„Jim, verdammt noch mal, jetzt zieh dir endlich was an“, schrie Bones ihm nach, als der Blonde leichtfüßig über das Eis an ihm vorbei rauschte.
„Ich bin angezogen oder siehst du was, was ich nicht sehen?“ Jim zeigte mit beiden Händen an sich herab und bewegte dabei seine Augenbrauen in einer anzüglichen Art und Weise.
„Wir haben Winter und du stehst nur in einem T-Shirt da. Herrgott, ich bekomme Erfrierungen, wenn ich dich nur ansehe! Ich hab echt keine Lust deine Bronchitis zu kurieren, die du mit allergrößter Wahrscheinlichkeit an mich weitergeben wirst“, rief Bones unwirsch, während er sich mit aller Macht auf den Beinen zu halten versuchte. Um die Balance zu wahren, hatte er die Hände von sich gestreckt und die Beine weit auseinander gefächert, sodass sein Hintern unnatürlich hervorstand. „Ich sehe mich schon in der Nachtschicht stehen: Mit Gliederschmerzen und Keuchhusten.“
„Du hast die Rotznase vergessen“, witzelte Jim und fuhr ihn einer solchen Geschwindigkeit an Bones vorbei, dass es diesen beinahe von den Füßen riss.
„Jim!“, schrie Bones panisch auf, bevor sich sein Blick erneut verfinsterte. „Lass den Schwachsinn.“
Erfolglos ruderte Bones mit den Armen. Ein paar wenige Meter trennten ihn von der Erlösung. Einladend stand die kleine Tür in der Bahn offen, als ob sie nur seine Ankunft erwartete. Bones schob zuerst das eine, dann das andere Bein vor, dann ruderte er wieder wild mit den Armen. Wenn er das nur lang genug machte, dann würde er diesem Teufelseis schon entkommen. Und Satans Assistenten, der mit einem süffisanten Grinsen Bones zum unzähligen Mal überholte.
„Komm schon Bones, versuch wenigstens einen Meter zu fahren“, forderte Jim ihn bei seiner nächsten Runde auf.
Bones versuchte es, aber nicht, weil Jim es gesagt hatte, sondern weil er diese abscheuliche Misere beenden wollte. In einem Anflug von Übermut machte Bones eine zu schnelle Bewegung, ruderte daraufhin hektisch mit den Armen um das Gleichgewicht zu halten und kippte mit dem Oberkörper nach hinten, dann nach vorne und wieder nach hinten. Jemand traf Bones am Arm. Kläglich verlor der Doktor gegen die Erdanziehungskraft. Jim schrie nach ihm, als die Welt kippte.
Keuchend öffnete Bones vorsichtig die Augen, die er bei seinem Sturz fest zusammengepresst hatte. Er starrte in Jims himmelblauen Meere. Der Blonde war blass um die Nase und starrte ihn mit einer Mischung aus Schock und Unglauben an. Dabei bildeten seine Lippen ein perfektes O, als wäre der Ausdruck in seinem Gesicht eingefroren.
Unbeholfen lag Bones in Jims Schoß. Er fragte sich, wie dieser es geschafft hatte ihn aufzufangen, ohne sich alle Knochen zu brechen.
„Vorsicht. Glatt“, keuchte Kirk, als er aus seiner Starre erwachte. Bones verpasste ihm einen unwirschen Klaps auf den Oberschenkel.
„Das ist allein deine Schuld“, meckerte Bones künstlich ohne dem Feuer in den Worten, das ihn sonst begleitete. „Ich hoffe, du hattest deinen Spaß?! Für mich war‘s die reinste Folter. Um das wieder gut zu machen, brauche ich eine Menge Kaffee.“
„Klar, kein Problem, Bones, ich besorge dir, was immer du willst“, Jim strich Bones theatralisch über die Wange „wenn du-“, dabei ließ Jim seinen Blick vielsagend in seinen Schoß gleiten. Erst da bemerkte Bones, wo sich seine Hände überhaupt befanden. Und er wäre ein weiteres Mal auf dem Eis aufgeschlagen, hätte Jim nicht blitzschnell seinen Arm ausgestreckt und nach Bones Oberarm gegriffen.
„Wow, ruhig Großer“, Jim lachte herzlich. „Du bist nicht der Erste-.“
Bones unterbrach ihn. „Das glaub sofort.“ Er schüttelte seine Hand aus, als wäre es absolut widerlich, dass sich diese noch vor wenigen Sekunden in Jims Schritt befunden hatte.
„Lass die Anzüglichkeiten, Jim. Das ist nicht witzig. Und jetzt bring mich hier raus!“
„Bones, ich werde ganz kribbelig, wenn du so herrisch bist.“
„Dir wird gleich- hey, was zum Teufel tust du da?“
„Ich helfe dir vom Eis runter“, erklärte Jim beiläufig.
„Mit deinen Händen auf meinem-, ah, Jim, hör auf mich zu betatschen, hier sind Kinder.“
„Erstens, das sind Kadetten. In deinen Augen mag ja jeder Halbwüchsige ein Baby sein, alter Mann, aber glaub mir, die haben schon ganz anderes gesehen. Und gemacht. Zweitens, ich lege meine Hände auf deine Hüften, Hüften, da ist nichts Anzügliches dabei.“ Jim zeigte seine Handflächen, dann legte er sie zurück auf Bones Becken. „Damit ich dich anschieben kann. Siehst du. Ganz locker. Genau, gut machst du das.“
„Als ob bei dir nicht alles mit einem Hintergedanken abläuft“, grummelte Bones, wehrte sich aber nicht weiter.
Langsam schob der Blonde Bones in Richtung Ausgang, der sich mit aller Macht nicht zu sehr zu verkrampfen versuchte, aber es war wirklich verdammt schwer. Jims Hände lagen warm auf seinen Hüften, alles an Jim war warm und das ständig, als ob er die verdammte Sonne höchstpersönlich wäre. Da er ihm so nah war, streiften seine blonden Strähnen Bones kalte Wange. Was durchaus angenehm war.
„Du nutzt aber auch jede Gelegenheit, was, Jim?“, grunzte Bones um seine Erregung zu verbergen.
„Ich weiß gar nicht, wovon du redest, Darling“, sagte jener und verpasste Bones einen Klaps auf den Hintern, als dieser nah genug am Ausgang war um sich festzuhalten.
Bones war so perplex, dass er nicht einmal eine Gelegenheit hatte, etwas Bissiges zu erwidern. Nachdem sie sich umgezogen hatten, gingen sie beide in die Cafeteria. Bones, um sich mit einem Kaffee aufzuwärmen und Jim um sein Versprechen einzuhalten.
Geschwätzig saß Jim dem Doktor gegenüber und erzählte mit überzogenen Gesten eine haarsträubende Geschichte. Die im Falle von James T. Kirk fast langweilig und normal war. Bones beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, während er in seiner Kaffeetasse versank. Obwohl dieser Tag ihm einmal mehr zeigte, wie sehr Jim ihm doch auf die Nerven ging, so sah Bones in diesem Augenblick nur das breite, warme Lächeln, das Strahlen in dessen blauen Augen und die von der Kälte noch geröteten Wangen.
Nein, Jim war ausgesprochen liebenswert. Er brachte Bones Kaffee auf die Krankenstation und motivierte Kadetten, die einen langen zermürbenden Aufenthalt in der Station hatten. Er sah in jedem noch so dummen Detail etwas Faszinierendes oder Aufregendes. Und auch wenn er es nie vor Jim zugeben würde, so liebte Bones es, wenn Jim mit seinen Fingern durch sein Haar strich und seinen Kopf und Nacken massierte, wenn er total verspannt auf seinem Bürostuhl einschlief.
Plötzlich hielt Jim in der Bewegung inne und erstarrte.
„Hey“, rief Bones, als Jim brutal nach seiner Hand griff und sie in seiner zerquetschte. „Pass auf, du Grobian!“
Jim lehnte sich über den Tisch nach vorne und zischte ihm ins Ohr. „Bones, bitte, du musst unbedingt mitspielen.“
„Was-?“
Eine süßliche Stimme unterbrach jedweden Kommentar, der dem Doktor noch auf der Zunge lag.
„Jimmy?“ Eine Arrianerin mit ultralangen Beinen und schwarzem Haar war an ihren Tisch getreten. Fasziniert blickte sie zwischen ihnen beiden hin und her. Ihre Augen blieben auf Jims Hand hängen, die noch immer die von Bones in einem festen Griff umklammerte.
„Oh, Ka‘En. Lange nicht gesehen“, erwiderte Jim und drückte Bones Hand so fest, als wäre sie sein Anker. Kleine Schweißperlen sammelten sich an Jims Schläfen vor Nervosität. Verständnislos blickte Bones zwischen den beiden hin und her.