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Nach dem Prompt „Fischkatze“ der Gruppe „Crikey!“
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Es war richtig gewesen. Das sagte sich Javan immer wieder. Es hatte keine andere Wahl gegeben. Das würden sie eines Tages erkennen. Magie war der einzige Weg, das Fortschreiten des Sumpfes aufzuhalten. Die Wissenschaft hatte versagt, brachte nur neues Unglück. Es war die richtige Entscheidung gewesen.
Doch in seiner momentanen Situation half ihm das wenig. Weder hielt die Wahrheit den Regen ab, noch brachte ihm sein Mut Nahrung. Die Erkenntnis, für die er verbannt worden war, leuchtete ihm nicht als helles Gestirn über den Wellen.
Als er ein Rascheln im Gebüsch hinter sich hörte, sah Javan sich wachsam um. Er wusste nicht genau, auf welche Insel ihn der Sturm gespült hatte. Er hatte jede Orientierung verloren. Wenn er sich nur an den Sternen orientieren könnte, dann konnte er nach anderen Inseln suchen, wo die Menschen Magie gegenüber vielleicht aufgeschlossener waren.
Frierend zog er sich zurück unter die großen Blätter der Palmen. Er wusste, dass die Jäger mit ihm auf der Insel waren. Immerhin schien das Rascheln nicht von ihnen zu stammen, nur von einem Tier im Gebüsch.
Draußen tobten die Wellen noch immer, der Regen fiel dicht und grau aus dem Himmel. Die Sterne waren nur als Fetzen zu erkennen, wenn die Wolken aufrissen - aber Donner und Blitze hatten nachgelassen. Jetzt war das offene Meer Javans beste Hoffnung. Der Sturm war gefährlich und er hatte keine Möglichkeit, zu navigieren. Doch wenn er blieb, würde man ihn früher oder später aufspüren. Er musste fliehen. Jetzt!
Doch das tat er nicht.
Er schloss die Augen und lehnte die Stirn an den feuchten Boden, der hier bereits in den Sumpf der Mangroven überging. "Bitte, lass mich den Weg finden ...", hauchte er dem Grund entgegen. "Mutter der Tiefe, lass mich nicht im Stich." Tränen rannen über seine Wangen, heiße Tropfen zwischen dem kalten Regen.
Es raschelte erneut. Javan riss den Kopf hoch und tastete verzweifelt nach dem Steinmesser.
Ihm gegenüber saß eine Raubkatze. Sie war groß, würde ihm im Stehen locker zu den Knien reichen. Mit gelb glühenden Augen leckte sie sich die Lippen, dann wandte sie sich zur Seite, als wäre Javan gar nicht da, und sah auf das Meer heraus.
Ein Mondstrahl fand seinen Weg durch Wolken, Regen und sturmgepeitschtes Blätterdach auf ihr Fell. Javan schnappte nach Luft.
Eine Sternenkatze! Er erkannte es sofort. Die dunklen Flecken ihres silbrigen Fells waren genauso angeordnet wie die Sterne am Nachthimmel.
Mit einem Satz überwand die kräftige Katze sein Boot, das noch auf dem Strand lag, wo er angespült worden war. Javan rappelte sich auf und eilte dem grauen Tier nach, das sich furchtlos in die tosenden Fluten wagte.
Er musste das Kanu umdrehen, ehe er hineinsteigen konnte. Der Innenraum war feucht, das Holz durchtränkt. Javan hatte kein Paddel mehr, das hatte er verloren, als er ohnmächtig gewesen war.
Die Katze war im Wasser kaum zu sehen, nur ab und zu blitzte sie hell und geisterhaft vor ihm auf. Javan tauchte die Hände in die Wellen und stieß sich ab, folgte dem schwimmenden Tier durch die brausenden Wogen.
Die Mutter der Tiefe hatte das Tier gesandt, ohne Frage. Sie, die die Magie verlieh, hatte ihn erhört. Die Sternenkatze würde ihn leiten, bis er in Sicherheit wäre.
Javan sah ein letztes Mal zurück. Er erkannte die Fackeln seiner Verfolger, helle Lichtpunkte auf der dunklen Insel, die sich im Regen kaum behaupten könnten.
Wehmut erfüllte ihn. Eines Tages würden seine Leute erkennen, dass er die Wahrheit gesagt und sie alle gerettet hatte. Doch es war fraglich, ob er diesen Tag erleben würde. Zwar würde die Sternenkatze ihn auf Pfaden, die nur sie kannte, sicher zum nächsten Festland bringen, doch Groll und Furcht der Menschen würden lange Zeit brauchen, um abzuklingen.
Vermutlich würde er seine Heimatinsel nie wiedersehen.