Kapitel 9
Altbewehrte Taktik
In den nächsten Wochen verlasse ich kaum das Haus. Um eine Zigarette zu rauchen gehe ich nicht einmal bis an den See, ich bleibe einfach in unserem Garten, direkt neben der Tür, um so schnell es geht wieder in eine sichere Umgebung zu flüchten. Um meine Familie zu meiden, schlafe ich den ganzen Tag, ich bin nur nachts wach. Mein Smartphone ist seit Wochen ausgeschaltet, all meine Social Media Accounts sind auf Eis gelegt, es gibt keine Möglichkeit, mit mir Kontakt aufzunehmen. Und so soll es auch bleiben.
Ich schaffe es, beinahe drei Wochen, allen aus dem Weg zu gehen. Meinen Freunden, meiner Familie und vor allem Max. Ich will ihn nicht mehr sehen. Nie wieder.
Als ich auch heute wieder erst um drei Uhr nachts aus meinem Zimmer komme, um etwas zu essen, bin ich nicht alleine in der Küche. Nicht nur Mum, sondern auch Dad sitzen an unserem Esstisch.
„Hey, mein kleines Frettchen“, werde ich von Dad begrüßt. Ich versuche, die beiden zu ignorieren, gehe zum Kühlschrank, um mir einen Joghurt zu holen. „Du willst nicht reden?“
Ich schüttle nur den Kopf. Ich habe seit fast drei Wochen kein Wort gesagt, zu niemandem, ich habe nicht einmal Selbstgespräche geführt. Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob ich überhaupt noch sprechen kann.
„Setz dich wenigstens zu uns, um zuzuhören“, bittet Mum. An ihrer Stimme erkenne ich, dass sie geweint hat. Da ich es hasse, wenn sie weint, lasse mich erweichen. Aus einer Schublade nehme ich mir einen Löffel, setze mich zu den beiden an den Tisch. Ich öffne den Becher und fange an, das Fruchtjoghurt zu essen.
„Wir machen uns wirklich große Sorgen um dich, Sebastian“, beginnt mein Dad das Gespräch. Ich sehe ihm nur kurz in seine braunen Augen, zucke mit den Schultern, widme mich dann wieder meinem Joghurt.
„Sebby, es ist nicht gesund, dass du dich einsperrst“, meint Mum.
Auch jetzt zucke ich wieder nur mit den Schultern. Das sind alles keine neuen Informationen für mich. Dieses Gespräch wurde in diesem Haushalt schon unendlich oft durchgekaut. Menschen sind ja angeblich auf soziale Kontakte angewiesen, aber wenn ich keinen mehr an mich heran lasse, kann mir auch keiner mehr wehtun. Ich hab einfach keine Lust mehr auf den ganzen Stress.
„Es ist okay, dass du traurig bist. Ein gebrochenes Herz ist scheiße, auch für uns Männer. Es ist auch okay, dass du weinst, dass du wütend bist und dass du niemanden mehr sehen willst. Ich hab das alles auch schon durchgemacht. Aber ich finde, dass es langsam Zeit wird, dass du zumindest mit irgendjemandem darüber redest“, erklärt Dad einfühlsam.
Oh Yoba, nicht noch mehr Gefühlsscheiß…
„Wenn du nicht mit uns reden willst, dann sprich wenigstens mit Sam, Abby oder Maru. Oder mit Harvey… Wir machen uns große Sorgen, Sebastian…“, bittet Mum mich, ihre Stimme bricht gegen Ende. Als sie anfängt zu schluchzen, sehe ich zu ihr.
Es tut weh, dass es meiner Mum so schlecht geht, aber ich kann meine Gefühle nicht auf Knopfdruck nicht ändern. Es wäre schön, wenn die Welt so funktioniert, doch das tut sie nicht.
Ich bin zu müde und ich habe keine Kraft mehr, etwas anderes zu tun, als in meinem Zimmer dahinzuvegetieren.
Dad legt einen Arm um Mums Schultern, er seufzt, wobei er über ihre Schulter streicht. „Ich würde auch nicht mit meinen Eltern über mein gebrochenes Herz reden wollen, aber gib wenigstens deinen Freunden eine Chance, dir zu helfen“, bittet Dad mich ruhig.
Ich schüttle nur den Kopf, widme mich dann wieder meinem Joghurt. Sam würde das ohnehin nicht verstehen und Abby wäre von meinen Gefühlen nur genervt. Maru würde mir logische, medizinische Tipps geben, die man eben von einer Krankenschwester erwartet. Harvey würde mich sofort an einen Kollegen verweisen, der mich dann wegen meiner Depression behandelt. Ich würde Medikamente bekommen, die ich definitiv nicht nehmen will.
Keines dieser Szenarien ist besonders ansprechend für mich.
„Kann ich irgendwas tun, um dir zu helfen?“, fragt Dad nach, Mum weint sich an seiner Schulter aus. Ich zucke schon wieder mit den Schultern. „Hast du vielleicht Lust, mit mir nach Zuzu City zu kommen? Für ein paar Tage, damit du ein bisschen aus deinem Zimmer raus kommst? Wir müssen auch nicht reden, es wäre nur ein kleiner Tapetenwechsel, du darfst dich bei mir auch in deinem Zimmer einsperren, alles kein Problem. Du könntest aber tagsüber essen und nachts schlafen. Du würdest mir gar nicht auffallen, ich bin sowieso zu beschäftigt, ich hab einen Haufen Arbeit der gerade in diesem Moment auf mich wartet.“
Auch wenn ich es wirklich nicht will, muss ich ein wenig Lächeln. Die Gleichgültigkeit mit der Dad redet, verdeckt seine Absichten so gut, dass ich ihm fast abkaufe, dass es ihm egal wäre, ob ich anwesend bin oder nicht. Aber ich kenne meinen Dad, er liebt mich über alles und es bricht ihm das Herz, dass ich in meiner Depression gefangen bin. Er weiß genau, wie es sich anfühlt…
„Ich kann in deine Zimmertür ein kleines Loch sägen, durch das werfe ich dir einfach jeden Tag ein bisschen Sashimi, um dich am Leben zu erhalten. Oh, mir fällt sogar noch etwas ein. Ich reiße die Wand zwischen deinem Zimmer und dem Badezimmer ein. Und schon musst du nicht einmal für körperliche Bedürfnisse raus kommen“, erklärt Dad weiter, er klingt dabei so überzeugend, dass er es ernst meinen könnte. Er ist so verrückt, dass er das wirklich durchziehen würde. Ich kenne meinen Dad lange genug, es würde zu ihm passen. Er würde alles tun, um mir mein Leben zu erleichtern, selbst wenn er dafür schweres Werkzeug in seine ungeschickten Hände nehmen muss.
Bei der Vorstellung, wie Dad einen Vorschlaghammer schwingt, um mir meine menschenlose Umgebung schenken zu können, lache ich, beinahe lautlos, aber ich lache.
„Ich hasse dich, Dad… Ich versuche hier traurig zu sein…“, beschwere ich mich leise. Es ist seltsam, meine Stimme außerhalb meines Kopfes zu hören. Sie klingt ganz anders, als in meiner Erinnerung.
„Es tut mir leid, dass es mit dir und Max nicht funktioniert hat, aber manchmal gehen Beziehungen in die Brüche und man kann es einfach nicht ändern. Ich wünschte, ich hätte einen Rat für dich, der dir helfen könnte, aber ich habe leider keinen.“
„Schon okay, es liegt sowieso an mir… an meinem Körper… ich will einfach nur noch diese scheiß Operationen hinter mich bringen, damit ich endlich normal leben kann…“
Mum löst sich von Dad. Sie kommt auf mich zu, um mich fest zu drücken. „Ich hab dich lieb, Sebastian, es tut so weh, dass du so leiden musst. Wenn ich irgendwas für dich tun kann, um dir zu helfen, damit du dich besser fühlst, sag es mir bitte.“
„Ich weiß es nicht… außer der Operation kann mir nichts mehr helfen… Außer das wünsche ich mir gar nichts mehr… Alles andere ist sowieso egal…“, gebe ich resignierend von mir.
„Bis zu deiner ersten Operation dauert es nicht mehr lange, mein Schatz.“
„Ja, ich weiß… aber trotzdem…“, versuche ich mich zu erklären. „…es ist schon so ermüdend. Selbst wenn ich raus gehen wollen würde, könnte ich es im Moment nicht. Ich fühle mich nicht bereit, irgendwas zu tun. Ich habe nicht die Kraft, ich bin ausgelaugt… Ich bin müde und alles, was ich anfange ist mir zu viel, zu schwer, zu kompliziert. Ich bin momentan zu nichts zu gebrauchen… Mich überfordern die kleinsten Dinge, die alle anderen Menschen nebenbei erledigen und ich bekomme gar nichts auf die Reihe… wirklich gar nichts…“
„Das ist typisch für eine Depression… Sebby, wir müssen irgendwas machen“, meint Dad. „Ich kann das nicht mehr mitansehen. Dir geht es nicht gut und ich werde dir helfen, wieder aus diesem Loch herauszukommen. Du bist noch viel blasser als sonst und du hast bestimmt auch nicht viel gegessen in den letzten Wochen.“
Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung, bisschen Joghurt, ab und so auch mal ein Brot oder Reste vom Abendessen. Ich hatte nicht so viel Hunger, aber ich habe jeden Tag zumindest eine kleine Portion zu mir genommen…“
Mum setzt sich neben mich, sie streichelt über meinen Arm. Sie schlägt mir eine Alternative zu meinem Keller-Dasein vor: „Willst du ein paar Wochen zu Dan gehen? Ein bisschen Abwechslung tut dir bestimmt gut.“
„Ja, wieso nicht…“, stimme ich gleichgültig zu, hauptsächlich, weil ich nicht die Kraft und Ausdauer habe, zu widersprechen.
„Ich verspreche auch, dass ich dich nicht mit irgendwelchen Psychologen oder Antidepressiva nerve. Wir beide verbringen ein bisschen Zeit zusammen, ich kauf dir ein paar neue Klamotten und schleppe dich zum Friseur, damit du dich wieder richtig männlich fühlst. Wir besorgen dir neue Comics und du machst mich bei deinen Videospielen fertig, um dein Ego zu pushen.“
„Kein Wunder, dass ihr euch scheiden lassen habt, du bist ein Idiot, Dad“, gebe ich lächelnd von mir. „Außerdem bist du kein Gegner für mich, ich mach dich sogar fertig, wenn ich mit verbundenen Augen spiele und nur meine Nase nutzen darf.“
„Das glaub ich dir nicht, ich hab heimlich geübt, damit du einen würdigen Gegner hast“, gibt Dad mir grinsend zu verstehen.
„Dein Grinsen wird dir noch vergehen, Dad.“
…
Die nächsten Wochen mit meinem Dad wirken sich tatsächlich positiv auf meine Psyche aus. Er nimmt sich viel Zeit für mich, solange ich die Energie dazu habe, etwas zu unternehmen. Außerdem lässt er mir auch genug Zeit für mich alleine, sobald ich meinen Freiraum brauche.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich doch noch ein wenig Lebenswillen in mir trage. Auch wenn ich es ungerne zugebe, meine Eltern hatten mal wieder Recht. Dad hilft mir wirklich sehr, ich bin froh, dass ich ihn habe.
…
„Du Dad?“
„Hm?“, fragt er, als er gerade an einer roten Ampel hält.
„An der nächsten Kreuzung ist ein Tierheim, ich will dort hin.“
„Ich denke nicht, dass die für so ein freches Frettchen wie dich Platz haben“, scherzt Dad grinsend.
„Haha, du bist so witzig… Du und deine Dad-Jokes…“
„Ach, halt die Klappe. Was willst du im Tierheim?“
„Weiß noch nicht, einfach mal schauen…“, antworte ich mit einem leichten Lächeln.
„Okay, dein Wunsch ist mir Befehl.“
Wie besprochen besuchen wir das Tierheim. Als ich mir die Tiere ansehe, würde ich am liebsten alle mitnehmen, aber was mache ich mit so vielen Hunden, Katzen und Kleintieren? Ich hätte gar keine Zeit für jedes einzelne Tierchen.
Allerdings gibt es ein Tier, das mir besonders ins Auge sticht. Es handelt sich um ein kleines, verängstigtes Kätzchen. Vorsichtig trete ich an das Fellknäuel heran.
„Hey, du kleines Ding, wieso bist du denn so alleine?“, frage ich leise, als ich vor dem Gitter in die Knie gehe. Das arme, kleine Tier sitzt zusammengekauert in der Ecke. Sie wirkt ängstlich.
„Die Kleine ist leider sehr aggressiv, sie ist das letzte Kätzchen aus einem Wurf, der vor drei Wochen bei uns reingekommen ist“, erklärt mir eine Mitarbeiterin.
„Also ich finde nicht, dass sie aggressiv wirkt. Sie sieht eher aus, als hätte sie große Angst“, meine ich recht neutral und sehe dann kurz zu der Frau nach oben, ehe ich mich wieder der Katze widme. „Was machst du kleiner Muffin denn, dass dich keiner haben will?“
Vorsichtig und langsam strecke ich meine Hand ein wenig aus. Das kleine grau schwarz gestreifte Tier wirkt immer noch recht ängstlich. Ich kann nicht erklären, was es ist, vielleicht ist es großes Mitleid, aber ich will sie unbedingt mit nach Hause nehmen. Die Katze senkt ihren Kopf ein wenig. Sie macht den Eindruckt, als würde sie sich noch kleiner machen wollen, als sie ohnehin schon ist. Fast so, als würde sie sich am liebsten in Luft auflösen und das ist definitiv etwas, womit ich mich identifizieren kann.
„Wenn du willst, dass ich dir ein Zuhause gebe, dann sag einmal Miau.“ Die Frau kichert ein wenig, doch das Kätzchen miaut tatsächlich. Ich wusste es. Uns verbindet etwas. „Dad? Die Katze will, dass ich sie mit nach Hause nehme.“
„Naja, ich weiß nicht, Sebby. Wenn sie so aggressiv ist, ist sie vielleicht nicht das richtige Haustier für dich… Ich will nicht, dass du dich verletzt. Da drüben sind auch noch Kätzchen, vielleicht suchst du dir lieber eine andere aus. Die eine ist sogar schwarz, sie passt zu deiner Seele.“
„Aber Dad, dieses Kätzchen hat gesagt, dass ich sie mitnehmen soll. Ich glaube, dass sie mich mag“, schmolle ich kindlich. „Zeig meinem Dad mal, dass du kein böses Kätzchen bist.“
Gespannt blicke ich durch das Gitter auf die Katze. Es dauert ein wenig, doch das kleine Tier findet tatsächlich den Mut, ein wenig aus ihrer Ecke heraus zu kommen. Etwas ungeschickt tapst sie auf mich zu.
„Seltsam“, meint die Angestellte. „Ich glaub sie mag dich tatsächlich.“
„Was tut sie denn normalerweise?“, frage ich interessiert nach, meine Augen sind immer noch auf das kleine, kuschelige Tier gerichtet.
„Sie faucht, kratzt und beißt.“
„Darf ich sie mal streicheln?“, frage ich nach.
Die Angestellte zuckt mit den Schultern, öffnet dann das Gitter, nachdem ich ein wenig Abstand genommen habe. „Du solltest trotzdem vorsichtig sein.“
„Das bin ich.“ Langsam und achtsam strecke ich meine Hand hinein. „Hey Muffin, hab keine Angst, mich will auch keiner haben. Ich bin genauso ein Außenseiter wie du.“
Wieder zögert das kleine Kätzchen. Jeder kleine Schritt ist vorsichtig, aber auch neugierig. Immer wieder hebt und senkt sie ihren Kopf. Ich verharre in meiner Position, um ihr zu zeigen, dass ich nicht nach ihr schnappen oder sie angreifen werde. Die Katze scheint nach und nach Vertrauen in mich zu fassen. Vorsichtig kommt sie auf mich zu. Ihre neugierige Nase stupst mich kurz an, keine Sekunde später reibt ihr Köpfchen an meiner Hand.
„Genau, so ist’s brav.“ Ich streichle durch ihr weiches Fell, lächle ein wenig, als sie anfängt zu schnurren. „Also ich weiß ja nicht, welche Definition von ‚aggressiv‘ das sein soll, aber ich finde, dass sie sehr brav ist.“
„Du bist wohl der Katzenflüsterer“, scherzt die Mitarbeiterin.
„Vielleicht“, gehe ich grinsend auf sie ein. „So, bitte einmal zum Mitnehmen einpacken, sonst bleibt sie noch bis an ihr Lebensende hier.“
Als ich mir sicher bin, dass es der Katze recht ist, nehme ich sie aus ihrem doofen Käfig und lege sie an meine Brust. Sie kuschelt sich sofort an mich, auch ich genieße es, dass dieses kleine, flauschige, graue Ding mich mag. Neugierig stupst das Kätzchen meine Haarsträhne an, die in ihre Reichweite hängt. Sie miaut, was mich zum Lächeln bringt.
„Unfassbar“, meint die Angestellte erneut dabei schüttelt sie den Kopf. „Sie ist sonst so furchtbar aggressiv… Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass sie dich anfaucht und vielleicht sogar kratzt.“
„Ich hab dir doch gesagt, dass du irgendein Talent hast, Sebby. Anscheinend ist dein Talent, dass Katzen dich mögen“, meint Dad belustigt. Er kommt einen Schritt auf mich zu, streckt seine Hand ein wenig nach der Katze aus. Auch von ihm lässt sie sich ohne Probleme streicheln.
„Mit diesem Talent kann ich wirklich leben“, freue ich mich zufrieden.
…
„Ja, es geht ihm gut, aber ich habe eine kleine Aufgabe für dich, Robin“, erzählt Dad, als er mit meiner Mum telefoniert. „Sein neues Kätzchen braucht einen Kratzbaum. … Er wollte sich die Tiere im Tierheim ansehen und hat sich für eine Katze entschieden, die laut den Mitarbeitern schwer zu vermitteln war. … Naja, Katzen eben, kratzen, beißen, fauchen… Nein, nein, bei ihm ist sie sehr zahm. … Er war traurig, Robin und ich denke, dass… … Soll ich einfach ‚Nein‘ sagen, wenn er sich das kleine Ding von mir wünscht? … Woher zur Hölle soll ich wissen, dass dein Macker gegen Katzen allergisch ist? Außerdem ist das wirklich nicht mein Problem, Robin. Hör auf mich anzubrüllen, sonst lege ich einfach auf, Weib…“
Dad verlässt das Wohnzimmer, ich sehe ihm kurz nach, spiele dann aber wieder mit meiner kleinen Muffin.
Ich merke, dass ihre Reaktion immer langsamer wird, sie verliert das Interesse an dem Spielzeug, also nehme ich sie wieder auf den Arm, um mit ihr zu kuscheln. Meine Katze rollt sich an meiner Schulter beziehungsweise meinem Hals zusammen schnurrt, als sie sich an meine Haut kuschelt.
„Ich hab dich lieb, Muffin“, flüstere ich leise. Ich streichle noch einmal durch ihr Fell, schalte dann den Fernseher ein, um mich zu beschäftigen.
Als Dad wieder zurückkommt, legt er das Smartphone genervt auf den Couchtisch. „Jetzt erinnere ich mich wieder, wieso wir uns scheiden lassen haben. Deine Mum ist eine Hexe, wenn sie sauer ist.“
„Was hat sie gesagt?“, erkundige ich mich nach dem nervenaufreibenden Gespräch.
„Dass ich so etwas mit ihr absprechen soll, auch wenn du kein kleines Kind mehr bist und dass Demetrius allergisch auf Katzen ist. Ich hab ihr gesagt, dass das Genie einfach ein paar Chemikalien zusammen mixen soll, um sich selbst zu heilen.“
Ich lache ein wenig, sehe dann zu Dad. Sein Blick ist ebenfalls auf den Fernseher gerichtet. Ihm ist deutlich anzusehen, dass das Gespräch mit Mum ihn sehr gestresst hat.
„Ist Mum jetzt sauer auf mich?“
„Nein, auf mich, weil ich nicht ‚nein‘ gesagt habe… als ob ich die Macht hätte, dir irgendwas zu verbieten. Was hätte ich im Tierheim tun sollen? Dir die Katze aus den Händen reißen und dich in den Kofferraum werfen sollen?“
Ich schüttle den Kopf. „Du hättest mir Muffin nicht wegnehmen können.“
„Eben. Du bist erwachsen, du kannst machen was du willst und wenn du dir eine Katze zulegen willst, dann legst du dir eine Katze zu. Ich mische mich garantiert nicht ein, wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast. Und schon gar nicht, wenn du so strahlst, wie du es wegen dem kleinen Fellknäuel gemacht hast. Robin kann mich so laut anschreien wie sie möchte, ich habe nichts falsch gemacht.“ Dad lächelt mich an. „Ich will, dass es dir besser geht und wenn dir eine Katze hilft und du bereit bist, die Verantwortung für ein Lebewesen zu übernehmen, werde ich dir das garantiert nicht abschlagen.“
„Danke, Dad.“
Dad fährt fort: „Du musst mir nicht danken, mein kleines Frettchen, ich bin einfach nur froh, dass du etwas gefunden hast, das dich zum Lächeln bringt. Außerdem finde ich es witzig, dass Demetrius jetzt leiden wird, aber das ist nur ein kleiner zusätzlicher Pluspunkt, der mein eigenes Ego kitzelt. Oh, vergiss nicht, dein Kätzchen ist kein Spielzeug. Du musst sie füttern, ihr Fell bürsten und ihr Katzenklo sauber halten. Das könnte etwas Routine in dein Leben bringen, womit wir also einen weiteren Pluspunkt hätten. Selbst wenn du müde bist und keine Kraft hast, musst du dich um sie kümmern. Ich bin sicher, dass dich das motiviert, aus dem Bett zu kommen.“
Ich nicke. „Ich werde mich gut um sie kümmern, ich bin kein Kind mehr“, entgegne ich.
„Ich sage das nur, damit du deiner Mum erzählen kannst, dass ich dich damit genervt habe. Sag ihr, dass ich dir einen endlos langen Vortrag über Katzenpflege und Verantwortungsbewusstsein gehalten habe“, meint Dad, wobei er ein wenig grinst. „Diese Frau macht mich fertig… Deine Mum ist furchteinflößend, wenn sie sauer ist. Wie ein ausbrechender Vulkan. Ich bin froh, dass sie mich nicht mehr von Angesicht zu Angesicht anschreit.“
„Ja, sie wirbelt viel Staub auf, wenn sie sich aufregt“, stimme ich ihm zu. „Gut, dass ich ihr Sohn und nicht ihr Ex-Mann bin, ich bekomme nie großen Ärger.“
„Glaub mir, du willst nicht tauschen. … Ähm… Hey, ich hätte Lust auf Pizza, wollen wir eine bestellen? Außer du willst etwas Anderes, dann entscheidest natürlich wie immer du.“
„Pizza klingt gut, darauf hätte ich auch Lust.“
…
Ich verbringe fast einen Monat bei meinem Dad, bis ich wieder bereit dazu bin, nach Hause zu fahren. In der Zwischenzeit haben sich Mum und auch Demetrius damit angefreundet, dass ich eine Katze mit nach Hause bringe. Das Allergieproblem löst sich übrigens mit Hilfe moderner Medizin, wer hätte das gedacht…