Kapitel 14
Intime Gespräche
Max hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten möchte und ich habe ‚Ja‘ gesagt. Also eigentlich habe ich genickt, aber ich habe ‚Ja‘ gemeint.
Glücklich kuschle ich mich an meinen Verlobten, betrachte das neue Schmuckstück an meinem Finger. Max streicht über meinen Arm, er küsst meine Schläfe.
„Ich schätze, dass meine Frage sich erübrigt und er dir gefällt“, stellt Max zufrieden fest.
„Ja und wie. Ist das ein Obsidian?“
„Ja, ich hab mich mal über deinen Lieblingsstein erkundigt. Total witzig, dass er dir so gut gefällt.“
„Wieso das denn?“, erkundige ich mich neugierig.
„Laut Emily hat er Heilkräfte, stärkt die Seele und so… Also sie hat viel mehr gesagt, und ausführlich darüber gesprochen. …aber ich kann mich nicht daran erinnern, aber alles, was sie gesagt hat, passt gut zu dir. Vielleicht solltest du es dir von ihr erklären lassen, sobald es zu kompliziert wird, bekomme ich immer Migräne.“
Ich grinse, drücke Max einen Kuss auf die Wange. „Du bist süß. Ich werde demnächst mit Emily darüber sprechen. Weißt du, was wir noch machen sollten? Wir sollten morgen meine Mum besuchen und ihr von unserer Verlobung erzählen. Sie wird durchdrehen vor Freude. Wortwörtlich.“
„Ja, ich schätze, sie wird mich dieses Mal zerquetschen… Deine Mum ist echt stärker, als sie aussieht.“
„Ja, das ist sie“, stimme ich zu, richte meinen Blick dann wieder auf meinen neuen Ring.
Ich kann es nicht fassen. Es ist schwer zu begreifen, dass Max mich tatsächlich gefragt hat, ob ich sein Mann werden möchte. Und dieser Ring, er ist so schön.
Mein Verlobter weiß, was mir gefällt.
Verlobter… Wie das klingt.
Selbst in meinem Kopf klingt das noch so ungewohnt und unwirklich.
Muffin springt zu uns aufs Bett, sie macht es sich sofort auf meinen Beinen bequem. Mittlerweile toleriert sie Max’ Anwesenheit, dennoch kommt er meiner Katze kaum zu Nahe. Das ist meiner Meinung nach schlau von ihm, denn sie lässt nach wie vor gerne ihre Krallen spielen. Liebevoll streiche ich durch ihr Fell.
„Gute Nacht, meine Süße.“
„Denkst du, dass Muffin irgendwann aufhören wird, mich zu hassen?“, fragt Max leise, als auch er meine Katze streichelt. An seinen Bewegungen ist zu erkennen, dass er ihr nicht ganz traut. Seine Hand befindet sich hinter meiner, sodass Muffin sie nicht sehen kann, sollte sie sich umdrehen.
„Wer weiß. Ich schätze allerdings, dass es nichts Persönliches ist. Sie ist sehr wählerisch, was die Leute angeht, die ihr zu nahe kommen dürfen.“
Als Muffin sich bewegt und ihren Kopf hebt, nimmt Max schnell seine Finger weg. „Oh Yoba, hat sie mich erschreckt. Ich dachte, sie kratzt mich wieder“, gibt Max leicht gestresst von sich.
„Vielleicht sollten wir sie einfach schlafen lassen“, überlege ich laut.
„Gute Idee. Böse Dämonenkatze…“
„Max…“
„Sie hat angefangen.“
„Sie hat sich doch nur bewegt…“
„Aber sie hat genau gewusst, dass ich sie streichle und das passt ihr nicht…“
Ich seufze. Vielleicht hat Max damit sogar Recht, trotzdem kann man ihr das nicht vorwerfen. Sie ist eben ein wenig eigenwillig. Außerdem ist sie eine Katze…
…
Glücklich präsentiere ich meiner Mum meine linke Hand, an dessen Ringfinger Max’ Verlobungsring steckt. Mum kreischt vor Freude, sie springt von ihrem Stuhl auf, um mich und Max fest in den Arm zu nehmen. Sie greift nach meiner Hand und betrachtet meinen Verlobungsring.
„Maru! Demetrius!“, ruft sie aufgeregt. „Max und Sebastian haben sich verlobt!“
„Was? Wirklich?!“, höre ich meine Halbschwester aufgeregt fragen, als ich schon ihre Schritte wahrnehme.
Mum lässt von uns beiden ab. „Herzlichen Glückwunsch, Schatz.“ Sie küsst glücklich meine Wange, auch Max bekommt einen Kuss. „Ich fasse es nicht. Mein kleiner Sebby ist verlobt. Weiß dein Vater schon davon?“
„Öhm… nein… Ich…“
„Ich muss ihn sofort anrufen!“, gibt Mum freudig von sich. Sie drückt mir noch einen Kuss auf die Wange und eilt mit ihrem Smartphone auf dem Ohr in die Werkstatt.
Auch Maru nimmt mich fest in den Arm. „Ich freu mich so für dich, für euch beide. Herzlichen Glückwunsch.“
„Danke, Maru.“
„Siehst du, ich hab dir gesagt, dass Max dich so liebt, wie du bist, aber du wolltest ja nicht auf mich hören.“
Mein Verlobter lacht, legt dann seinen Arm um mich. „Manchmal ist er ein wenig schwer von Begriff, aber das wird schon. Ich bring ihm das Denken schon noch bei.“
„Sagt derjenige, der Migräne bekommt, wenn ein Satz mehr als zehn Wörter beinhaltet.“
„Au… Mein Kopf, dein Satz war zu lang“, greift Max meine Vorlage gleich auf, um sich selbst durch den Kakao zu ziehen.
„Du bist ein Idiot, aber ein süßer Idiot.“ Glücklich schmiege ich mich an Max.
Auch Demetrius nimmt sich ein wenig Zeit, um uns zu gratulieren, auch wenn seine Art der Glückwunschbekundung nur aus einem Händedruck und wenigen Worten besteht. Aber das ist okay, seine Zustimmung ist mir ohnehin nicht wichtig, alles, was ich brauche ist Max.
…
Wenige Tage später feiern wir unsere Verlobung mit einer kleinen Party. Die ganze Stadt kommt im Saloon zusammen, um uns zu gratulieren. Meine Emotionen schwanken zwischen Aufregung, Nervosität und Vorfreude.
„Mein Dad kommt heute Abend übrigens auch in den Saloon“, erkläre ich, als ich mir gerade die Haare im Badezimmer style.
„Cool, ich freu mich schon.“
„Kommen auch Freunde von dir?“, frage ich nach.
„Ja… also…“
Der Ton sagt alles. „Du hast keinem Bescheid gegeben und auch niemanden eingeladen, richtig?“, frage ich, wonach ich seufze.
„Der Weg von Zuzu City nach Pelican Town ist lang. Wir hätten das Haus voll mit Gästen… Ich meine, meine Freunde sind cool, aber ich will dir nicht zu viel Stress bereiten. Wir holen das nach und fahren demnächst mal in die Stadt, um mit meinen Freunden zu feiern. Dann nehmen wir uns irgendwo ein Zimmer oder schlafen bei deinem Dad, da kannst du dich ein wenig zurückziehen. Ich weiß, wie belastend eine große Menschenmenge ist und solange es nicht nötig ist, will ich dich diesem Stress nicht aussetzen.“
„Danke, dass du dir so viele Gedanken machst. Das ist lieb von dir.“
„Du bist alles, was in meinem Kopf herumschwirrt“, antwortet Max grinsend. Er gibt mir einen Kuss auf die Wange, dann noch einen und gleich einen weiteren.
Ich blicke in den Spiegel, lächle ein wenig. Heute feiern wir offiziell unsere Verlobung, also feiern ist relativ. Wie man eben in so einem kleinen Dörfchen feiert. Wir sitzen heute Abend im Saloon zusammen, reden und trinken.
Ich bin schon richtig gespannt darauf, meinen Dad wieder zu sehen. Ob er seine neue Freundin mitbringt? Wir haben schon ewig nicht miteinander geredet, ich habe ihm so viel zu erzählen.
…
Im Saloon angekommen werden Max und ich sofort von den Anwesenden begrüßt. Ich werde gedrückt, geküsst und beinahe von Glückwünschen zerquetscht. Während ich unter den Anwesenden eher untergehe, blüht Max auf. Er strahlt, verwickelt beinahe jeden in ein angeregtes Gespräch und unterhält sich köstlich. Dass er die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht, hilft mir, ein wenig aus dem Trubel zu flüchten. Mir ist das alles zu viel. Ein Glück, dass Max mir das Reden abnimmt. Dass wir so gegensätzlich sind, ist mir in dieser Situation eine große Hilfe.
Erleichtert begebe ich mich zur Bar, um mir einen alkoholfreien Drink zu bestellen. Ich bekomme sozusagen Fruchtsaft in einem Glas mit ein paar Früchten als Garnierung und einem Schirmchen, um die Deko abzurunden. Auch an einem feierlichen Tag wie heute ist mir nicht danach, Alkohol zu konsumieren. Ich finde nüchtern sein gut und ich brauche das Zeug nicht, um Spaß zu haben.
„Hey Sebby“, spricht Dad mich an, der ebenfalls an der Bar sitzt. „Du siehst unglücklicher aus, als du sein solltest, mein kleines Frettchen.“
„Naja… Ich weiß nicht, wie ich mit so viel Aufmerksamkeit umgehen soll. Max fängt das zum Glück ganz gut ab.“
Dad greift nach meiner Hand, hebt sie ein wenig an, um sich den Ring ansehen zu können. „Es ist deine Verlobungsfeier. Was hast du denn gedacht? Dass es um alle anderen außer dich geht?“
„Mir ist schon klar, dass es um Max und mich geht… aber trotzdem…“
Dad lässt meine Hand los, leert seinen Drink, stellt das Glas gleich wieder an der Theke ab. „Ich freue mich von ganzem Herzen, Sebastian. Es ist schön, dass du jemanden gefunden hast, der dich nimmt wie du bist, der dich akzeptiert und dir zur Seite steht. Beziehungen sind nicht immer einfach, mal geht es bergab, aber dann auch wieder bergauf. Du findest deinen Weg schon. Max ist ein toller Mann, ich habe ein gutes Gefühl was ihn angeht. Du hast es verdient, glücklich zu sein.“
„Danke, Dad. Aber irgendwas sagt mir, dass du mehr sagen möchtest“, antworte ich ihm mit einem leichten Lächeln.
„Nein, es ist dein Abend, genieß ihn bitte. Du hast es verdient. Lass dich feiern“, erklärt er lächelnd, doch das Lächeln ist falsch, ich weiß das.
„Dad… hat deine Freundin dich verlassen?“
Er rollt mit den Augen. „Ist das so offensichtlich?“
„Naja, sie ist nicht hier und du sitzt alleine an der Bar. Du unterhältst dich mit niemandem. Normalerweise bist du eher wie Max, immer mitten im Geschehen. Ich hab eins und eins zusammen gezählt.“
„Okay, du hast Recht. Sie hat sich einen Jüngeren geangelt… Ich war wohl wieder nur der Idiot, der Rechnungen bezahlt… Aber Sebby, heute geht es nicht um mich, okay? Mach dir keine Sorgen um mich und meine Probleme, ich bin schon erwachsen, ich schaffe das schon.“ Er zwinkert mir zu. „Kümmere dich lieber um deinen Verlobten, ich glaube, dass Abby und Sam ihn gerade abfüllen.“ Er deutet mit seinem Kopf in die Richtung, in der nun auch sein Blick liegt.
„Was?“, frage ich erschrocken, sehe dann rüber zu Max, der drei Kurze hintereinander kippt. „Oh… Wenn er so weiter macht, dann muss er hier schlafen. Ich schaffe es unmöglich, ihn nach Hause zu schleifen… Er zu groß und zu schwer…“
„Ach, ich bin sicher, dass der Fußboden bequem ist“, scherzt Dad grinsend. „Ich hab schon auf schlimmeren Fußböden geschlafen.“
Ich sehe Dad an, schüttle dann den Kopf. „Ich finde das nicht witzig.“
„Ich irgendwie schon. Sei nicht so verklemmt, es ist eine Party. Max wird schon nichts anstellen. Er will nur etwas Spaß haben. Den Rest des Jahres verbringt er ohnehin hauptsächlich mit seiner Arbeit, der heutige Abend wird ihm sicher gut tun.“
„Ich weiß, Dad… Ich will nur nicht, dass es ihm schlecht geht.“
„Mach dir nicht zu viele Gedanken.“
„Ich versuch’s“, antworte ich nickend, mein Blick ist nach wie vor auf Max gerichtet. Er muss mit dem Trinken definitiv langsamer machen, sonst ist er in einer Stunde tot.
…
Ich bin auf dem Weg zur Toilette, um nach Max zu sehen. Er hat Recht viel getrunken, er hat zwar nicht gelallt oder gesagt, dass ihm schlecht ist, trotzdem will ich lieber nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Ich mache mir Sorgen um ihn. Als ich den Gang entlang gehe, kommt mir eine Unterhaltung zu Ohren. Es scheint, als würden Max und Dad miteinander reden.
„…Er ist wirklich wunderbar und ich kann es kaum erwarten, Sebastian zu heiraten, auch wenn wir uns damit noch Zeit lassen wollen, bis naja… du weißt schon.“
„Wie elegant du das Thema umgehst“, erklingt Dad.
„Es ist nicht einfach für mich… Darf ich dich etwas fragen, Dan? Etwas, worüber du mit keinem anderen reden darfst?“
„Kommt darauf an, worum es geht.“
„Um Sex.“
„Max, ich weiß nicht, ob mir die Richtung dieses Gesprächs gefällt.“
Ich schleiche mich an, lehne mich dann an die Wand, um ein wenig näher dran zu sein. Es ist zwar falsch zu lauschen, aber ich will es trotzdem hören.
„Ja, du bist vermutlich kein guter Ansprechpartner… Aber du hattest viele, junge hübsche Freundinnen, ich dachte, dass du weißt, wie Heterosex funktioniert.“
Dad lacht, auch ich halte mir die Hand vor den Mund, um nicht entdeckt zu werden. Ich darf keine Aufmerksamkeit erregen.
Hatte Max keinen Sexualunterricht an seiner Schule?
Wie kann er solche grundlegenden Dinge nicht wissen?
„Hör auf zu lachen, Dan, das ist mir unangenehm. Rein technisch weiß ich, wie es funktioniert, ich bin doch kein Idiot“, beschwert Max sich. „Aber gibt es nicht irgendeine Möglichkeit, eine Frau zu befriedigen, ohne es wirklich zu tun? … Ich würde Sebby gerne näher kommen, aber ich habe einfach Angst, dass mein Penis nicht mitspielt… Ich will ihn nicht enttäuschen oder ihm das Gefühl geben, dass ich ihn abstoßend finde, denn er ist nicht abstoßend… Dan, ich liebe ihn so sehr und ich will ihn glücklich machen, du musst mir helfen.“
„Okay, okay, ganz ruhig, atme tief durch.“
„Du hilfst mir?“, fragt Max erleichtert nach.
„Kannst du die Antworten auf deine Fragen nicht im Internet suchen?“, antwortet Dad mit einer Gegenfrage.
„Als ich im Internet gefragt habe, wie man eine Frau befriedigt, wurde ich als Schwuchtel bezeichnet“, antwortet Max trocken, was meinen Dad erneut dazu bringt zu lachen. „Ich meine, sie haben schon Recht… Hör auf zu lachen, Dan. …aber hilfreich war es echt nicht, das wusste ich ja vorher schon. …so etwas muss mir kein Fremder im Internet sagen.“
Schnell lege ich mir meine zweite Hand auf den Mund. Fuck, wieso ist dieses Gespräch so witzig, aber auch gleichzeitig so ernst? Ich wäre eigentlich beleidigt, weil Max mit meinem Dad über Sex und meinen Intimbereich redet, aber es ist einfach so lustig, dass ich nicht wütend sein kann.
„Es tut mir leid, Max, wirklich“, entschuldigt Dad sich belustigt. „Okay. Ähm… Es ist im Prinzip wie bei einem Penis, nur irgendwie doch nicht. Du kannst alternativ deinen Mund oder deine Finger nehmen. Für den weiblichen Orgasmus ist unter Anderem der G-Punkt verantwortlich, wenn du ihn findest und stimulierst, hast du gewonnen. Dann wäre da noch die Klitoris, die man nicht außer Acht lassen sollte. Ich bin mir nicht sicher, ob dir diese Erklärung hilft, vielleicht solltest du dir dazu eine passende Grafik im Internet suchen.“
„Okay…“
„Weißt du, bei Frauen ist das alles ziemlich individuell, man muss verschiedenes ausprobieren. Nicht jede Frau mag dieselben Dinge im Bett und manchmal ist das, was sich sonst gut bewährt an einem anderen Tag plötzlich nicht mehr so angenehm für sie, während ein Penis eigentlich immer gleich funktioniert. Das aller wichtigste ist aber, dass du ihn bei einer Frau nicht ‚einfach reinstecken‘ und dich ein bisschen bewegen kannst. Das reicht nicht. Im schlimmsten Fall ist ihr das nicht nur unangenehm, sondern mit Schmerzen verbunden. Du musst dir Zeit nehmen für Komplimente, Küsse, Streicheleinheiten. Ein Vorspiel ist wichtig… Oh ein Tipp fällt mir noch ein. Wenn du gerade dabei bist, sie mit dem Mund zu verwöhnen und sie die Hüfte hebt und dir entgegen drückt, ist es gut, wenn sie die Hüfte wegzieht bist du auf dem falschen Weg.“
Es ist still… Zu still…
Außerdem sind das viel zu viele Informationen, die man über seinen eigenen Dad einfach nicht wissen will. Ich will mir nicht vorstellen, wie Dad mit irgendeiner Frau Sex hat. Schon bei dem Gedanken an diesen Gedanken läuft es mir kalt den Rücken runter. Ich muss mein Kopfkino gar nicht erst einschalten, um schon genug gesehen zu haben.
„Sieh mich nicht so an, Max. Hey… wenn du dir das alles nicht zutraust ist das okay… Das ist unbekanntes Terrain und ich bin sicher, dass Sebastian dir nicht böse ist, wenn es beim ersten Mal nicht funktioniert. Vielleicht machst du dir ohnehin zu viele Gedanken und er will noch keinen Sex mit dir… Für ihn ist diese Sache bestimmt genauso unangenehm wie für dich.“
„Was ist… wenn… wenn wir es tun und… wenn ich nicht gut genug bin…?“, erklingt Max traurig, ich bilde mir ein, dass er schluchzt. „Er war schon einmal so wütend, weil… weil ich gesagt habe… dass ich das nicht kann… Ich will ihn nicht beleidigen, Dan. Ich will ihm auch körperlich nah sein… …aber es geht nicht, ich krieg es nicht hin… er verdient jemanden, der damit umgehen kann… und ich will damit umgehen können. Ich will derjenige sein, der ihm alles gibt, was er sich wünscht.“
Dass Max wegen mir weint, lässt sofort einen Kloß in meinem Hals entstehen. Ich nehme die Hände von meinem Mund, traurig richte ich meinen Blick zu Boden. Max soll nicht weinen…
„Hey, Max, beruhig dich und hör auf, dir darüber Sorgen zu machen… Du hast nur zu viel getrunken… Komm her…“
Ich höre das Quietschen einer Tür, kurz darauf fällt sie ins Schloss. Klingt so, als würde Dad Max zu den Toiletten bringen. Ich höre sie nicht mehr sprechen.
Hoffentlich geht es Max gut. Ich habe ein schlechtes Gewissen…
Wir müssen uns ausführlich über das Thema Sex unterhalten und sehen, wie weit wir kommen und was wir tun können, damit wir uns beide wohl fühlen und auf unsere Kosten kommen. Bis jetzt haben wir es immer wieder aufgeschoben, doch es wird Zeit, dass wir darüber sprechen. Es beschäftigt uns immerhin beide…
Ich atme tief durch, als meine Blase sich meldet. Perfektes Timing. Vorsichtig blicke ich um die Ecke. Die Luft ist rein. Da ich Max und Dad aus dem Weg gehen möchte, überwinde ich mich dazu, wieder zur Damentoilette zu gehen. Ich habe den Schritt lange hinter mir. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Besuch auf der Herrentoilette hier im Saloon. Sam hat mir den Gefallen getan und gecheckt ob jemand drinnen ist. Er hat vor der Tür Schmiere gestanden, und dafür gesorgt, dass ich ungestört bin…
Tja, jetzt bin ich wohl wieder einen Schritt rückwärtsgegangen, aber die Hauptsache ist, dass ich Dad und Max dadurch aus dem Weg gehen kann. Ich will uns allen diese Peinlichkeit ersparen. Es könnte Max unangenehm sein, dass ich ihn weinen sehe. Und solange es sich einrichten lässt, bevorzuge ich es außerdem, meine Blase zu entleeren, ohne dass mein Dad und mein Verlobter daneben stehen.
…
Wir feiern bis nach zwei Uhr morgens. Meine letzten Tassen Kaffee haben nichts gebracht, ich bin mittlerweile sehr müde. Glücklicherweise muss ich Max nicht nach Hause schleppen, es geht ihm eigentlich ganz gut, bis auf die Tatsache, dass er ein wenig bedrückt wirkt. Hand in Hand spazieren wir durch die eisige Kälte des Winters. Ich ringe ein wenig mit mir, doch dann überwinde ich mich dazu, das Thema, das mich jetzt schon den ganzen Abend beschäftigt, vorsichtig anzusprechen.
„Max?“
„Hm?“
„Ist alles in Ordnung? Du bist so ruhig… Nachdem du so lange auf der Toilette warst, bist du wie ausgewechselt. Ist dir schlecht?“
„Nein, es ist alles okay“, winkt er ab, dabei lächelt er ein wenig. „Ich bin nur müde und ich hab ein wenig Kopfschmerzen von der miesen Beleuchtung … naja oder vom Alkohol. Ich sollte Wasser trinken, sobald wir zu Hause sind. Ich hab zwar ein Glas getrunken, bevor wir los sind, aber ich bin trotzdem ziemlich durstig.“
„Ja, das ist bestimmt eine gute Idee“, stimme ich ihm zu.
„Dein Dad ist übrigens ein echt toller Mensch. Wir haben uns unterhalten, deswegen war ich auch so lange weg. Du kannst dich glücklich schätzen, jemanden wie ihn zu haben“, erzählt Max.
„Und worüber habt ihr geredet?“, hake ich nach.
Einen Teil dieses Gespräches habe ich ohnehin mitbekommen, aber das weiß Max ja nicht. Also noch nicht… Ich werde ihm garantiert nicht verheimlichen, dass ich ihn belauscht habe. Es war nicht ganz richtig, ihn zu belauschen, das muss richtiggestellt werden. Er kann mit meinem größten Geheimnis umgehen, also wird ihn auch dieses kleine Geständnis nicht aus der Bahn werfen.
Er zögert ein wenig. Ich zweifle kurz daran, dass Max mir die Wahrheit erzählt, doch dann antwortet er mir: „Über unsere Beziehung, Beziehungen im Allgemeinen, über… Sex…“
„Hm… Du redest mit meinem Dad über Sex?“
„Ich brauchte Tipps…“, gesteht er. „Ich hab zwar schon vieles ausprobiert, anderseits bin ich aber auch ziemlich unerfahren, weißt du…“
„Max… Ich… Ich muss dir etwas sagen.“
Das ist der perfekte Moment. Wenn ich ihm gestehe, was ich gehört habe, nimmt das die Peinlichkeit aus der Sache und ebnet den Weg für ein konstruktives und ehrliches Gespräch.
Mein Verlobter bleibt stehen, legt seinen Kopf schief. „Das klingt ernst.“
Meine Hand gleitet aus seiner. „Ich… Also… Ich wollte es eigentlich nicht, aber…“
„Hast du etwas angestellt?“ Ich nicke. „Etwas… Sexuelles?“
„Was? Nein, nein. Max, ich hab euch belauscht, als ihr im Gang über naja… ‚das Problem‘ geredet habt.“
Max sieht mich ertappt an. „Oh fuck, klasse… das ist so klasse… Du hast mich auch weinen hören, richtig? Deswegen hast du so oft nachgefragt…“ Ich nicke erneut, mein Verlobter atmet tief durch, legt seine Hände in sein Gesicht. Mit beiden Händen streicht er sich die Haare aus dem Gesicht. „Baby, es tut mir leid.“
Vor Irritation schüttle ich den Kopf. „Was? Es… tut dir leid?“
„Ja, ich… will… Ich will dich glücklich machen, auch sexuell, aber ich weiß noch nicht wie. Ich bekomme das irgendwie hin, ich verspreche es. Es gibt so viele Dinge, die man ausprobieren könnte.“ Max blickt in den Himmel, seufzt dann. „Ich liebe dich wie du bist… ...und ich will dir kein schlechtes Gefühl übermitteln, aber ich mache alles immer irgendwie falsch und…“ Seine Stimme bricht, er fängt wieder an zu schluchzen.
Zitternd trete ich an Max heran. Ich lege meine Arme um ihn und umarme ihn fest. „Ich liebe dich auch, Max. Bitte hör auf, dir Gedanken zu machen. Es ist alles in Ordnung, ich bin zufrieden, auch ohne Sex. Ich genieße unsere Küsse, unsere Umarmungen und unsere Kuschelzeit im Bett oder auf der Couch. Du machst alles richtig, glaub mir.“
„Ist das dein Ernst?“, fragt Max schluchzend.
„Ja, du unterstützt mich so gut du kannst und ich bin der glücklichste Mensch der Welt, weil ich dich an meiner Seite haben kann. Es gibt nur zwei Dinge, die mich im Moment unglücklich machen.“
„Und die wären?“
„…dass du weinst und dass ich langsam erfriere…“
Max wischt über seine Augen. „Tut mir leid, kommt nicht mehr vor.“
„Du darfst ruhig weinen, nur nicht wegen so einem Schwachsinn und schon gar nicht in der Kälte. Stell dir vor, deine Wimpern frieren jetzt zusammen, weil du so viel weinst. Und dann bist du blind, bis wir sie wieder aufgetaut haben. Und wie taut man Wimpern überhaupt auf? Soll ich sie für 30 Sekunden in die Mikrowelle werfen? Ich wäre total überfordert, während du den Rest deines Lebens blind über dir Farm läufst.“
Max lacht ein wenig. „Du bist so verrückt.“
„Komm, lass uns nach Hause gehen, meine Füße sind kalt…“
Max sieht an mir runter. „Wieso hast du nicht deine Stiefel angezogen?“
„Damit wäre mir im Saloon zu heiß gewesen. Ich konnte ja nicht damit rechnen, dass ich hier im Schnee rumstehe. Beim nächsten Mal nehme ich mir ein zweites Paar Schuhe mit.“
Max greift nach meiner Hand, wir setzen unseren Spaziergang zur Farm fort. Die eiskalte Winternacht ist still, abgesehen von unseren Schritten im gefrorenen Schnee ist nichts zu hören. Die Luft fühlt sich frisch und rein an, trotzdem ist sie viel zu kalt. Sobald wir zu Hause ankommen, muss ich mich wieder auftauen. Ich wäre für ein entspannendes, heißes Bad.
…vielleicht will Max ja sogar mit mir zusammen baden?