Es war ein Mittwochabend und ich war noch nie im Leben so aufgeregt gewesen. Mein Herz schlug so schnell, dass ich beinahe meinte, die Nachbarn würden es gleich auf ihrer Türschwelle liegen haben, weil es mir aus dem Körper hüpft. Mein Magen war voll mit einem riesigen Schwarm Schmetterlinge, die wilde Loopings übten und ich zitterte. Ja, ich zitterte doch tatsächlich. Noch nie hatte mich irgendjemand so fühlen lassen. Kevin war der Erste. Der Erste, der mein Herz höher schlagen ließ, wegen dem meine Knie weich wurden und ich verwirrt dreimal den Weg vom Bad zu Kleiderschrank machte. Am Ende hatte ich drei Paar Socken an und diese auch noch farblich unpassend zum Outfit. Dabei war ich doch sonst so penibel. Seid heute Morgen, war ich so aufgeregt, denn es war der Tag, bzw., der Abend an dem ich und Kevin das erste Mal miteinander ausgehen wollten.
Ein echtes Date und ich wusste nicht mal, wo es hingehen sollte. Hätte er mir nicht wenigstens einen Tipp geben können? Er wusste schließlich genau, dass ich Überraschungen nie mochte. So konnte ich mich nicht gut genug vorbereiten. Wie sollte ich so das passende zum Anziehen finden. Schlussendlich entschied ich mich für eine schwarze Jeans und ein dunkelgrünes, langärmliges Hemd. Passend zu meinem braunen Haar, welches ich mir noch schnell vor dem Spiegel zurechtlegte.
Hätte man mir noch vor zwei Wochen gesagt, ich wäre in meinen besten Freund verliebt und dieser auch in mich und ich würde sogar eine Beziehung mit ihm eingehen… Ich hätte nur den Kopf geschüttelt. Ich und Kevin? Nie im Leben! Doch jetzt sah das Ganze völlig anders aus. Mein Herz war voller Hoffnung und ich versuchte mit Erfolg, die Unsicherheiten wegzuschieben. Die Wahrheit war, ich hatte Angst, dass wir mit dieser Beziehung unsere Freundschaft aufs Spiel setzen würden. Insgeheim wusste ich doch, dass es nicht gut enden würde. Vor gut zwei Wochen hatten wir uns unsere Liebe gestanden und eine Beziehung begonnen. Obwohl ich wusste, dass Kevin nichts von festen Beziehungen hielt und ich die Befürchtung hatte, er könne nicht treu sein.
Auch jetzt wusste ich nicht, ob wir es schaffen würden eine monogame Beziehung zu führen. Nein, da drücke ich mich falsch aus. Dass ich das konnte, das wusste ich. Ich war eine absolut treu Seele. Mir reichte ein Partner vollkommen, doch würde Kev das auch reichen?
Die ganze Zeit war ich dieser Frage gekonnt ausgewichen und auch jetzt verschob ich sie auf ein andern mal. Den Abend würde ich genießen und ihn mir nicht von düsteren Gedanken versauen lassen. Außerdem hatte ich mich doch freiwillig und mit der besten Begründung überhaupt auf diese Beziehung eingelassen. Wir verhielten uns eh schon wie ein Paar.
Die einzige Komponente, die hinzukommen würde, war der Sex. Na ja, bald würde er hinzukommen. Momentan hatten wir es nämlich noch nicht gewagt. Wir wollten uns, was diese Sache anging Zeit lassen, damit es besonders toll wurde, wenn wir das erste Mal miteinander schlafen würden, doch zugegebener Weise hielt ich es so langsam nicht mehr aus. Zu gerne würde ich meinem Kevin richtig nahe sein, doch ich hielt mich an unsere Abmachung. Erst drei Dates, dann Sex. Und heute war eben erst das erste, das sah ich natürlich ein.
Als es an der Tür klingelte, war ich gerade erst fertig geworden. Mein Herz klopfte laut, als ich meinem Freund die Tür öffnete. Strahlend sah Kevin mich an und ich war plötzlich richtig unsicher und aufgeregt.
„Hey, Süßer“, hauchte ich.
„Hey, Rob“, hauchte er ebenfalls.
Dann nur Stille. Sekundenlang standen wir in der geöffneten Tür. Er im Hausflur ich in meiner Wohnung. Erst nach bestimmt einer Minute löste ich mich aus der Starre und räusperte mich.
„Nun, ähm, wollen wir dann los?“, fragte er.
Ich nickte, schnappte mir meine Schlüssel und zog mir die Jacke über. Es wurde zwar langsam Frühling, doch Nachts wurde es noch ziemlich kalt und es war bereits 18 Uhr. Nachher würde es ganz schön ungemütlich werden. Als wir die Straße vor dem Haus betraten, sah ich mich suchend nach Kevins kleinem VW um, konnte diesen aber nirgends entdecken. Ich sah meinen besten Freund und Partner fragend an.
Er grinste breit und wies auf einen schmalen eleganten Mercedes vor dem ein in Schwarz gekleideter Mann stand und bei unserer Sichtung die Hintertür öffnete. Kevin hatte extra für unser Date ein schickes Auto nebst Fahrer engagiert. Ich stand wohl mit offenem Mund da, denn Kev griff meine Hand und zog mich zu dem edlen Gefährt und bat mich einzusteigen.
Völlig überrumpelt stieg ich in den Wagen, stieß mir beinahe den Kopf am Türrahmen und rutschte durch. Mein Liebster setzte sich neben mich und die Tür wurde geschlossen. Kurze Zeit später startete der Motor.
„Wo geht es denn jetzt hin?“, fragte ich, als ich meine Sprache wiedergefunden hatte.
„Das kann ich dir doch noch nicht verraten. Dann wäre es doch keine Überraschung mehr mein Schatz.“
Liebend gerne hätte ich protestiert, doch ich merkte, wie wichtig Kevin diese Sache war, also schwieg ich wieder und sah ihn schmachtend von der Seite an. So romantisch hatte ich meinen Chaoten noch nie erlebt. Nie hatte ich vermutet, dass diese Seite in ihm schlummern würde. Vielleicht war der Gedanke an eine monogame Beziehung mit Kevin doch gar nicht so weit hergeholt? Vielleicht hatte er einfach nur die richtige Person gebraucht? Vielleicht war ich der Richtige? Ein Funken Hoffnung schwoll in mir an und ich ließ ihn glimmen wie Glut im Kamin vor dem Schlafengehen, in der Hoffnung auf ein Feuer, auch wenn diese Hoffnung bereits zu Scheitern verurteilt war.
Ein wenig unsicher sah ich meinen Liebsten an und griff nach seiner Hand. Allein diese Berührung ließ mein Herz schon schneller schlagen. Ich war sowas von verliebt in diesen Mann! Er beugte sich zu mir hinüber, legte eine Hand an meine Wange und streichelte sanft mit dem Daumen darüber.
„Ich liebe dich, Robin“, hauchte er dann an meinen Lippen.
„Ich dich auch“, erwiderte ich sofort und legte mit klopfendem Herzen meine Lippen auf seine. Ganz zart nur, sanft, aber mit genügend Druck, um ihn zu animieren weiter zu machen. Er ging nur zu gerne darauf ein, drückte dabei bestimmend meine Hand. Seine Lippen waren rau und mich piksten sein Bartstoppeln. Aber genau so mochte ich meinen Freund. Es blieb bei der vorsichtigen Bewegung unserer Lippen und genau das machte mich glücklich. Er ließ sich absichtlich Zeit mit mir, denn er wollte, dass es anders lief, als bei seinen anderen Beziehungen. Das hatte er mir gesagt und ich glaubte ihm natürlich.
Ein paar weitere Küsse später hielt der Wagen und die Tür wurde geöffnet. Ungern löste ich mich von Kev’s Lippen. Doch ich war auch gespannt, was mich erwarten würde. Vielleicht waren Überraschungen nicht immer schlecht. Kevin hielt mir seine Hand beim Aussteigen entgegen und ich musste schmunzeln. Mein chaotischer Freund hatte sich in einen absoluten Gentleman verwandelt und blieb stur in dieser Rolle. Allein das war eine Überraschung, mit der ich im Leben nicht gerechnet hätte. Es gefiel mir, doch irgendwie gefiel mir auch mein alter Kevin, der immer so locker war und dem ständig Missgeschicke passierten. Der Kevin, in den ich mich verliebt hatte. So viele Jahre war ich mit diesem Mann befreundet gewesen, bevor ich bemerkt hatte, dass es Liebe war. Ich hatte mich in eben diesen Mann verliebt. In den Chaoten, den Zappelphilipp, den Clown. Doch auch diese Version von ihm hatte seinen Reiz. Vor allem, weil ich nur darauf wartet, dass irgendetwas schieflief. Denn genau dann schlug mein Herz schneller und ich hatte meinen Kevin wieder.
Kevin griff meine Hand und führte mich in ein Gebäude, welches alt und verlassen schien. Ein Schild in Neonfarben zeigte das Wort Kino. Das O war kaum noch zu erkennen. Was wollte er hier mit mir? Filme liefen hier sicher schon lange nicht mehr. Doch ehe ich fragen konnte öffnete mein Freund die schwere Eingangstür und führte mich in das Gebäude. An den verlassenen Kassen vorbei, ging es in Richtung des großen Saales in dem früher die Filme gezeigt worden waren. Es war nur wenig Licht eingeschaltet und die Szenerie wirkte fast schon unwirklich und irgendwie unheimlich. Im Saal angekommen führte mich Kevin in die mittlere Reihe und wir setzten uns auf die dunkelroten Kinosessel.
„Wer zeigt uns den Film?“, fragte ich völlig überrumpelt.
„Ein Freund von mir schuldet mir noch was“, antwortete Kevin und legte den Arm um mich.
„Und was sehen wir?“
Kevin grinste breit.
„Na deinen Lieblings-Zombie-Film.“
Jetzt war ich, der der lächelte. Kev wusste eben genau, was mich glücklich machte. Ein Zombiefilm in dieser Atmosphäre würde der Hammer werden! Glücklich kuschelte ich mich an ihn. Dann wurde das Licht gedämmt und der Vorhang glitt zur Seite. Der Film ging los.
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