„Granate!“, rief der Sergeant und riss den Soldaten neben sich mit, als er hinter einen hohen Felsen in Deckung sprang. In diesem Moment explodierte die Granate, Splitter und Dreck stoben gegen den Felsen und über ihre Köpfe hinweg. „Alles in Ordnung, Soldat?“, fragte er, während er sich aufrappelte und an den Stein presste.
Der Soldat nickte und tat es ihm gleich, da schlugen die Kugeln der feindlichen Soldaten schon in ihre Deckung ein. „Woher wussten die, dass wir kommen, Sergeant?“, rief der Soldat und zog den Kopf ein, als die Kugeln über seinen Kopf hinweg flogen.
„Ich weiß es nicht!” Jedenfalls hätte das nicht passieren dürfen! Der Sergeant schaute kurz über den Felsen hinweg, zu den dicht stehenden Bäumen auf der anderen Seite, wo immer wieder das Mündungsfeuer der feindlichen Gewehre aufblitzte. Schemenhaft huschten die Soldaten zwischen den Bäumen hin und her und versuchten schnell vorzurücken.
Der Plan war eigentlich ganz einfach gewesen. Der Sergeant sollte mit seinem Team durch den Wald vorrücken und ein feindliches Lager mit Sprengsätzen sabotieren. Der Informant hatte berichtet, dass das Lager gerade erst aufgebaut worden sei, und dazu dienen sollte, die Fahrzeuge zu warten und zu reparieren. Der Feind hätte noch mit dem Aufbau beschäftigt sein sollen, also war es geplant in der Dämmerung vorzurücken, Verwirrung zu stiften und so das Lager gezielt zu zerstören. Doch man hatte ihnen bereits aufgelauert, und nun war der Sprengstoff in die Hand des Feindes gelangt, und der Sergeant mit seiner Truppe auf dem Rückzug.
Der Sergeant schoss ein paar Salven in Richtung des Feindes und zog sich hinter den Felsen zurück, als der Feindbeschuss erneut gegen den Felsen prasselte.
„Irgendwer muss uns verraten haben“, rief der Soldat neben ihm, gab ebenfalls ein paar Schüsse ab und ging erneut in Deckung.
„Darüber können wir uns Gedanken machen, sobald wir hier wieder raus sind!“ Wenn wir hier überhaupt wieder raus kommen, ergänzte er seinen Gedanken.
Ein Aufschrei ließ ihn nach rechts schauen. Er sah, wie einer seiner Soldaten an der Schulter getroffen wurde und zu Boden ging.
„Hendriks, verdammt!“, rief er. „Alles in Ordnung?“
„Alles gut, Serg‘“, antwortete Hendriks und raffte sich wieder auf. Seine Hand hielt er auf die Wunde gedrückt, Blut floss unter seiner Hand an Arm und Brust herunter.
„Von wegen, Hendriks! Das muss versorgt werden! Komm her, ich geb dir Deckung! Auf drei!“
Hendriks nickte, der Sergeant zählte herunter und schoss ein paar Salven in Richtung des vorrückenden Feindes. Hendriks stürmte aus seiner Deckung, ein paar Kugeln verfehlten ihn nur knapp, als er zum Sergeant hinter den Felsen rutschte.
„Halt den Kopf unten, und jetzt lass mich das mal ansehen“, befahl der Sergeant und überprüfte die Verletzung. “Glatter Durchschuss, das wird wieder. Ich werde das jetzt verbinden, damit du mir nicht noch verblutest, verstanden?“
Hendriks nickte, dann stieß der Sergeant den Soldaten neben sich an. „Towns, richtig?“
„Ja, Sergeant!“
„Gut, gib uns Deckung, solange ich die Wunde versorge“, sagte er, während er Hendriks die Jacke auszog und Verbände herausholte.
„Und Serg‘? Schon einen Plan, wie wir hier wieder rauskommen?“, fragte Hendriks und biss die Zähne zusammen, als der Sergeant ihm die Wunde verband.
Erneut explodierte eine Granate, dieses Mal näher an ihrer Deckung, Splitterfragmente zischten hörbar über sie hinweg.
„Wir haben gar keine andere Wahl, als zum Außenposten zurückzukehren“, antwortete er.
Die Idee gefiel ihm selbst nicht, da sie dann den Feind direkt in ihr Lager führen würden, aber es fiel ihm nichts Besseres ein. Der Sprengstoff war sowieso verloren und an ein erneutes Vorrücken war, zumindest mit seiner Truppe, nicht zu denken. Sie waren für einen Überfall ausgerüstet, nicht für ein Feuergefecht im Wald während der Dämmerung.
„Dann führen wir den Feind zu uns“, bestätigte Hendriks den Vorbehalt des Sergeants.
„Ja, aber wir haben keine Wahl. Kopf runter!“ Der Sergeant zog Hendriks gerade noch rechtzeitig herunter, als dieser über den Felsen spähen wollte. „Sie wissen, dass wir hier sind, und sie rücken immer weiter vor. Unsere letzte Chance ist, uns zu den Bäumen hinter uns zu kämpfen und zu versuchen, einen Vorsprung aufzubauen.“ Er drehte sich mit dem Gewehr und lehnte sich seitlich am Felsen vorbei, um ein paar Schuss in Richtung Feind abzugeben. Er glaubte, zumindest zwei von ihnen getroffen zu haben.
„Und dann? Wir haben nicht genug Männer, um den Ansturm, der folgen wird, aufzuhalten!“
Hendriks hatte Recht, das wusste der Sergeant. Ihr Außenposten war eigentlich zur Spionage gedacht. Dass ausgerechnet ihnen der Auftrag zugeteilt wurde, kam nur daher, dass er unkompliziert und leicht durchzuführen hätte sein sollen. Ein schwerwiegender Irrtum.
Der Sergeant überlegte fieberhaft, während die Rufe der feindlichen Soldaten lauter und der Beschuss ihrer Deckung intensiver wurde. Dann hatte er einen Einfall.
„Hendriks, ich habe einen Plan. Hör genau zu.“ In aller Eile erklärte er dem Soldaten seinen Plan und Hendriks nickte.
„Verstanden, Serg‘.“
„Gut, Towns und ich werden dir Deckung geben. Towns!“
„Ja, Sergeant!“
„Wenn ich Jetzt sage, wirst du eine Rauchgranate fallen lassen. Dann ziehen wir uns im Schutz des Rauchs hinter die Bäume zurück!“ Der Sergeant wandte sich nach rechts und gab den Befehl mittels Handzeichen an sein Team weiter und wartete auf dessen Bestätigung. „Also … Los!“
Towns und der Rest seines Teams zündeten die Rauchgranaten. Als der Rauch sich verteilte, eilte Hendriks, geschützt durch das Deckungsfeuer seiner Kameraden, in den Wald. Towns und der Sergeant zogen sich langsam mit dem Team hinter die Bäume zurück, immer wieder schossen sie durch den Rauchvorhang in Richtung der feindlichen Soldaten. Sie pressten sich hinter die Bäume, die Kugeln des Feindes schlugen in das Holz ein. Lange würden die Bäume nicht als Deckung funktionieren.
Der Sergeant prüfte das Magazin seiner Waffe. „Acht Schuss und ein Magazin. Wie sieht es bei dir aus, Towns?“
„Letztes Magazin!“
„Dann lass jeden Schuss sitzen! Wir müssen Hendriks Zeit verschaffen!“
Eine Zeit lang schafften sie es, den Feind in Schach zu halten. Zusätzlicher Rauch und gut gezielte Schüsse verhinderten ein schnelles Vorrücken der Soldaten. Letztendlich mussten sie sich aber zurückziehen. Verfolgt von den Rufen der Soldaten und der Kugeln, die ringsherum um sie in die Bäume und den Boden einschlugen, rannten sie im Zickzack von Baum zu Baum durch den Wald zurück. Immer wieder sah der Sergeant Soldaten zu Boden gehen, doch er konnte ihnen nicht mehr helfen.
Niemand konnte das, was folgen würde, noch aufhalten.
Er zog Towns mit sich, der durch einen Treffer ins Bein ins Straucheln geraten war. Zusammen brachen sie aus dem Dickicht hervor. In diesem Moment flogen aus dem Außenposten heraus große Gasflaschen über sie hinweg. Um diese Flaschen herum waren Sprengsätze angebracht.
„Lauf Towns, lauf!“, stachelte der Sergeant den Soldaten an und zog ihn weiter mit, jetzt über freies Feld, immer weiter auf den Außenposten zu.
Dann ertönte hinter ihnen aus dem Wald eine gewaltige Detonation, eine Druckwelle aus heißer Luft holte den Sergeant ein, stieß ihn nach vorne, ließ ihn zu Boden fallen, versengte ihm die Uniform und die Haare unter dem Helm.
Hustend und nach Luft schnappend drehte er sich auf den Rücken, er spürte ein Brennen in seinem linken Arm, den er kaum bewegen konnte.
Towns ging es auch nicht besser, sein rechtes Bein war verdreht, soweit der Sergeant das beurteilen konnte. Keiner der beiden war frei von Blessuren..
„Was … Was war das?“, fragte Towns, als er und der Sergeant auf eine gewaltige Feuersbrunst schauten, die sich vor ihnen auftat.
Dort, wo vor ein paar Sekunden noch der Wald stand, war eine Feuerhölle losgebrochen, vereinzelt liefen feindliche Soldaten, lichterloh in Flammen stehend, umher, bis sie endgültig von den Flammen verschlungen wurden. Kleinere Detonationen folgten von den Gasflaschen, deren Granaten wohl eine Fehlzündung hatten, die Detonationen rissen kleine Bäume um und sprengten Löcher in den Boden.
„Das, Towns“, er machte eine kurze Pause und schaute weiter wie gefangen auf das Inferno, „das war unser letzter Ausweg.“
Dann wurde die Welt um ihn herum schwarz.