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Nach dem Prompt „Gartenrotschwanz“ der Gruppe „Crikey!“
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Grimmig beobachtete Freyda den kleinen, gelbgrauen Vogel, der ihre Beeren von den Sträuchern naschte.
Fröhlich zwitschernd sprang der Vogel hin und her, pickte systematisch eine Beere nach der anderen ab und flog jedes Mal in den nahen Haselbaum, um seine Beute zu verspeisen.
Die Elfe verzog das Gesicht. "Das ist meine Marmelade für den Winter, die du da isst."
Der Vogel zuckte beim Klang ihrer Stimme zusammen - er hatte das große, regungslose Wesen vor dem Haus bisher nicht bemerkt -, ordnete sie dann allerdings als keine Gefahr ein und flatterte zum nächsten Beutezug.
"Das ist wirklich nicht sehr nett." Freyda streckte die Hand aus und krümmte die Finger, als würde sie etwas umschließen. Der kleine Vogel auf dem Strauch erstarrte mit einem panischen Quietschen. Nur die Brustfedern hoben sich noch schnell im Rhythmus seiner Atemzüge.
Freyda stand auf und ergriff den erstarrten Vogel aus dem Baum. Mit einem gemurmelten Wort und einem Streichen über seinen Kopf beruhigte sie ihn, ließ ihn jedoch nicht los. Verwirrt drehte der Gartenrotschwanz den Kopf in alle Richtungen.
"Ist ja gut." Freyda strich erneut über ihn, versuchte, ihm ein Gefühl der Ruhe zu vermitteln. Sie dehnte ihren Geist weiter aus und - mit einem Mal sah sie sich in einer gewaltigen Schlinge, von einem großen Monster erfasst.
Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, was vorgefallen war. Und selbst da begriff sie es noch nicht so recht. Sie war bereits in die Gedanken anderer Elfen eingetaucht, auch in jene von Zwergen oder Menschen, obwohl diese sehr viel fremdartiger waren. Doch das hier war noch nie vorgekommen! Sie war im Kopf des Vogels.
Es wurde bereits davor gewarnt, Angehörige des eigenen Volkes so zu lesen. Von Menschen und Zwergen wurde dringend abgeraten. Was ihr ehemaliger Meister wohl sagen würde, wüsste er, dass sie den Kontakt in diesem Moment nicht abbrach? Es konnte unabsehbare Folgen haben, mit dem Geist eines fremden Wesens zu verschmelzen, für beide Parteien. Doch Freyda war viel zu neugierig. Behutsam durchstöberte sie das Bewusstsein des Vogels. Sie sah andere Vögel, die Freunde und Familie ihres Gastes. Ein gutes Bild der Umgebung aus der Luft, jedoch verzerrt. Orte mit Beeren waren hervorgehoben, ebenso Stellen, wo man Stöckchen sammeln konnte, und der Fokus war auf das Geäst der Bäume gerichtet, der Boden dagegen schwammig. Höchst interessant!
In den Erinnerungen des Vogels sah sie das Meer und schließlich eine weite, helle Fläche ohne jedes Merkmal, die heiß und trocken sein musste. Die Erinnerungen des Vogels verbanden Erschöpfung mit dieser Strecke, einen Kraftakt, jedoch auch ein warmes Land dahinter, während er offenbar das winterliche Lirhajn zurückließ.
Keuchend stolperte Freyda und ließ den Geist des Vogels los. Sie bebte, fühlte sich jedoch wie berauscht. Sie musste dringend mit anderen Magiern sprechen! Sie hatte nie gehört, dass so ein Kontakt möglich wäre. Das war eine Sensation.
Der kleine Vogel betrachtete sie aufmerksam und mit schiefgelegtem Köpfchen. Freyda öffnete behutsam die Hand und lächelte. "Nimm dir ruhig noch ein paar von den Beeren. Du brauchst sie für die Reise in den Norden. Der Winter ist nah."
Als würde er verstehen, flatterte der Vogel zu den Beeren, bevor er erst einmal auf den Baum flüchtete und sein Gefieder putzte, um den Schreck zu verdauen.
Freyda dagegen eilte ins Haus, um ihr Erlebnis zu notieren, so lange die Erinnerung noch frisch war.