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Nach dem Prompt „Gila-Krustenechse/Erinnerung“ der Gruppe „Crikey!“
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Die alte Katzenfrau musterte ihre Gäste kritisch. Diese warteten angespannt auf eine Reaktion auf die Geschichte, die sie soeben erzählt hatten. Doch die Druidin schwieg lange. Nur die Echse auf ihrer Schulter züngelte hin und wieder in die Stille.
"Das ist tatsächlich eine vertrackte Situation. Jetzt weiß ich, warum ihr stolzen Perros zu einer Hexe wie mir gekommen seid."
"Bitte, Herrin Efina", bat einer der Perros demütig. "Ja, unsere Völker haben ihre Differenzen. Doch in dieser Situation könnt nur Ihr helfen. Ihr könnt es doch, oder? Ein Gedächtnis zurückrufen."
"Ich kann es", erwiderte Efina. "Doch das hat seinen Preis."
"Es heißt, Ihr arbeitet umsonst."
"Dieser Preis gilt nur für mein eigenes Volk. Aber ihr Unterdrücker, ihr müsst mir etwas geben, damit ich euch helfe."
"Verdammt noch eins!", brauste ein anderer der Perros auf. Er sprang in die Höhe, nachdem er bis eben an der Seite des Bewusstlosen gesessen hatte. "Es ist auch euer König, der ermordet wurde! Wenn Ihr nicht helft, das Gedächtnis des Zeugens zurückzurufen, helft Ihr den Verrätern!"
Von der kaum verhohlenen Drohung oder der Hand, die sich um den Dolchgriff schloss, ließ sich Efina nicht beeindrucken. Gleichmütig kraulte sie die große, gelb-braun gefleckte Echse, die auf ihrer Schulter saß. "Ich werde euch helfen. Und ihr werdet mich bezahlen, denn wenn ihr euch weigert, meine Herren, seid ihr es, die den Verrätern helfen. Und mein Preis ist kein Geringer! Ich will das Land der Marschen und die Ostinseln zurück. Sie gehörten meinem Volk, lange bevor ihr kamt, und es soll wieder ihnen gehören."
"Die Marschen und die ..." Die Perros wurden bei dieser dreisten Forderung blass. Einer der Offiziere erkannte jedoch, dass sich Efina noch zurückgehalten hatte, statt alles Land ihres Volkes zu verlangen.
"Es ist ein guter Kompromiss", sagte er deshalb. "Wir werden zahlen."
Efina grinste breit. "Dieser Mann da versteht, dass mein Preis bei jeder eurer Weigerungen gestiegen wäre. Also, Perros! Setzt die Dokumente auf. Ich will sie rechtsgültig und mit Siegel. Überlasst mir so lange den Zeugen, denn in dieser Sache dürften wir keine Zeit verlieren."
Damit kniete sie sich neben den bewusstlos daliegenden Perro und hob ihre Echse von der Schulter, um das große Tier an die Seite des Liegenden zu setzen. Mit einem Kitzeln brachte sie die Krustenechse dazu, zuzubeißen. Der junge Soldat zuckte zusammen und wimmerte wie im Traum. Efina beugte sich über ihn und begann, Beschwörungen zu murmeln, während die Perros ihr erstaunt zusahen. Für diese Männer der Wissenschaft war es verrückt, echte Zauberei zu sehen.
Die Prozedur dauerte eine Stunde. Genug Zeit, dass die Perros alle Dokumente aufsetzen konnten, die die Rückgabe der geforderten Gebiete umfassten. Efina nahm sie mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie misstraute den Perros und überprüfte zunächst, dass alles seine Richtigkeit hatte, doch die Papiere stimmten. Dann ließ sie die Männer in das Zimmer zu ihrem wiedererwachten Kameraden, der stammelnd von dem Anschlag auf den König der Perros berichtete und die Gesichter der Angreifer nun bis ins kleinste Details beschreiben konnte. Efina hatte das Trauma lösen müssen, dass die Erinnerungen des jungen Thronwächters verdrängt hatte.
Nun sank sie erschöpft in ihren Sessel und betrachtete die Papiere. Sie sollte jubilieren, dass sie das Gebiet für ihr Volk zurückgefordert hatte. Nach Jahren der Unterdrückung war das ein erster Sieg.
Doch sie fühlte sich nicht glücklich darüber. Die Bezahlung hinterließ einen fahlen Beigeschmack. Es war gegen die Prinzipien der Druidin - aller Druiden - sich für ihre Dienste bezahlen zu lassen. Und doch hatte sie es getan. Es war eine einmalige Chance gewesen. Und sie hatte es nicht für sich getan, sondern um ihresgleichen überall ein wenig zu helfen. Es wäre eine ebenso große Sünde gewesen, auf diese Zahlung zu verzichten.
Sie seufzte und kraulte die Echse, die wieder auf ihrer Schulter saß. Es war wie bei ihrer treuen Gefährtin. Ihr Biss war giftig, doch es war ein Gift, das in geringen Dosen auch Erinnerungen aus dem Tod des Vergessens zurückrufen konnten. Solange man bei kleinen Dosen blieb, war es unfassbar wertvoll, doch sollte man niemals zu unvorsichtig werden.
Wenig später nahmen die Soldaten Abschied, um die Verräter zu jagen und Rache für den Tod ihres Königs zu nehmen.
"Vergesst nicht, wer euch half", rief Efina ihnen nach.
Zu ihrem Erstaunen wandte sich der Hauptmann noch einmal um und zog dankend seinen Hut vor ihr. "Wir werden es niemals vergessen, große Efina. Ich hoffe, Ihr könnt den Perros deshalb auch eines Tages für ihre Taten vergeben."