Waren das wirklich mal Pflanzen gewesen? Markus zweifelte bereits an seinem Verstand. Seit er aus dem Wagen gestiegen war hatte er nichts als eine schmierige schwarze Masse gesehen. Butterweich schmiegte sie sich um seine Uniformschuhe. Er hinterließ mit jedem Schritt Abdrücke in dem Zeug, die sich bereits wenige Schritte hinter ihm wieder glätteten, als wäre dort nie etwas gewesen. Tatsächlich war der Vergleich mit Butter gar nicht so weit hergeholt, fand er. Mal abgesehen von der Farbe. Das Zeug war weich und schmierig. Markus hatte zwei Finger hineingetunkt und die Pampe dazwischen verrieben. Eindeutig irgendwie fettig. Jetzt schalt er sich selbst dafür einen Idioten. Handschuhe wären angesagt gewesen, aber daran hatte er natürlich nicht gedacht. Sogar nach mehrfachen Versuchen das Zeug an seiner Uniform abzuwischen, war es ihm nicht gelungen seine Finger vollständig zu reinigen. Ein Rest war auf seiner Haut verblieben und juckte unangenehm. Einen Geruchstest hatte er ebenfalls durchgeführt: etwas tranig. Eben fast wie Butter, aber diese Farbe beunruhigte ihn zunehmend.
Die zuckenden Blaulichter seines Streifenwagens offenbarten ein unsagbares Ausmaß. Soweit er im Dämmerlicht sehen konnte und die unsteten Lichter es erlaubten, nichts als dieser schwarze Alptraum. Dabei sollte hier eigentlich ein Feld sein. Noch gestern war er an eben dieser Stelle an mannshohem Mais vorbeigefahren. Was zur Hölle war nur passiert? War es eine Ölpest? Quatsch!
Markus beschloss, sich zunächst zum Haus des alten Einsiedlers zu begeben, der auf der Wache angerufen hatte. Er klingelte. Keine Reaktion. Noch ein Klingeln. Wieder nichts.
"Herr Bock die Polizei ist hier. Sind sie zu Hause?" Da, hatte er da eben etwas gehört? Hatte das wie ein Rufen geklungen?
Kurzentschlossen zückte der Polizist seine Waffe. "Ich komme rein Herr Bock." Markus drückte auf die Türklinke, die Tür schwang auf. Ein Jammern drang aus einem der hinteren Räume.
"Herr Bock? Die Polizei ist hier." Dem Jammern folgend, bewegte er sich vorsichtig vorwärts. Als er schließlich in der Wohnstube ankam und das Licht einschaltete, bot sich ihm ein Bild des Grauens. Der Alte klebte in einem Sessel, seine Arme waren scheinbar mit den Lehnen verschmolzen, seine Füße waren verschwunden und die Unterschenkel wurden immer kürzer, während sie in dicken, fettigen Brocken auf den Boden tropften. Der Prozess war scheinbar noch nicht abgeschlossen, denn zusehends breitete sich Schwärze immer weiter nach oben über den Körper aus.
"Herr Bock, was ist hier passiert?", seine Stimme überschlug sich panisch. Der Alte war ganz offensichtlich nicht mehr in der Lage zu antworten, auch wenn er es versuchte. Herr Bock stieß einige widerlich schmatzende Geräusche aus, dann warf alles an ihm Blasen, ein Zittern durchfuhr ihn und er löste sich in einem letzten Aufbäumen gänzlich in schwarzen Schleim auf. Auch der Sessel nahm einen fettigen Glanz an, verbog sich und verlor die Form bis nur noch ein Haufen der schwarzen Masse übrig war. Markus verfolgte den Prozess mit wachsendem Entsetzen. Als er sich endlich davon losreißen konnte, hätte er nicht sagen können, wie lange er dort gestanden hatte, Mund und Augen grotesk aufgerissen. Mit einem nicht enden wollenden Schrei stürmte er zurück zum Streifenwagen, versuchte nicht auf dem Schwarzen Zeug auszurutschen.
Er warf den Motor an, gab Gas. Der Wagen heulte auf, bewegte sich aber nicht. Die Räder fanden keinen Halt auf dem weichen, schmierigen Untergrund. Markus zwang sich zur Ruhe. Ganz kurz durchatmen, nachdenken. Dann noch einmal Kupplung langsam kommen lassen, wenig Gas. Quälend langsam setzte sich das Fahrzeug in Bewegung.
Die Versuchung war groß einfach Gas zu geben, sobald der Wagen rollte, doch er musste sich zusammenreißen. Das Zeug war zu fettig. Wenn er jetzt von der Straße abkam und im Graben landete, dann wars das. Im Schrittempo, ging es vorwärts, dem Bereich entgegen, wo die Pampe nicht mehr die Straße bedeckte. Augenblicklich senkte sich der Gasfuß, sobald er wieder normalen Aspahlt unter den Rädern hatte.
Richtung Polizeistation. Er musste die Kollegen warnen, sie mussten die Stadt evakuieren. Markus' Hand schnellte zum Funkgerät, doch er stockte mitten in der Bewegung. Drei seiner Finger neigten sich seltsam nach außen. Sofort trat er auf die Bremse. Der Wagen kam mit qualmenden Reifen zum Stehen.
"Scheiße", sagte er und Tränen traten ihm in die Augen. "Scheiße, scheiße, Scheiße! So ein Mist!"
Er sprang aus dem Streifenwagen. "Oh verdammt." Markus wollte nicht so enden wie der Alte. Was tun? Zitternd griff er nach seiner Dienstwaffe, streckte die befallene Hand von sich und zielte unbeholfen. "Oh verdammte Kacke. Komm schon, komm schon Markus." Er drückte ab, und die Hälfte seiner Hand spritzte weg. Erstaunlicherweise blutete er nicht so stark wie erwartet. Nachdem er sich aus Verbandkasten versorgt hatte, trat Markus wieder aufs Gas.
Zwanzig Minuten später kam der Streifenwagen mit einem ungewöhnlich langen Bremsweg vor dem Revier zum Stehen. Markus musste sie warnen. Er riss die Auto tür auf, sprang hinaus und landete überrascht auf dem Asphalt. Ein Blick hinab zu seinen Füßen zeigte ihm, das er vergessen hatte seine Schuhe auszuziehen.