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Nach dem Prompt „Rotkehlchen“ der Gruppe „Crikey!“
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"Hallo, Yodda."
Die Zwergin zögerte. "Woher wusstest du, dass ich es bin?"
Nylian, der im Schneidersitz wie schlafend gewirkt hatte, öffnete die Augen, blieb jedoch sitzen. "Leyra hat es mir gesagt."
Stirnrunzelnd sah Yodda sich um. Außer Nylian war niemand auf der abgeschiedenen Lichtung zu sehen.
Zur Erklärung hob Nylian einen Finger. Ein Vogel flatterte aus dem nahen Geäst und setzte sich, um dort seelenruhig sein Gefieder zu putzen.
"Wusstest du, dass Rotkehlchen verschiedene Rufe für unterschiedliche Gefahren haben? Sie rufen anders, wenn wie einen Bussard sehen, als wenn sie eine Eule sehen. Und für Vampire haben sie auch einen Ruf."
"Weil Vampire sich gelegentlich über Tiere hermachen." Yodda schüttelte leicht den Kopf. "Und da du weißt, dass Izcun sich am Tag nicht hinaustraut, wusstest du auch ..."
Nylian lächelte und nickte. Nach all den Jahren benahm er sich immer noch wie ihr Lehrer. Yodda verzog das Gesicht.
"Ist es das, was du hier treibst? Du sitzt da und freundest dich mit Vögeln an?"
"Nur mit Leyra", widersprach Nylian mit diesem leicht überheblichen Elfenlächeln.
Yodda atmete tief durch. "Ich bin hier wegen Aidalos. Es geht ihm immer schlechter."
Der Elf seufzte und erhob sich langsam. Der Vogel flatterte auf seine Schulter. "Er ist alt."
Angesichts seiner Emotionslosigkeit stutzte Yodda. "Aber ... er war so viele Jahre dein Pferd."
"Du sagst es: Viele Jahre. Kiirion und ich hatten ihn wirklich lange." Der Schmerz in Nylians Gesicht schien eher von der Trauer um seinen Zwillingsbruder als der um Aidalos zu stammen. Ruhig erklärte er: "Aidalos hatte ein langes, glückliches Pferdeleben, aber Abschied gehört zu der Freundschaft mit Sterblichen dazu."
"Willst du denn nicht um ihn trauern?" Yodda sah den Elfen verwirrt an.
"Yoddaelda ... du bist nun auch unsterblich. Und du wirst feststellen, dass wir alle eines Tages Abschied nehmen müssen. Die Trauer geht mit der Zeit. Du lernst, dass es nun einmal das Schicksal der Sterblichen ist, von uns zu gehen."
"Bevor ich verwandelt wurde ... war ich da auch nicht mehr für dich?", fragte Yodda scharf. "Ein Sterblicher, an den man sein Herz nicht hängt?"
"Ihr beide, du und Kat, ihr wart immer meine besten Freunde", widersprach Nylian.
"Das beantwortet meine Frage nicht."
Der Elf fuhr sich durch das cyanfarbene Haar. Das Rotkehlchen flog auf, flatterte um ihn herum und ließ sich wieder auf seiner Schulter nieder. "Yodda, das ... ist schwer zu erklären. Du bist nicht damit aufgewachsen, langsamer zu altern als alle um dich herum. Aber ja, man geht Freundschaften mit Sterblichen anders ein, in dem Wissen, dass sie einen irgendwann abhängen oder verlassen werden."
"Ich dachte immer, du hältst uns für Freunde. Und dabei kannst du uns einfach so wegwerfen wie Aidalos."
"Wegwerfen? Nein. Nein, Yodda, das hast du falsch verstanden!" Nylian sah sie entsetzt an. "Ihr seid doch nicht weniger wert, weil ihr sterbt. Ganz im Gegenteil. Damit, mich mit Elfen anzufreunden, kann ich mir Zeit lassen. Aber bei Sterblichen muss man die gegebene Zeit nutzen, denn sie ist begrenzt. Man weiß, auf welchen Schmerz man sich einlässt, also trifft man diese Entscheidung nicht leichtfertig."
Lächelnd rief Nylian Leyra in seine Hände und bildete ein schalenförmiges Nest für das Rotkehlchen. "So wie mit ihr. Ich weiß, dass diese Vögelchen nicht sehr alt werden. Darum ist jede Stunde mit ihr kostbar. Und auch Aidalos liebe ich sehr und er wird mir fehlen. Als Elf begegnet man dem Tod nur deutlich öfter als ihr Sterblichen, und es hat keinen Sinn, jeden davon als einen neuen Weltuntergang zu betrachten."
"Ich verstehe", murmelte Yodda leise.
Nylian lächelte schwach und sie bemerkte die Trauer in seinem Blick. "Lass uns zu ihm gehen."