Kapitel 18
Der Alltag eines Farmers I
Max ist im Moment der Inbegriff einer weit verbreiteten Pornofantasie. Er ist der Handwerker, der oben ohne etwas für dich repariert und dich dann zweideutig angrinst, als du dich dafür bedanken und erkenntlich zeigen möchtest. Der weitere Weg führt auf die Couch, grobe Hände packen dich leidenschaftlich. Du wirst geküsst, wie du noch nie zuvor geküsst wurdest und ehe du dich versiehst, liegst du nackt unter diesem Traumkörper. Du schließt die Augen und merkst schnell, dass handwerkliche Tätigkeiten nicht Max’ einziges Talent sind…
Doch Fantasie beschreibt es ganz gut, denn das ist alles, was es ist. Eine Fantasie, die so nur in meinem Kopf stattfindet. Ich bleibe angezogen, auch Max’ Körper ist zum größten Teil mit Kleidung bedeckt. Ich glaube allerdings zu wissen, dass er sein Shirt extra für mich ausgezogen hat, nur um mich zu beeindrucken.
Mein Verlobter steigt von der Leiter und schaltet das Licht ein. Die neue Glühbirne erhellt mein Arbeitszimmer. Zufrieden sieht Max mich an, auch ich bin zufrieden. Jetzt ist die Beleuchtung endlich wieder ausreichend hell, sodass ich ohne Probleme auch nachts an meinem Computer arbeiten kann.
„Danke, Max“, bedanke ich mich zufrieden. „Du weißt aber, dass ich das mit der Leiter auch selbst geschafft hätte.“
„Natürlich weiß ich das, aber es schmeichelt meinem Ego sehr, wenn ich gebraucht werde. So starte ich gut gelaunt in den Tag und nichts kann mich mehr aufhalten.“
„Ach wirklich?“, frage ich schmunzelnd. Ich mache einen Schritt zu meinem Schreibtisch hinüber und nehme meinen Staubwedel zur Hand. „Na dann kannst du doch sicher noch schnell alle Ecken von Spinnweben befreien. Ich will die Viecher nicht in meinem Arbeitszimmer haben. Damit würdest du mir sehr helfen. Du weißt ja, ich bin so klein und du bist so groß, da brauche ich unbedingt deine Hilfe.“
Max merkt natürlich sofort, dass ich ein bisschen übertreibe, dennoch hebt er stolz seinen Kopf. Sein Ego zu streicheln ist verdammt einfach und selbst so eine Kleinigkeit, scheint tatsächlich seine Laune zu heben. „Dein Wunsch ist mir Befehl, mein Liebster.“
Ich lasse mich auf die Couch sinken und sehe meinem Verlobten dabei zu, wie er sich um mein nächstes Problem kümmert. Es ist immer wieder schön, ihm beim Arbeiten zuzusehen. Der Anblick ist äußerst inspirierend. Max hebt den Staubwedel an und wischt damit über die erste Ecke. Die Spinnen haben keine Chance gegen ihn.
„Aber das ist eigentlich eine gute Idee, Sebastian. Wenn ich schon dabei bin, kann ich das gleich im ganzen Haus machen. Irgendwas übersieht man beim Putzen ja immer, vor allem wenn putzen sowieso schon nicht deine Stärke ist“, erzählt er. „Aber dann muss ich echt draußen loslegen.“
„Mhm… Du machst das übrigens großartig. Ich könnte dir den ganzen Tag zusehen.“
„Ach ja?“
„Ja, als hätte ich meinen persönlichen Diener, dem ich befehle alle Aufgaben halbnackt zu erledigen, nur um mich daran zu erfreuen.“
„Ach so ist das? Du erfreust dich an meiner nackten Haut?“
„Ja und wie“, antworte ich etwas verlegen, als Max vor mir stehen bleibt. Ich betrachte seinen Oberkörper und streiche über seine Bauchmuskeln. „Ich bin froh, dass ich dich habe.“
„Ich bin auch froh, dass ich dich habe“, entgegnet Max mir.
Ich sehe zu ihm nach oben und verenge etwas die Augen. „Max, sei nicht so unhöflich, ich habe offensichtlich mit deinem Sixpack geredet“, ziehe ich ihn auf, verrate mich jedoch nicht durch meine Mimik. Ich bleibe so ernst wie möglich. Doch Max weiß natürlich sofort, dass es sich trotzdem um einen Scherz handelt.
„Du kleines, freches Biest.“
Mein Verlobter zerzaust mit seiner freien Hand meine Haare. Auf diese Aktion reagiere ich mit einer Schmolllippe, dabei drehe ich meinen Kopf etwas zur Seite, doch ich kann Max nicht entkommen. Er lässt seine Hand auf meinem Kopf ruhen. Als ich wieder zu ihm nach oben blicke, erkenne ich sofort, dass er sich über meinen Blick amüsiert.
„Sieh mich nicht so schmollend an, du hast doch angefangen. Wer austeilen kann, muss auch ein bisschen einstecken können.“
„Ja, ich hab aber nur angefangen, weil du so sexy bist, also genau genommen hat dein Sixpack angefangen.“
Ich blicke auf besagtes Sixpack, ehe ich wieder nach oben sehe. Max wirkt unbeeindruckt, doch dann schmunzelt er. „Dir würde ich vermutlich sogar Mord vergeben, weil du so verdammt niedlich bist.“
„Danke.“ Ich streiche meine Haare wieder glatt, so gut ich es zumindest ohne Spiegel hinbekomme.
Max geht in die Knie. Ich lege meine Hände an seine Wangen und küsse seine Lippen. Er erwidert diese kurze Liebesbekundung, doch ich lasse ihn schnell wieder gehen, damit er seiner Arbeit nachkommen kann. Max hat heute noch viel zu tun und ich will ihn nicht weiter mit irgendwelchen Kleinigkeiten aufhalten. Mein Verlobter verabschiedet sich mit einem Kuss auf meine Stirn. Meinen Staubwedel nimmt er mit.
„Lass dich mal draußen sehen“, erinnert Max mich. „Das Wetter soll heute ganz angenehm sein. Die Sonne kommt zwar ab und zu durch, aber es soll überwiegend bewölkt sein. Du wirst garantiert nicht verbrennen.“
„Klingt gut, dann kann ich ja später ein wenig frische Luft schnappen.“
„Sehr brav.“ Max öffnet zwar die Tür, bleibt jedoch noch einmal stehen. „Oh und erschreck dich nicht. Ich arbeite dann neben deinem Fenster, damit dieser Ast, der ständig an der Dachrinne kratzt und gegen dein Fenster knallt, wegkommt. Dann können wir bei Wind auch ruhiger schlafen.“
„Super, danke. Der nervt mich schon lange genug.“
„Ich weiß“, antwortet Max. „Entschuldige, dass ich damit jetzt so lange gewartet habe. Ich hätte das längt erledigen können.“
„Das ist gar kein Problem, ich weiß ja, dass du viel zu tun hast. Mach dir da keine Gedanken.“
„Viel zu tun ist noch milde ausgedrückt“, antwortet er schmunzelnd. „Eigentlich sollte ich im Keller eine halbe Gridballmannschaft an Max-Klonen züchten, damit sie mir helfen können.“
„Na ob wir die alle durchfüttern können?“
„Genau deswegen habe ich noch keine Klone von mir“, meint Max belustigt. „Die würden uns nur die Haare vom Kopf fressen.“
„Dann besser keine Klone, ich mag meine Haare“, antworte ich trocken.
„Genau meine Gedanken. Ich mach mich jetzt an die Arbeit. Ganz alleine und ohne Power-Klone.“
„Okay“, verabschiede ich mich. „Viel Spaß, Max.“
Mein Verlobter verlässt das Zimmer. Nicht nur er hat heute einiges vor, auch ich habe mir für den heutigen Tag ein paar Punkte auf die To-Do-Liste geschrieben. Ich komme zum Beispiel endlich dazu das zu tun, was mir schon länger im Kopf herumschwirrt. Ich wollte schon eine Weile mein Arbeitszimmer dekorieren. Die Fotos, die ich ausgedruckt habe, liegen schon bereit, um an meine Pinnwand geheftet zu werden. Da ist einiges zusammengekommen in den letzten Monaten.
Etwas schwerfällig stehe ich von meiner Couch auf. Es ist immer schwer, den ersten Schritt zu machen, wenn man sich lieber der Faulheit hingeben möchte. Doch er muss getan werden!
Um nicht alleine in der Stille vor mich hin zu dekorieren, schalte ich meine Bluetooth-Boxen ein und mache Musik an. Ich entscheide mich für meine Chillen-Playlist, einem ausgewogenen Mix, nicht zu langweilig, aber auch nicht zu aufdringlich, perfekt als Hintergrundmusik.
Muffin schleicht um meine Beine, sie reibt ihr flauschiges Köpfchen an meiner Wade, ehe sie auf die Couch springt, um es sich in meiner Kuscheldecke gemütlich zu machen. Sie rollt sich zu einem kleinen Fellknäuel zusammen. Immer wenn ich meine Katze sehe, muss ich lächeln.
Um einen besseren Überblick zu haben, lege ich alle Fotos auf. Mein Schreibtisch wird schnell zu einer bunten Collage an Erinnerungen. Natürlich habe ich mich unter anderem für zahlreiche Fotos von meiner Katze entschieden. Muffin ist ein tolles Motiv, egal was sie tut, sie sieht furchtbar niedlich dabei aus. Am besten gefallen mir die Fotos, auf denen man sofort erkennt, was für eine neugierige und aufgeweckte Katze sie geworden ist, seit ich sie aus dem Tierheim adoptiert habe. Allerdings sind auch die Fotos, auf denen sie schläft, zum Niederknien. Natürlich fehlt auch nicht das erste Selfie von meiner Katze und mir, das ich bei meinem Dad geschossen habe. Für meine Pinnwand habe ich mir aber nicht nur Bilder von meiner Katze, sondern auch Selfies von Max und mir und auch welche von meinen Freunden und mir zusammen gesucht. Meine Schwester Maru ist selbstverständlich auch vertreten. Von mir gibt es nicht so viele Bilder, da ich doch immer wieder etwas unsicher wegen meinem Aussehen bin. Seit ich mit Max zusammen bin, hat sich das allerdings schon ein bisschen verbessert. Durch seine Komplimente habe ich einen deutlichen Selbstvertrauens-Boost bekommen.
Foto für Foto nehme ich von meinem Schreibtisch und stecke es mit einer Nadel an meiner Kork-Pinnwand fest. Ich arrangiere die Erinnerungen stimmig und mit viel Liebe. Wenn ich mich mies fühle, dann muss ich mir nur diese schönen Momentaufnahmen ansehen. Das gibt mir die Möglichkeit sofort in den positiven Erinnerungen schwelgen, um mich besser zu fühlen.
Lange dauert es ja nicht mehr, denn ein Ende meiner Qualen ist so gut wie in Sicht. Die erste Operation ist zum Greifen nahe. In ein paar Monaten werde ich nach und nach all die alten Fotos ersetzen können. Ich werde nie wieder einen Binder tragen, wenn ich Fotos machen möchte. Es wird mir endlich möglich sein, jeden Winkel zu wählen, ohne mir darüber Sorgen machen zu müssen, ob ich auch männlich genug aussehe. Diesen Tag kann ich kaum erwarten!
Es klopft an meinem Fenster. Ich drehe mich hinüber und muss sofort lächeln, als ich Max winken sehe. Er haucht mir einen Kuss zu. In Erwartung eines richtigen Kusses trete ich auf ihn zu. Ich öffne das Fenster und sehe meinen Verlobten an, der bereits auf der Leiter steht. Er sieht mich an, als hätte er Lust auf etwas Süßes und als wäre ich das letzte Stück Kuchen.
„Hey, Max.“
„Hallo, Schönheit. Sind deine Eltern zu Hause?“
Ich schmunzle bei der Frage. Nette Einleitung für ein kleines Rollenspiel. „Nein, ich hab sturmfrei. Willst du reinkommen?“
„Und wie…“, antwortet Max sehnsüchtig. Mit einem Knopfdruck löse ich den Schließmechanismus des Insektengitters und schiebe es nach oben. Ich beuge mich etwas aus dem Fenster. Unsere Lippen treffen sofort aufeinander. Der Kuss ist zärtlich und liebevoll. „Wenn ich nicht arbeiten müsste, würde ich den restlichen Tag mit dir auf der Couch verbringen.“
„Das würde mir gefallen.“
Max nickt. „Mir auch. Ich verspreche dir, dass ich den nächsten Regentag nur dir widmen werde.“
„Na dann sollte ich schnell einen Regentanz einstudieren.“
„Wäre eine gute Idee.“
Ich bekomme noch einen sanften Kuss von meinem Verlobten, doch dann widmet er sich leider seiner Arbeit. Max erklimmt die Leiter bis fast ganz nach oben. Da er kein Werkzeug in seinen Händen hält, nehme ich an, dass er sich erst einen Überblick verschaffen möchte.
„Oh, sieht so aus als sollte ich die Dachrinne sauber machen…“
„Ist viel Zeug drinnen?“
„Oh ja… Ich hatte ganz vergessen oder verdrängt, dass man das auch ab und zu machen sollte. Ein eigenes Haus zu haben ist doch mehr Arbeit, als man denkt. In einer Mietwohnung fällt alles in allem schon sehr wenig an, wenn man das so vergleicht. Und da meine ich nicht mal die Farmarbeit, sondern nur das Haus an sich.“
„Kann ich dir denn irgendwie unter die Arme greifen?“
„Nicht wirklich. Ich schaffe das schon“, erklingt Max von oben. Er klettert die Leiter wieder hinunter. „Da oben wären wir uns nur gegenseitig im Weg. Ich schaffe das schon.“
„Na gut, aber überanstreng dich nicht“, bitte ich Max ein wenig besorgt.
„Tu ich nicht, versprochen.“
Während mein Verlobter sich draußen um die groben Arbeiten kümmert, dekoriere ich mein Zimmer so, wie ich es mir vorgenommen habe. Natürlich behalte ich noch im Hinterkopf, dass ich ihm draußen Gesellschaft leisten wollte, doch dafür habe ich noch etwas länger Zeit, wenn er erst den Baum beschneidet und sich dann auch noch um die Dachrinne kümmert. Es wäre wahrscheinlich nicht unpraktisch, wenn wir für solche Arbeiten einen Helfer auf der Farm hätten. Es müssen ja keine Max-Klone sein.
Nicht nur die kleinen Fotos finden ihren Platz an meiner Pinnwand. Max war bereits so freundlich und hat die passende Vorarbeit geleistet. Die Schrauben sind stabil genug in den Wänden verankert, sodass ich problemlos meine gerahmten Fotos aufhängen kann. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ich die großen Fotos erst einmal rahme. Die passenden Bilderrahmen dafür nehme ich aus meiner großen Schreibtischschublade.
In den ersten schwarzen Bilderrahmen spanne ich ein Foto, welches Max und ich per Selbstauslöser gemacht haben. Es ist romantisch und ein wenig kitschig, also mein absolutes Lieblingsbild im Moment, auch wenn es bereits einige Monate alt ist. Das Foto zeigt Max und mich, wie wir im Wald auf einer Decke sitzen. Um uns herum fallen einige goldene Herbstblätter von den Bäumen. Max hält meine Hand und wir geben einander einen zärtlichen Kuss. Man könnte dieses Foto problemlos als Cover eines Liebesromans verwenden, doch anstatt einem Buch, ziert es nun meine Wand. Auch die weiteren Fotos finden ihren Weg in die Bilderrahmen und im Anschluss an die ausgesuchten Plätze meiner noch kahlen Wand.
Mit wenigen Handgriffen spiegelt das Zimmer auch bald meine nerdige Seite wieder. Die Poster meiner liebsten Helden aus Cave Saga X und natürlich mein Special Edition Solarion Chronicles Poster finden einen perfekten Platz. Dass ich so lange damit gewartet habe, es mir richtig gemütlich zu machen, kommt mir nun fast unwirklich vor, als ich mich umsehe.
Überlegend gehe ich auf und ab, bleibe aber dann vor meiner Couch stehen. Muffin dreht sich auf den Rücken. Das ist eindeutig eine Einladung, sie zu streicheln. Neben ihr mache ich es mir bequem und versenke meine Hand in ihrem flauschigen Fell. Wie könnte ich ihr jemals widerstehen? Sie ist zu süß, um wahr zu sein.
„Das magst du, oder? Ja, du liebst das. Und weißt du was ich liebe? Ich liebe dich, mein kleines Baby“, spreche ich verspielt mit meinem Haustier.
Muffin miaut. Sie streckt sich, ehe sie aufsteht und ihr Köpfchen an meinem Brustkorb reibt. Ich lege meine Hand an ihren Kopf, sie schmiegt sich schnurrend dagegen. Liebevoll kraule ich sie hinter den Ohren.
Ich plappere weiter: „Du bist so süß, ich kann dir das gar nicht oft genug sagen. … Hm, apropos süß. Weißt du was, Muffin? Du bringst mich auf eine Idee… Ich sollte backen. Was hältst du davon? Schokolademuffins klingen doch nach einer guten Idee, oder?“
Schnurrend macht meine Katze es sich auf meinem Schoß bequem. Bevor ich backen darf, muss ich meiner Katze wohl noch etwas Liebe schenken. Ich bin sicher, dass Max sich auch darüber freut, wenn ich ihm ein Lunchpaket zusammenstelle. Ein Gedanke führt zum nächsten und schon habe ich eine Idee. Eine sehr gute Idee sogar!
Vorfreudig streichle ich meine Katze. Ich glaube, dass heute der perfekte Tag für ein Picknick wäre.