Rating: P12 [CN: Erwähnung von Verlust & Tod]
Nach dem Prompt „Rhinozerosvogel“ der Gruppe „Crikey!“
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"Wir sind gleich da."
Langsam sah der Junge auf. Dunkle Schatten ruhten unter seinen Augen, die auch die Sonne der Inseln nicht erhellen konnte. Langsam weiteten sich seine Augen, als er die Insel vor sich erblickte. "So viel Grün!"
"Ja, Kleiner." Jedao legte seine Hand auf die mageren Schultern des Jungen. "Ich habe dir das Paradies versprochen. Du wirst nie wieder hungern müssen."
Der Junge, dessen Name Jedao noch immer nicht kannte, schwieg. Langsam glitt das Floß näher an die große Insel heran, auf der sich die Palmen erhoben. Es gab weißen Strand und grünliche Lagunen, Mangroven und Fruchtbäume. Dem Jungen musste es scheinen, als wäre er gestorben und in die Welt des Urozeans eingegangen. Er hatte auf einer Insel gewohnt, die nur einen Bruchteil der Größe von Jedaos Heimat hatte. Vermutlich hatte das Kind noch nie so viel Land auf einmal gesehen.
Als der Kiel von Schiff und Seitboot auf dem Sand knirschte, stand Jedao auf, um das Schiff ans Land zu ziehen. Der Junge blieb jedoch sitzen.
"Komm schon, Kleiner", murmelte Jedao. "Die Insel beißt nicht."
Zögerlich stieg das Kind aus dem Boot. Es tapste an Jedaos Seite. Der Junge sah sich um, bewegte sich jedoch nicht. Wie angewurzelt stand er da und sah Jedao an.
Er verstaute das Boot und klappte das Segel ein, dann ergriff er die Hand des Jungen und führte ihn in den Schatten des Gebüsches. Der Junge sah sich schweigend um, bis sie vor Jedaos Hütte standen.
"Geh ruhig rein." Jedao musste ihn förmlich schieben.
Der Junge ging hinein und setzte sich schweigend in eine Ecke. Seufzend sah Jedao ihn an und wartete, ob das Kind was sagen wollte, doch der Junge schwieg.
Jedao machte etwas zu essen, doch auch dieses rührte der Junge nicht an. Traurig sah er auf seine Hände. Er reagierte kaum.
Jedenfalls, bis ein merkwürdiges Krächzen am Fenster erklang. Mit einem Hopser kam ein großer, schwarzer Vogel mit gebogenem Schnabel herein.
Der Junge sah mit großen Augen auf.
"Ah! Das ist Didi. Sag hallo, Didi. Wir haben jetzt einen Gast hier."
Der Nashornvogel krächzte und hüpfte zu dem Jungen - dabei gehorchte das Tier eigentlich nie auf Befehle.
"Keine Angst, er tut nichts", versprach Jedao ihm.
Doch der Junge kicherte, zum ersten Mal, seit Jedao ihn kannte. Er streckte einen mageren Arm aus und ließ den Vogel hinaufklettern, wo Didi spielerisch im Haar des Jungen wühlte.
Ein verzaubertes Lächeln trat auf die Lippen des Kindes und der Junge kraulte den großen Vogel.
"Unter dem Kinn, das mag er am liebsten." Jedao lächelte versonnen, als er sah, dass sein bester Freund sich mit dem neuen Jungen angefreundet hatte.
"Hättest du meine Eltern auch hierhergebracht?", fragte der Junge dann leise.
"Ja." Jedao seufzte traurig. "Wenn ich eure Insel noch rechtzeitig erreicht hätte, um sie zu retten, hätte ich euch alle hergebracht."
Der Junge lächelte und Tränen schimmerten in seinen Augen. "Danke."
Und dann griff er nach den Früchten und aß ein Stück, das er mit Didi teilte.