Midor sprintete über die Lichtung und duckte sich hinter einem Baumstamm. Angespannt lauschte er nach Geräuschen, die seinen Verfolger verraten würden.
Er hatte versagt. Dabei waren sie so nah dran gewesen. Seit Tagen waren sie dem Ungetüm auf den Fersen, hatten die bluttriefenden Spuren verfolgt. Es war alles geplant und durchdacht, auch die silbernen Messer lagen längst bereit, um den Kopf des Ungeheuers abzuschlagen – die einzige Möglichkeit, es zu töten. Und doch hatte er es nicht verhindern können, hatte machtlos zusehen müssen, wie das Ding Rysa rücklings ansprang, sie niederriss und seine Reißzähne in ihrer Schulter vergrub.
Ein Rascheln, nur wenige Meter entfernt, ließ Midor aufschrecken. Sein Griff um die silberne Klinge festigte sich. Bis in die Zehenspitzen angespannt horchte er nach einer Bewegung in der Finsternis. Er ahnte den Lufthauch mehr, als er ihn spürte, und warf sich urplötzlich zur Seite. Das Holz der Baumrinde splitterte, als die grässlichen Klauen dagegen schlugen, nur haarscharf an seinem Brustkorb vorbei. Die Wucht des Fehlschlages ließ das Ungetüm nur für einen Augenblick inne halten, doch das reichte Midor, um mit einer geschmeidigen Bewegung hinter seinen Verfolger zu springen und ihm aus dem Schwung heraus mit aller Kraft gegen den Rücken zu treten. Das Ungetüm taumelte einen Schritt nach vorn und Midor nutzte diesen Moment der Gleichgewichtssuche, um es an den Haaren zu packen und den Kopf mit einer geübten Bewegung nach hinten zu reißen. Er legte ihm die Klinge an den Hals, doch zögerte er, den Schnitt auszuführen. Er musste ihm in die Augen sehen, dem Monster, das ihm seine Frau genommen hatte.
Midor ist nicht vorbereitet auf den wilden Blick, der den Seinen unter dem silbernen, ins Gesicht hängenden Haarschopf trifft.
"Komm schon, bring es zu Ende," faucht das Ungeheuer, dessen Reißzähne sich nur Zentimeter vor Midors Gesicht befinden. Doch der Anblick der vertrauten dunkelbraunen Augen lässt ihn erstarren. Rysa?
Midors Zögern dauert einen Moment zu lange und die schwere Pranke des Ungeheuers schlägt seine Waffe mit einer unmenschlichen Wucht zur Seite. Die riesigen Fänge graben sich in Midors Fleisch und das lähmende Bild der vor Blutdurst triefenden Augen seiner Frau verschwimmt.