“Das hast du nun davon! Ich gehe!” Wie ein Wirbelwind rauschte Annika an ihm vorbei und ließ die Tür hinter sich ins Schloss krachen.
Ihre wutentbrannten Worte klangen Luke auch Sekunden später noch in den Ohren. “Verpiss dich nur!”, warf er ihr hinterher, bevor seine Faust mit voller Wucht in die Wand neben sich krachte. “Immer die selbe Scheiße!” Sein Puls raste so sehr, dass das Pochen in seinem Kopf widerhallte. Wieso musste es nur immer so enden. Gerade, wenn wieder alles perfekt schien. Der Alltag in Ordnung, der Sex phänomenal, die Freizeit Pärchenzeit. Und dann passierte irgendetwas, das entweder ihn oder sie auf die Palme brachte. Und – peng! Alles eskalierte.
Das hast du ja mal wieder super hinbekommen.
“Bitte was? ICH?”
Ja, DU. Bist du eigentlich komplett lernresistent?
“Na hörmal. Du bist hier schließlich der Autor. Du bist für den Inhalt verantwortlich.”
Was kann ich denn dafür, wenn der Konflikt zwischen euch Idioten jedes Mal eskaliert?
“Nunja. Du könntest es anders schreiben. Uns anders handeln lassen. Aber gib’s zu. Du geilst dich einfach daran auf, mich leiden zu sehen. Immer und immer wieder…”
Du hast absolut keine Ahnung, wovon du sprichst. Da macht man sich Gedanken, brütet tage-, nein, wochenlang an einer zündenden Idee und sitzt stundenlang an der Ausarbeitung. Man steckt Herzblut in die Sache, hat alles durchgeplant. Die Einleitung, der Spannungsaufbau, der Höhepunkt – alles ist einfach perfekt! Und dann kommt so ein Vollidiot von Protagonist dahergelaufen und rastet einfach grundlos aus. Planung? Pustekuchen! Plötzlich ist einfach alles kaputt! Die ganze Arbeit – für Nichts!
“Ach was? Jetzt bin ich also wieder schuld, dass das alles so passiert ist? Dass diese dumme Kuh immer alles so ernst nehmen muss? Was kann ich denn bitte dafür? Wenn du mich nicht aus dieser Hölle herausholen willst, dann lass mich wenigstens in Ruhe!”
Weißt du, als Autor musst du es immer allen Recht machen. Jeder Protagonist hat seinen eigenen Kopf und ich muss die alle irgendwie unter einen Hut bringen. Zusammenfinden lassen. Zu sinnvollen Interaktionen bringen. Ich kann und will das nicht mehr! Wenn du nicht bereit bist, deine Verantwortung als Hauptcharakter ernst zu nehmen, dann kann ich dir auch nicht mehr helfen. Du hast diese Handlung schon zu oft ruiniert. Ich muss mir was anderes einfallen lassen…
“Na klasse. Nun schiebst du deine Verantwortung als Autor einfach auf deine armen Protagonisten ab. Wir sind Puppen, Marionetten! Bloß, weil du es nicht hinbekommst, eine halbwegs gute Geschichte zu schreiben…”
Spar’ dir deinen Atem. Du wirst ihn noch brauchen. Wenn ich mit euch fertig bin. Ich lasse mir nicht länger auf der Nase herumtanzen!
Lukes Wut ebbte langsam ab. Plötzlich bemerkte er ein Stechen in seiner rechten Hand. Verwirrt starrte er auf seine Finger, an denen das Blut in dicken Tropfen entlanglief und auf den Teppich tropfte. Fassungslos wanderte sein Blick über die weit verstreuten Scherben am Boden und schließlich zur Wand, wo sich eben noch der große Spiegel befunden hatte. Schwarze Punkte begannen, vor seinen Augen zu tanzen. Seine Knie wurden weich und Luke griff fahrig nach vorn, um sich irgendwo abzustützen. Doch seine zerschnittene Hand hinterließ nur eine nassrote Spur, die sich leuchtend von dem strahlenden Weiß der Tapete abhob, als ihn der Schwindel schließlich übermannte.