"Komm, Nicky, Komm! Das sieht gut aus! Weiter, komm! Nicht nachlassen!", feuerte Heinz Bergmann seinen Schützling Nicole Stadler an. Nicole stapfte in der Eins-Einser-Technik mit ihren Langlauf-Skiern den steilen Anstieg hinauf. Auf ihrem Rücken trug sie ein Gewehr. Denn Nicole war Biathletin.
Und gar keine Schlechte!
Letzte Saison hatte sie ihren Durchbruch geschafft, da wurde sie zum ersten Mal für die österreichische Damen-Biathlon-Weltcupmannschaft nominiert und war, außer bei der Weltmeisterschaft in Antholz, bei allen Weltcups dabei. Sie hatte einige kleine Achtungserfolge erzielt, ihr bestes Einzelergebnis war ein sechster Platz beim Verfolgungsrennen zum Saisonfinale in Oslo gewesen.
Ihr größter Erfolg war, als sie bei ihrem allerersten Staffeleinsatz für die österreichische Damenmannschaft gleich einen Podestplatz erzielt hatte. Beim Wettkampf in Oberhof waren sie Dritter geworden! Das war das bis dahin beste Weltcupergebnis einer österreichischen Damenstaffel überhaupt gewesen!
Nicole war stolz darauf, ein Teil davon gewesen zu sein, aber jetzt galt es, an die Leistungen der vergangenen Saison anzuknüpfen. Dafür musste sie trainieren, hart trainieren! Also quälte sie sich den Berg hinauf und lies nicht locker.
Es war Anfang November und es war das erste Schneetraining der Saison. Den Sommer über hatte sie immer nur auf Rollerski oder dem Fahrrad trainiert oder Wettkämpfe bestritten. Jetzt war sie froh, dass sie endlich wieder auf ihren geliebten Skiern stand und auf Schnee fahren konnte. In wenigen Wochen begann die Weltcup-Saison und sie würde auch diesmal dabei sein. Aber sie durfte nicht nachlassen, sonst wurde ihr Kaderplatz ganz schnell an eine Andere vergeben. Die Konkurrenz war groß, auch in Österreich, welches eigentlich nicht so bekannt für Biathlon oder Langlauf war, sondern eher für den Alpinen Skisport, der in diesem Alpenland eindeutig der Sport Nummer Eins war.
Als das Training beendet war, fragte Heinz: "Soll ich dich noch mit nach Hause nehmen, Nicky?"
"Klar, gerne. Da muss meine Mutter mich dann nicht abholen. Und ich muss nicht so lange warten, denn sie ist glaube ich noch arbeiten. Danke!"
Nicole war heute nicht selbst zum Training gefahren, sondern hatte sich von ihrer Mutter fahren lassen. Sie hatte zwar einen Führerschein, fuhr aber meistens nicht selbst, weil sie nach dem Training meist sehr müde und abgespannt war, da wollte sie kein Risiko eingehen, um mit einer eventuellen Unkonzentriertheit einen Unfall zu verursachen. Deswegen freute sie sich, dass ihr Trainer sie mitnahm, so kam sie schneller nach Hause.
Es war bereits später Nachmittag und es wurde schon dunkel, es war kalt geworden und dicke Flocken fielen vom Himmel. Ein Wintereinbruch Anfang November war in dieser Gegend, im Salzburger Land, nichts Ungewöhnliches.
Unterwegs checkte sie auf dem Handy ihre Nachrichten und Emails, aber was Wichtiges war nicht dabei. Dann schrieb sie ihrer Mutter eine SMS, dass sie nicht abgeholt musste, weil sie mit Heinz nach Hause kam. Danach setzte sie ihre Kopfhörer auf und startete etwas Musik, heute entschied sie sich für Eine ihrer Lieblings-Sängerinnen - CHRISTINA AGUILERA. Sie schloss die Augen und genoss den Gesang dieser großartigen Künstlerin...
____________________________________
An diesem Abend saß Andrea Stadler noch in ihrem Büro in einer großen Salzburger Firma. Sie musste länger arbeiten, denn das Weihnachtsgeschäft musste vorbereitet werden. Sie hatte es aber nicht mehr so eilig, weil sie vorhin von ihrer Tochter eine Nachricht bekommen hatte, dass sie sie heute nicht vom Training abholen musste, weil diese von ihrem Trainer nach Hause mitgenommen wurde. Sehr gut! So konnte sie noch ein paar wichtige Anrufe mit Kunden und Geschäftspartnern führen.
Sie redete gerade mit einem potenziellen neuen Großkunden, als ihre Kollegin Silke in ihr Büro geplatzt kam. In ihrer Hand trug sie ein tragbares Telefon.
"Andrea, hier ist ein wichtiger Anruf für dich! An deinem Apparat war immer besetzt, deswegen ist er bei mir rausgekommen. Schnell, es ist wichtig!"
"Ich telefoniere gerade mit Schneider!", antwortete Andrea ungehalten, "Das ist auch wichtig!"
"Nein, es ist nichts Geschäftliches! Es geht um deine Tochter! Es ist etwas passiert..."
____________________________________
Danny Teichmann saß in seinem kleinen Studio und spielte Gitarre, so wie jeden Tag. Er war ein begnadeter Musiker, jeden Tag übte er mindestens eine Stunde. In seinem Leben drehte sich fast alles um Musik, sein Vater spielte Klavier und er hatte sein musikalisches Talent geerbt. Bereits als Vierjähriger begann er, Klavier und Geige zu spielen, mit acht Jahren schwenkte er dann auf Gitarre um. Zuerst die klassische Konzertgitarre, aber als er als Jugendlicher begann, sich für Rock- und Metal-Musik zu interessieren, fing er auch an, E-Gitarre zu spielen. Seit dem war er besessen von Metal, Gitarren und allem, was mit Musik zu tun hatte. Neben der Gitarrenmusik interessierte er sich auch noch für viele andere Genres, vor allem für Klassik und Jazz. Grundsätzlich war er offen für Musik aller Art, denn er war der Meinung, dass jede Musik ihre Daseinsberechtigung hat, solange sie nur mit Leidenschaft gemacht wurde. Danny's größte Leidenschaft war der melodische, technische Death-Metal, so wie Bands wie DEATH, GRUESOME, OBSCURA, ALKALOID oder HANNES GROSSMANN ihn spielten oder gespielt haben.
Danny lebte in einer Kleinstadt am Rande des Erzgebirges, er wohnte noch bei seinen Eltern, denn die hatten ein großes Haus und jede Menge Platz. In diesem Haus hatte er sich ein paar Zimmer zu einer kleinen Wohnung ausgebaut und im Keller sein Studio eingerichtet. Er war 28, war relativ groß, hatte lange blonde Haare, die er meist zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte und einen kleinen Kinnbart.
Neben der Musik hatte aber auch noch einen richtigen Beruf gelernt, er war nämlich auch ein ausgezeichneter Physiotherapeut! Die Arbeit machte ihm wirklich Spaß, allerdings arbeitete er nur noch Teilzeit in einer Physiotherapie-Praxis in seiner Heimatstadt.
Neben seiner Arbeit als Therapeut und seinem Hobby als Musiker hatte er zusammen mit seinem Großcousin Ralf eine kleine Firma gegründet, wo sie Veranstaltungen, Konzerte und Partys mit der passenden Technik ausstatteten und auch Veranstaltungstechnik verliehen.
D & R - Sound & Light Professional hieß ihr Nebengewerbe und es lief ganz gut. Das war natürlich mit viel Arbeit verbunden, vor allem an den Wochenenden war er fast immer unterwegs. Deshalb hatte er seine Tätigkeit als Physiotherapeut etwas zurückgefahren, er arbeitete nur noch vier Tage pro Woche in der Praxis, freitags kümmerte er sich um Papierkram und Kundenkontakt für seine Firma und am Wochenende war er halt auf Konzerten und Partys, aber nicht um zu feiern, sondern um zu arbeiten!
Abends saß er immer in seinem Keller, übte Gitarre, nahm Musik auf oder bearbeitete sie. Und als wäre das noch nicht genug, war er neben den Aufträgen für seine eigene Firma, manchmal noch für eine größere Veranstaltungs-Firma, die deutschlandweit aktiv war und auch größere Konzerte, Festivals oder Sportveranstaltungen mit Ton und Licht versorgte, unterwegs. Bernhard, der Chef dieser Firma, war ein Bekannter von ihm und hatte ihn mal gefragt, ob er ab und zu mal aushelfen würde, wenn Not am Mann wäre. Und da Danny ein guter Mensch war, hatte er zugesagt, und war nun manchmal am Wochenende in ganz Deutschland unterwegs.
Dabei hatte er immer seine Gitarre, einen mobilen Verstärker und seine Kopfhörer in seinem Gepäck. So konnte er bei jeder Gelegenheit spielen und üben, auch einfach mal so zwischendurch.
Über Langeweile konnte er sich also nicht beklagen!
Was ihm fehlte, war die Frau an seiner Seite.
Seit seine letzte Freundin ihn vor einigen Jahren verlassen hatte , war er Single und eigentlich auch ganz zufrieden damit, denn wenn er ehrlich war, hatte er eigentlich gar keine Zeit für eine Freundin.
Es gab da zwar jemanden in seinem Leben, mit der er sich manchmal Textnachrichten schrieb und auch hin und wieder mal telefonierte, aber sie wohnte mehrere Hundert Kilometer von ihm entfernt und lebte sie in einer völlig anderen Welt! Außerdem hatte er keine Gefühle für sie, die über eine lockere Freundschaft hinaus gehen würden. Zumindest redete er sich das immer ein...
Danny's Welt war also die Musik. Er spielte nicht nur Gitarre, sondern er komponierte auch und nahm seine Musik auf, anschließend bearbeitete er sie und veröffentlichte sie manchmal auch bei Bandcamp.
Das ist eine Internetplattform, wo Musiker und Labels aus allen möglichen und unmöglichen Musikrichtungen ihre Musik veröffentlichen können. Man kann sie einfach nur zum Streamen bereitstellen, oder sie zum Verkauf anbieten, entweder als Download oder auch als physisches Medium, zum Beispiel auf CD oder Vinylplatte. Neben Tonträger kann man aber auch Merchandise, also T-Shirts, Tassen oder andere Fanartikel zum Verkauf anbieten. Außerdem kann man sich Nachrichten schreiben, man kamn also Kontakt zu Musikern und Musikfans aus aller Welt aufnehmen. Zusammengefasst gesagt kann man sagen, es ist eine Mischung aus Musikstreamingdienst, Online-Shop und Sozialem Netzwerk.
Danny fand das eine richtig gute Sache! Er bot seine Musik entweder als kostenlosen Stream oder als kostenpflichtigen Download an, ein Euro pro Song waren nicht zu viel.
Wenn er seine Musik aufnahm, spielte er mit Ausnahme des Schlagzeuges alle Instrumente selber ein. Verschiedene Gitarrenspuren, Bass, manchmal auch Synthesizer und Gesang. Er konnte ein bisschen singen und growlen, war aber kein Profi. Die Drums spielte sein Kumpel Andy ein, der ein fantastischer Schlagzeuger war. Später bastelte er am Computer die einzelnen Spuren zu einem fertigen Song zusammen und lud ihn anschließend in seine Cloud.
Er würde gerne eine richtige Band gründen. Durch seine Tätigkeit als Techniker und Musiker hatte er viele Kontakte in der Musikszene, trotzdem hatte er aber leider noch keine passenden Mitstreiter für seine anspruchsvolle Musik gefunden. Bis auf Andy, den Drummer.
Wenn Danny wirklich mal nichts mit Musik machte und auch nicht auf Arbeit war, schaute er gern Sport. Vor allem Biathlon, denn er war riesiger Biathlon-Fan! Genau wie sein Vater Dietmar und sein bester Kumpel Martin, mit denen er, wenn es ging, jedes Rennen im Fernseher ansah. Sie hatten auch schon einige Weltcups in Oberhof, Antholz, Nove Mesto und Oslo besucht. Auch wenn im nicht allzu weit entfernten Altenberg irgendetwas mit Biathlon los war, zum Beispiel IBU-Cup oder Deutsche Meisterschaften, waren sie, wenn möglich, immer dabei.
Sein Kumpel Martin war der einzige Mensch außerhalb seiner Familie, seiner Musik und seiner Arbeit, zu dem er regelmäßig Kontakt hatte, er war sein bester Freund! Mit ihm redete er meist nicht über Musik, er war quasi sein Anker außerhalb einer Musik-Blase! Dafür konnte mit ihm über alles Andere reden, vor allem über Biathlon...