valindra, wie er sie dazu genötigt hatte nach einem Schutz vor dem Fluch der Krone zu suchen, von ihrem Versagen und der darauf folgender Trennung. Dem Beginn des Krieges, seinem Mord am König, um die Kapitalton und seinen eigenen Tod zu verhindern, wie er seither die Macht an sich gerissen und versuchte hatte den Frieden hinauszuzögern. Sie hatte Knox auch berichtet, dass er mit seiner Ahnung, Recht behalten hatte. Valindra wäre tatsächlich in den Palast gekommen, um den Lord zu töten, doch Harbek sei es gelungen die Nekromantenkönigin zu besiegen.
„Es ist wahr‟, antwortete Alice und deutet zu der Krone in Keedas Hand, „Neverember hat nicht das Recht zu herrschen, seine Taten haben unsägliches Leid bewirkt und meine Freundin würde nichts lieber tun, als ihn für seine Fehler zu betrafen.‟ Sie deutete zu Keeda. „Doch auch wenn er Fehler begangen hat, einen solchen Tod hat er nicht verdient und Keeda hat es nicht verdient aus einem weiteren Grund gejagt zu werden. Es liegt daher bei euch.
Den Tod durch meine Freundin, die Prüfung durch die Krone oder das Exil?‟ Sie alle sahen den Feldwebel erwartungsvoll an und Keeda zog bereits ihren Dolch, sie fixierte Neverember hämisch. Knox sah ebenfalls zu dem Lord von Neverwinter und sah ihn fragend an.
„Was sagt Ihr zu den Anschuldigungen?‟
Neverember schüttelte hektisch den Kopf, „Sie lügen! Ich habe diesem Land schon immer treu gedient, das wisst ihr!‟
Knox nickte zu Alice Bestürzung und trat auf den Lord zu, „Ich weiß, dass ihr ein fantastischer Stratege, stolzer Mann und Herrscher seid. Ihr habt den Titel König schon immer abgelehnt auch wenn euch viele dennoch als solchen bezeichnen. Wenn jemand zu euch kam, wart ihr gerecht und gütig, habt weise Entscheidungen getroffen und versucht einen Kompromiss zu finden. Das alles hat euch als Herrscher ausgezeichnet, auch wenn ihr nie einem Kampf beigewohnt oder euren Palast verlassen habt. Ihr seid ein kluger, gerechter und gütiger König gewesen.‟
Neverember seufzte bei diesen Worten erleichtert auf, wohingegen Keeda zornig fauchte. Alice hielt sie zurück, doch nur mit Mühe konnte sie die Dunkelelfe festhalten.
Knox sprach ruhig weiter und nahm der knurrend Drow die Krone aus der Hand, „Ich habe euch immer bewundert und war stolz dem Lord von Neverwinter dienen zu dürfen‟, er baute sich vor Neberember auf, „Ich finde, es ist Zeit, euch den Titel zu verleihen, den ihr schon lange verdient. Es soll nicht in meiner Macht liegen über eure Fehler der Vergangenheit zu urteilen und ob sie eure Zukunft bestimmen.‟ Neverember versucht vor seinem Feldwebel zurück zu weichen, doch er stand bereits mit dem Rücken an der Wand. Knox hob die Krone über sein Haupt und sah den Lord fest entschlossen an, bevor er ihn mit dem kalten Metall krönte.
Neverember versuchte auszuweichen, aber Keeda hatte sich endlich aus Alice Griff befreit und drückte seine Handgelenke grob gegen das Mauerwerk. Unnachgiebig hielt sie ihn fest und starrte ihm hasserfüllt in die hellen Augen.
Knox trat zurück und vermied Alice bestürzten Blick, seine Augen ruhten auf Neverembers entsetztem Gesicht. Der Lord wand sich in Keeda Griff und die Drow packte ihn lächelnd ein wenig fester bis er gepeinigt aufschrie. Seine Augen schielten zu den Saphiren der Krone hinauf, die allmählich zu glühen begannen und begann hektisch zu atmen. „Bitte‟, jammerte er auf, „Ich gebe es zu, ich habe den König ermordet und noch schlimmere Dinge getan, aber nehmt dieses Ding von mir! Ihr werdet mich nie wieder sehen, das verspreche ich!‟ Seine Stimme wurde zu einem schrillen Kreischen und Keeda ließ ihn angeekelt los, als ihm Tränen über die Wangen liefen.
Knox keuchte bei diesem Geständnis auf, doch er bewegte keinen Finger, um dem Lord zu helfen. Mit schreckgeweiteten Augen beobachtete er, wie Neverember panisch versuchte die Krone abzunehmen, aber das Metall wollte sich nicht von ihm lösen. Die Saphire leuchteten immer heller und Neverember stürzte kreischend auf die Knie. Er krümmte und wand sich bei dem Versuch sich zu befreien.
Alice schlug bestürzt die Hände vor den Mund und wandte den Blick ab, als der Fluch der Krone seine Wirkung entfaltete. Binnen von Sekunden warf die Haut der Lord tiefe Falten, seine Wangen fielen ein, die Schultern sackten nach vorne und seine Augen wurden trüb, bis er entkräftet die Arme sinken und sich gegen die Wand fallen ließ. Müde blickte er zu Knox auf und eine letzte Träne lief über seine zerfurchte Wange, bevor er mit einem Seufzer erschöpft die Augen schloss.
Keiner wagte es, sich dem Leichnam des alten Mannes und dem verfluchten Artefakt zu nähern. Die Krone hatte Neverember in kürzester Zeit alle Lebenskraft geraubt und ihn um Jahre altern lassen, nun fiel sie scheppernd von dem kahlen Schädel und rollte vor die Füße des Feldwebels. Knox starrte sie gelähmt an und brachte keinen Ton hervor.
Keeda war die erste die ihren Mut zusammen nahm und die Krone vorsichtig aufhob. Sie betrachtete den Metallring argwöhnisch im Kerzenschein und ein kleines, triumphierendes Schmunzeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie auf den Toten herab blickte. „Ich habe mich schon immer gefragt was der Fluch mit den Unwürdigen anstellt‟, gab sie nüchtern zu und streckte Knox die Krone entgegen. „Die letzte Frage die sich mir stellt ist, was bewirkt sie mit den Würdigen?‟
Knox nahm die Krone zögernd entgegen und schüttelte den Kopf, „Niemand wird so dumm sein, die Antwort zu suchen.‟
Keeda zuckte schmunzelnd mit den Schultern, „Das wird sich noch zeigen.‟