Valdorian hatte sein ganzen Leben im Wissen verbracht, dass seine Existenz nur einen Zweck hatte. Er war geboren und lebte, um zu kämpfen. In den ersten Jahren war seine Mutter bei ihm, oben in den Bergen. Ein Kind, gegeben um zu sterben. Ein Kind der Hoffnung und ein Kind des Schmerzes. Sie war herabgestiegen aus den hohen Gestaden und hatte seinen Vater geliebt, den Größten unter den Seinen und doch nur ein Mensch. Es war die Zeit, zu der die Menschen die Hoffnung fast verloren hatten. So lange schon hatten sie leiden müssen unter den Knechtschaft abtrünniger Engel. Keiner der hohen Götter hatte sie vor ihnen geschützt, keiner war herabgestiegen und hatte die Engel brennen lassen, wie es ihnen gebührt hätte. Geschichte wurden von Mund zu Mund weitergegeben, dass die Götter tot seien, Opfer ihrer Dienerschaft, dass sie selbst in Gefangenschaft gefallen waren oder, vor Angst bebend, nicht wagten die Hand zu erheben. Man erzählte sich, die Götter seien in Anbetung der Menschen faul geworden und hätten ihre Handlanger entsandt, um das Werk der Angebeteten in ihrem Namen zu vollbringen. Die Götter, hieß es, hätten den Engeln zu sehr vertraut, hätten sie zu mächtig werden lassen, bis sie selbst ihnen nichts mehr entgegen zu setzen hatten. Die Engel hatten maßlos von ihrer Macht Gebrauch gemacht. Sie waren über die Menschen gekommen, wie das Ende allen Seins. Es gab nur wenige Orte auf der Welt, wo Menschen noch leben konnten. Die heiligen Berge. Die tiefsten Höhlen, von denen man sagte, sie wären schon der Vorhof zur Hölle. Dazwischen gab es so gut wie keinen Ort mehr, an dem Menschen noch existieren konnten.
In diesen schlimmen Zeiten, war Valdorians Mutter herabgestiegen und hatte den Menschen Hoffnung gebracht. Sie hatte ihn gebracht. Ein Kind geboren aus der Erhabenheit der Götter und der Unbeugsamkeit der Menschen. Seinen Vater hatte er nie kennengelernt. Seine Mutter hatte auch nie viel von ihm gesprochen. Er war ein angesehener Krieger, so viel hatte Valdorian erfahren. Sein Vater war einer der letzten Menschen, die sich im Dazwischen, der Welt, die die der Menschen war, den Engeln stellte.
Seine Mutter, begleitete seinen Weg in den ersten Jahren. Sie umhegte ihn, tröstete ihn und versorgte seine Wunden. Schon als er seine ersten Schritte tat, waren stets die Priester bei ihm. Sie lehrten ihn zu kämpfen und zu verstehen in wessen Dienst er Stand und sie lehrten ihn sein Los anzunehmen. Schließlich hatte er es angenommen.
Die letzte Wahrheit, die ihm offenbart wurde, bevor am Ende auch die Priester ihn verließen, war, dass er nicht allein in den Kampf ziehen würde.
In jeder der verbliebenen Enklaven wurden Krieger, wie er, ausgebildet. Ein kleines Heer, das keines war. Der Tag würde kommen, an dem sie alle nach Dazwischen hinabstiegen, um den Engeln zu entreißen, was den Menschen zustand und sie in die Fänge der göttlichen Krieger zu treiben, denen der Zutritt zur Menschenwelt verwehrt blieb.
Als dieser Tag anbrach, kehrte seine Mutter zurück. Sie gesellte sich zu Valdorian, der in Meditation auf den Gipfeln über den Wolken den Sonnenaufgang verfolgte. "Sieh es dir genau an", sagte sie. Das ist das Leben. Ein fernes Feuer und es brennt nur für die Menschen. Jeder Mensch trägt ein kleines Sonnenlicht im Herzen. Ich möchte, dass du deinen Blick nach innen richtest und dieses Feuer in deinem Herzen erkennst. Es soll nicht erlöschen, solange du lebst. Heute ist der Tag hinabzusteigen nach Dazwischen. Du weißt, das dies bedeutet, die Sonne wird dir heute zum letzten Mal erscheinen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, dass sie immer da ist, in dir. Du musst nun gehen mein Sohn." Sie küsste Valdorians Stirn und verließ ihn zum letzten Mal.
Er wusste, dass nun ein weiteres Opfer von ihm verlangt wurde und war bereit es zu geben. Kein Mensch und auch kein Halbgott konnte den Engeln entgegentreten, ihnen in die gottesgleichen Gesichter sehen und dann die Waffe gegen sie erheben. Wer immer einmal in den Bann dieser Schönheit geraten war, würde eher sich selbst töten, als einen Streich gegen diese neidvollen Lakaien des Verrats zu führen.
Valdorian warf einen letzten Blick auf die wachsende, ferne Glut am Horizont. Dann erhob er sich, ging zur Schmiede, wo einer der Priester mit glühenden Eisen wartete, um ihn zu blenden. Er ging in der Gewissheit, nie mehr die Sonne zu sehen. Er richtete seinen Blick nach innen, auf das kleine Feuer, das dort für ihn brannte und immer brennen würde, bis sein Leben endete, indem er seine Bestimmung erfüllte.