»Im besten Fall sieht der Schriftsteller etwas, das jeder erkennt, das aber noch nie jemand auf diese Weise wahrgenommen hat.«
»Sie müssen sich damit abfinden, dass der Autor von Berufs wegen eine Plaudertasche ist. Er beginnt zu lernen, indem er etwas über sich ausplaudert.«
- Sol Stein
Mein Name ist Fra Glich und ich spreche heute mit der Hobbyautorin @Annie Zett. Herzlich Willkommen, schön, dass du da bist! ;)
Stell dich doch bitte mal vor.
Also, ich bin Annie – und alle, naja, fast alle nennen mich Annie, auch außerhalb der Grenzen Belletristicas. Ich besuche die Oberstufe eines Gymnasiums in Niedersachsen und hab vermutlich mehr Spaß am Schreiben, als gesund für mich ist. Mit der Nase in und zwischen Büchern aufgewachsen ist Shopping für mich immer so eine Sache, die sich weniger auf neue Schuhe und mehr auf schicke Geschichten bezieht und meinen Eltern läuft es schon kalt den Rücken herunter, wenn ich nur andeute in eine Buchhandlung gehen zu wollen ..
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
In der Grundschule habe ich in Projekten eigentlich nie gerne geschrieben (ich weiß, sehr Schriftstellertypisch XD). Ich fand es anstrengend. Aber als ich mit den Jahren, anfing eine leidenschaftliche Geschichtenerzählerin zu werden, wollte ich diese Geschichten nicht wieder vergessen. Und dann begann ich zu Schreiben. Und tatsächlich weiß ich nicht, was mich an jenem Nachmittag geritten hat. Ich war zehneinhalb und ich glaube, es hat geregnet. Ich saß an meinem Schreibtisch und sollte Hausaufgaben machen. Ich erinnere mich noch an meinen ersten, schüchternen Satz: "Endlich Sommerferien", freute ich mich. "Kein Schulstress mehr!"
Das war gerade mein größter Wunsch: wieder Sommerferien zu haben. Es war Herbst. Und ich schrieb sicherlich dreißig Seiten in den nächsten Wochen, ich trieb zwischen den Wörtern und Zeilen, eine kleine Nussschale, die einen gewaltigen Ozean an Möglichkeiten gefunden hatte, bevor ich überhaupt realisierte, was ich da tat. Irgendwann wusste ich es dann: Ich wollte ein Buch schreiben. Das sagte ich auch voller Begeisterung meiner damaligen Klassenlehrerin. Sie hat mich belächelt.
Wo liegen deine Schwächen und Stärken beim Schreiben?
Fangen wir mit den Schwächen an: Ich neige dazu, jeder, wirklich jeder Szene eine Art von Humor geben zu wollen. Will ich wirklich ernst und todtraurig schreiben, muss ich mich oft zusammenreißen. Obwohl das sehr viel besser geworden ist. Eine weitere Schwäche: Kommasetzung. Auch das ist in Arbeit. Und ich bin ungeduldig. Feile ständig an meiner Schreibtechnik, bin nie ganz zufrieden, hätte gerne viel mehr Zeit zum Schreiben, lese noch mehr, versuche zu verstehen, was hinter den Zeilen passiert. Ansonsten kann ich mich nicht gut einschätzen, weil ich noch nie intensiv mit einem/r Lektor/in oder jemand in ähnlicher Position und mit ähnlichem Wissensstand zusammengearbeitet habe.
Ich weiß aber, dass ich mich ständig verändere, was die Schwächen, Stärken, Stil und ähnliches angeht. Meine Stärken: Ich charakterisiere gerne. Und ich gebe nie auf.
Mein Motto: Learning by doing.
Gibt es Werke, an denen du derzeit arbeitest?
Jep. Mehrere. Einmal "die kalte Jagd", hier auf Belle. Ein Fantasywerk, das ich ganz spontan anfing zu schreiben und für das ich inzwischen eine Schreibroutine habe. Und ein bisher fast 320 Seiten schwerer Rohentwurf einer weiteren Fantasystory, die es irgendwann in die Regale von Buchhandlungen schaffen soll. Ansonsten habe ich eine ganze Hand voll Skizzierungen und Entwürfe, jeweils zwischen fünf und zwanzig Normseiten groß...
Worauf legst du besonderen Wert beim Planen eines Buchprojekts?
Ich plane die ersten Seiten erst mal gar nichts und sehe, wohin mich das Ganze treibt. Aber wenn ich dann plane: Alles, auf das man beim Planen von erzählender Literatur achten sollte, findet vermutlich auch Beachtung – sonst wär es ein bisschen blöd... Von der bestmöglichsten Ausarbeitung der Charaktere über Botschaft des Gesamtwerkes bis hin zur Richtung, in die sich der Mixer einer unbedeutenden Nebenfigur dreht, sollte dies eine Bedeutung spielen. Aber ich plane nicht nach Strichliste, sondern in Zusammenhängen. Oft in kleineren Mindmaps oder Grafiken, die mit dem Kugelschreiber schnell aufgekritzelt sind.
Du sagtest, du gehst auf ein Gymnasium. Wie teilst du dir deine Zeit ein, um Schulpflichten und Schreibzeiten gleichermaßen einzuhalten?
Einmal im Voraus: Ich liebe die Ferien dafür, dass es da keine Aufgaben gibt, wie an Wochenenden. So komme ich tatsächlich zum Schreiben und muss mir keine Gedanken um irgendeine Präsentation am nächsten Montag machen...
Aber sonst: Früh aufstehen und ein paar Sätze schreiben (jedes Wort zählt), Immer ein Notizbuch (das ist gelogen. Mindestens zwei) mit in die Schule nehmen und wirklich jede Möglichkeit zum Schreiben nutzen: sowohl Pausen als auch den Unterricht (es kommt oft genug vor, dass der Arbeitsauftrag erfüllt wurde und man dann noch minutenlang rumsitzt und auf die anderen wartet. Da kann man auch schreiben). Nach der Schule möglichst effektiv alle unbearbeiteten Aufgaben aus allen anderen Lebensbereichen ausmerzen, dann eine kleine Pause und sich danach bis in den späten Abend an den Schreibtisch setzen... in etwa so.
Welche Schreibroutine hast du bei deinem Fantasyprojekt und wie hast du sie etabliert?
Schritt eins: Tagesziel festlegen (ein Kapitel, Umfang von so und so vielen Wörtern).
Schritt zwei: Zeitfenster einplanen, bei dem mich NIEMAND stören darf und wenn er's doch tut, dann wird er einfach IGNORIERT.
Schritt drei: jeden Tag innerhalb des Zeitfensters schreiben.
Fertig. Eigentlich einfach. Aber vor allem am Anfang braucht es schon ein bisschen Schokolade, um mich zu motivieren, das durchzuziehen. Schreibblockaden gab es bisher netterweise aber noch nicht.
Welche Dinge beachtest du, speziell im Genre Fantasy?
Äh? Gute Frage. Was beachte ich denn? Eigentlich habe ich das geschrieben, was ich am liebsten schreiben wollte und hab dann festgestellt: Ups. Das is ja Fantasy. Na gut. Dann ist das jetzt wohl so...
Gibt es bestimmte Dinge, die an deinem Arbeitsplatz nicht fehlen dürfen?
Ruhe. Ordnung nicht unbedingt. Aber Zettel, Stift und Laptop können schon ganz praktisch sein.
Ja, wär nicht schlecht ;)
Hast du Tipps für das Schreiben an mehreren Projekten gleichzeitig?
Also, bevor ich Tipps für das Schreiben an mehreren Projekten gebe, gebe ich lieber den Tipp, immer an mehreren Projekten zu arbeiten, denn das hat oft den Vorteil, dass man zwischen den Geschichten und Genres switchen kann, wenn einem zur einen Story gerade nichts mehr einfällt...
Wenn man das dann tut, dann ist es wichtig, dass man jede Geschichte für sich so gut schreibt, wie man kann. Nur, weil man das Doppelte schreibt, darf man AUF KEINEN FALL pro Werk nur die halbe Mühe aufwenden. Das ist Geschichtenmord!
Und generell zum Schreiben: Wir müssen lernen, dass Geschichten nicht erzählt werden dürfen, sondern gezeigt werden müssen. Das sollte sich jeder Autor hinter die Ohren schreiben. Am besten mit einem Tattoostift.
Würdest du uns eine besondere Anekdote aus deinem Schreiballtag erzählen?
Da gibt es ein paar – lass mich nachdenken.
Einmal hatte ich eine fiese Schreibblockade, die sich mehrere Wochen zog, in denen ich kein einziges Wort schrieb. Fühlte mich deswegen echt blöd. Irgendwann setzte ich mich hin und begann, ein Selbstgespräch zu führen, in dem ich über die Lösung des Problems, das aus meiner Feder geflossen war, diskutierte. Und weil Reden ja immer so viel bringt, hatte ich irgendwann schon eine halbe 200 Gramm Tafel Schokolade verschlungen, mehrere zerknüllte Blätter durch den Raum geschleudert und begonnen, meine Protagonistin zu verfluchen, weil sie einfach nicht geeignet für die Lösung der Aufgabe war, die ich ihr zugeteilt hatte.
Irgendwann war ich wutrauchend bereit, sie einfach versagen zu lassen. Ließ ich sie dann auch. Seit dem habe ich keine Blockade mehr gehabt. Von dem Moment, an dem ich akzeptierte, dass meine Heldin einfach noch eine echte Heldin werden musste.
Echt verwirrend, oder? Dass man durchs Verlieren so viel gewinnen kann...
Und eine andere, die mir ab und zu passiert: Ich bin überrascht von einer Wendung, starre erst Sekundenlang auf den letzten (Ab)Satz und fange dann an befremdlich zu kichern, weshalb mich regelmäßig Leute schief angucken...
Auf welche Erfahrung hättest du gerne verzichtet und gibt es eine Erkenntnis, die du im Nachhinein daraus ziehen kannst?
Ich bin eigentlich zufrieden mit allem, was ich mit dem Schreiben bisher erlebt und geschafft habe, weil ich es zu meiner Erfahrung zählen darf. Das ist nie schlecht.
Gute Einstellung!
Welche Pläne hast du für die Zukunft?
Traum: Erstling wird Bestseller, ich schreibe noch 1001 Bücher und werde reich und einflussreich, sodass ich viel mehr Leute erreichen kann.
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Realität: Ich schaffe einen Erstling. Und die Community akzeptiert meine verrückte Persönlichkeit.
Dabei wünsche ich dir noch ganz viel Erfolg! 🤍
Möchtest du sonst noch etwas sagen?
Vielen Dank für das Interview – hat Spaß gemacht.
Und an alle Schreiberlinge da draußen:
Mögen eure Federkiele scharf bleiben und euch die Ideen nie ausgehen.
Und um Gottes Willen, hört nicht auf zu schreiben! Die Welt braucht gute Geschichten, denn sie können Unverständige dazu bewegen, zu verstehen
Mir hat es auch Spaß gemacht, Annie - vielen Dank! :D