Rating: P12 [CN: Insekten im Essen!]
Nach dem Prompt „Nördliches Spitzhörnchen [Tierisch scharfe Saucengeschichten]“ der Gruppe „Crikey!“
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Die alte Tierfrau strich summend durch das Wasser. Bis zum Knie stand sie im träge dahinströmenden Fluss, der geschuppte Krokodilsschwanz strich hinter ihr durch die Wellen. Das Schuppenkleid war graugrün, genau wie die Haut der Frau, und sie hatte nicht ein Haar am Körper. Stattdessen ging die dunkle Haut hier und da - soweit es sich an den nicht von ihrem Kleid bedeckten Körperteilen erahnen ließ - in schuppige Stellen über. Die Hornhaut bedeckte vor allem den Rücken, die Außenseite von Armen und Beinen, und den Nacken. Die Handinnenflächen, in denen sie ihre Beute sammelte, war weich, gerade angesichts der schwarzen, zu Klauen verkrümmten Nägel, während der Nacken den Krallen des kleinen Tieres auf ihrer Schulter bequemen Halt bot.
Das Spitzhörnchen turnte über die Schultern seiner halbmenschlichen Beschützerin, stupste ab und zu gurrend in ihre Wange oder hielt inne, um von diesem erhöhten Aussichtspunkt aus zu wittern. Ein flach wirkender, buschiger Schwanz kitzelte die Hinterkopfschuppen, die vielleicht widerstandsfähig, aber auch längst nicht taub waren.
"Du kannst nicht alle haben", stellte die Krokodilsfrau belustigt fest. Dennoch reichte sie dem Spitzhörnchen eine der großen Wanzen und kraulte den kleinen, spitzen Kopf, während das Tierchen den Wasserkäfer mit beiden Pfötchen hielt und daran knabberte.
Triumphierendes Gurren verriet der Tierfrau, dass ihr kleiner Begleiter durchaus alle Wanzen essen könnte, und auch sein Bestes geben würde.
"Ich brauche sie noch, das weißt du", erwiderte sie lachend und gab den Pfoten, die einen Weg ihren Arm hinab zu den gesammelten Käfern suchten, einen kleinen Klapps.
Bald wurde die Beute zu viel für eine Hand und die Tierfrau füllte die Käfer in ihren Beutel. Sorgsam hatte sie bereits beim Sammeln jedem den Kopf abgeknipst, eine schnelle, gnädige Bewegung der Krallen, Der Beutel an ihrer Hüfte füllte sich rasch. Es genügte ein Käscher oder auch nur ein Stoffbeutel, um die Käfer kiloweise aus dem Wasser zu ziehen, doch die Krokodilsfrau bevorzugte es, die großen Tiere einzeln aus dem Schatten der Gewächse zu ziehen. Das dauerte länger, aber so stellte sie die beste Qualität sicher.
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Einige Stunden später erst kehrte sie zum Dorf zurück, wo die Fremden noch immer saßen. Einige Elfen aus Akijama, hatten sie gesagt. Das läge in den hohen Bergen im Süden. Die Tierfrau war noch nie so weit in den Süden gegangen, dass sie etwas anderes als Dschungel und Kalkfelsen und Fluss gesehen hatte. Auch von Forschern hatte sie noch nie gehört. Doch die Gruppe aus drei Elfen war nett, was man von den dhubyanischen Elfen nicht gerade behaupten konnte. Sie hatten Klebereis mitgebracht, neben ihren Notizbüchern und Fragen nach dem Leben der Dʰapamanui-Stämme in diesem Gebiet. Also war es doch nur gerecht, den Elfen ein paar Spezialitäten vorzusetzen. Die Sprache des Essens war, ganz im Gegensatz zu den unbeholfene Kommunikationsversuchen der Elfen, immerhin sehr eindeutig.
Den ganzen Tag über kochte die Frau, so wie viele ihres Dorfes, und am Abend wurden den Gästen verschiedene Gerichte vorgesetzt, mit einer Art übertriebenen Freundlichkeit, hinter der sich die Erleichterung verbarg, dass der Strom komplizierter Fragen gestoppt werden würde.
Doch zu früh gefreut! Die Forscher begannen, die Namen der Gerichte niederzuschreiben. Sie wollten überall probieren, was den verschiedenen Tiermenschen ein wunderbares Schauspiel bot, wenn die Gesichter der blassen Elfen sich rötlich färbten und sie hechelnd um Wasser baten. Chili gab es offenbar in diesem fernen Akijama nicht! Interessiert, verwundert, vielleicht ein wenig mitleidig sahen die Tiermenschen dem Kampf der Forscher zu. Tapfer probierten sie jede der Soße, obwohl zweien bereits Tränen in den Augen standen. Sie aßen das Hackfleisch, den Kohl, den Reis, die Eiernudeln. Und immer wieder die Chili-Pasten, die dazu gehörten. Vielleicht konnte man doch etwas mehr von diesen Leuten halten, die ernsthaft bestrebt schienen, die Kultur hier kennenzulernen - und nicht, sie zu verändern.
Die alte Krokodilsfrau trug ihr Gericht als letzte auf. Ihre Kochfähigkeiten waren in allen umliegenden Dörfern bekannt. Die drei Forscher sahen eher besorgt auf den Reis in roter Soße. Sie probierten nur kleine Häppchen, zögerten ... dann weiteten sich ihre Augen.
"Lecker! Süß!" Nur ein paar Worte in der Sprache der Stämme hatten die Forscher heute gelernt; oder als Vorwissen mitgebracht, obwohl keiner der Tiermenschen wusste, wie ihre Sprache sich bis in den fernen Süden erstreckt haben sollte, dass diese Leute sie lernen konnten. Die Begeisterung der Forscher war trotzdem spürbar und die alte Krokodilsfrau mit dem Spitzhörnchen auf der Schulter lächelte nun doch. Die drei Gäste baten um Nachschlag, luden sie ans Feuer und wollten so viel wie möglich über das Gericht wissen.
"Was ist da drin?" Eine ihrer Lieblingsfragen, wie es schien.
Sie antwortete. Die Elfen kannten das Wort nicht. Limette und Fisch kannten sie, aber dieses letzte Wort nicht mehr. Sie deuteten zu dem Stock, mit dem schon andere Tiermenschen die Erklärung in den rötlichen Waldboden gezeichnet hatten.
Die Köchin jedoch lächelte und zog eine übriggebliebene Wanze aus ihrem Beutel. Wie merkwürdig - plötzlich schien es den Elfen nicht mehr zu schmecken.