In einer Sage heißt es, der große Baum Yggdrasil halte neun Welten zwischen seinen starken Ästen und Wurzeln. Er verbindet die Völker miteinander und bietet ihnen Schutz, zumindest solange, bis er am letzten Tag fallen wird und alle Welten mit sich in den Untergang reißt. Kein Wesen hat die Weltenesche je zu Gesicht bekommen; dass dieses Märchen in jeder der neun Welten erzählt wird, ist jedoch gewiss.
Auch die Tore zwischen den Welten entsprechen der Wahrheit, meist sind sie sehr groß und aus Stein gebaut; das sind die offiziellen Portale, welche scharf bewacht werden müssen damit nicht plötzlich ein feindliches Heer einmarschiert und mir nichts dir nichts einen Krieg anfängt. Es gibt aber auch kleinere Tore, beinahe Türen, aus Holz gemacht; nur Wenigen bekannt und manchmal sind sie so niedrig, das selbst Zwerge den Kopf einziehen müssen um hindurch zu gehen. Ein Riese würde wahrscheinlich nicht einmal das Bein durch eine solche Tür strecken können und weder Licht- noch Dunkelalben ließen sich dazu herab, ihr Haupt vor einer anderen Welt als der ihren zu beugen. Die Götter, sowohl Asen als auch Vanen, hatten es sicher nicht nötig eine solche Tür zu benutzen, wo sie doch in allen Landen großes Ansehen genossen und ein jedes Portal gebrauchen konnten, das ihnen beliebte.
Nun könnte man meinen, diese Türen seien Zwergentüren, da sie von keinem anderen Geschöpf gebraucht werden. Doch es gibt noch ein weiteres Volk, das die kleinen, schmutzigen Zugänge benutzt. Sie sind größer als die Zwerge, fast so groß wie die edlen Lichtalben. Aber dieses Volk scheut sich nicht auf den Knien durch den Türrahmen zu kriechen. Sie haben keine Angst vor schmutziger Kleidung, denn ihre ist es schon. Sie fürchten auch keine Schürfwunden oder blaue Flecken; ihre Narben berichten von schlimmeren Wunden. Sie vermeiden es nicht, sich dem Gegenüber zu beugen - denn nur auf diese Art ist es ihnen erlaubt, zu leben.
Die Wesen jenen Volkes sind nach den Schatten benannt worden, welche wie ein Schwarm böser Geister über ihrer Welt schweben. Auf ihre trockene Erde hat noch kein Hirsch oder Eber seinen Huf gesetzt, und wenn doch, dann wäre er in der kargen Landschaft elendig verhungert. Selbst die begabtesten Bauern unter den Schatten können dem Boden nur soviel Grün entlocken, dass ihre Familie fürs Erste versorgt ist. Von Verkauf oder gar Vorräten für schlechte Zeiten wagt man in vielen Gegenden nicht einmal zu träumen.
Wie sollte es da verwunden, dass "Totenreich" nur eine der vielen Bezeichnungen dieser Gefilde ist? Glaubt man der Legende, so wurde die Riesin Hel , deren Körper in eine weiße und eine dunkle Hälfte geteilt war, in dieses Ödland verbannt um als Göttin über die vergangenen Seelen zu herrschen. Zwar sah ein mancher Schatten so ausgezehrt aus dass man ihn fast für tot halten konnte, doch außer den Kinder glaubte niemand mehr an umherwandernde Leblose. Die dunklen Male auf der Haut der Schatten waren allerdings nicht zu leugnen, und durch diesen Umstand waren alle anderen Geschöpfe überzeugt, dass die Schatten von Hel selbst verflucht wurden.
Aus diesem Grund vergoß kein Zwerg eine Träne, wenn er vom Hunger der Schattenkinder hörte. Kein Riese erbarmte sich, die große Hand über einen kranken Schatten zu halten, um ihn vor Regen zu schützen. Kein Licht- oder Dunkelalb verzog die Miene, wenn er dem leeren Blick eines bettelnden Schattens begegnete. Und kein Gott, ob Ase oder Vane, zeigte auch nur den geringsten Anflug von Mitgefühl wenn er das Urteil sprach weil ein Schatten es gewagt hatte, der Verzweiflung seiner Welt entkommen zu wollen.