Hinweis: Dieses Kapitel dient mir dazu, die Charaktere für mein Hauptwerk "Mondscheinserenade" zu entwickeln bzw. zu verfeinern. Falls ihr die hier vorgestellten Personen mögt, schaut doch mal rein!
~~~
Sie hatten wirklich Glück mit dem Wetter: Angenehme sommerliche Temperaturen, kaum Wolken am Himmel, eine sanfte Brise und der Wetterbericht sagte für die nächsten 24 Stunden keinen Regen voraus. Perfekt für ein Rudeltreffen! Die Kinder konnten im Garten spielen, die Nichtwerwölfe, das Kinfolk, eine kleine Party feiern und wenn das Rudel schließlich zurückkam, roch es nicht wieder überall nach nassem Hund.
Gemütlich schlenderte sie ins Gebäude hinein, durchs Wohnzimmer in die Küche. Sie liebte dieses Haus, obwohl andere seine Lage als bestenfalls akzeptabel bezeichneten. Doch was für Menschen eindeutige Nachteile waren – die lange Fahrt zu einer der größeren Städte in der Nähe, der geringe Grundstückswert und so weiter –, stellten für das Rudel wunderbare Vorteile dar. Natürlich schaffte sie es selbst mit der Hilfe der anderen nicht, das Haus komplett in Schuss zu halten – die Fassade bröckelte an einigen Stellen langsam ab, der Garten drohte ständig, weiter zu verwildern –, doch es hielt, bot eine funktionierende Küche, einen großen Wohnraum und viele Zimmer, die inzwischen alle Schlafzimmer waren. Und es verfügte über die große Doppelgarage und das Dickicht, das beständig und von allen Seiten versuchte, den Gartenzaun zu überwinden.
Ohne Grund, nur aus Gewohnheit, öffnete sie den Kühlschrank und sah hinein. Der unerwartete Anblick ließ sie lächeln: Julius war eine echte Bereicherung für das Rudel! Natürlich vor allem wegen seiner Persönlichkeit, aber bei Veranstaltungen wie diesen war es durchaus auch von Vorteil, einen Koch in den eigenen Reihen zu haben. Es war alles so vorbereitet, dass das Kinfolk kaum noch etwas tun musste, um morgen Abend ein wahres Festmahl auf die Tische zu bringen! Ausgesprochen praktisch, wenn so viele Leute erwartet wurden wie dieses Mal. Zu einem großen Rudeltreffen war immer das gesamte befreundete Kinfolk aus der Umgebung eingeladen.
Stimmen im Garten zogen ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sebastian war angekommen, zusammen mit seiner Gefährtin und seinem Bruder, und es gab ein großes Hallo hinten bei den anderen, die es sich im Schatten des Pavillons bequem gemacht hatten.
Die Neuankömmlinge hatten sie im Haus noch nicht entdeckt, sodass sie Gelegenheit hatte, sie in Ruhe zu betrachten. Auch, wenn Sebastian es gut verbarg, sah sie ihrem Stellvertreter doch an, dass er Sorgen hatte, und das beunruhigte sie. Es waren nur Kleinigkeiten, mit denen er sich verriet, aber sie kannte ihn nun schon einige Jahre und hatte viel Zeit mit ihm verbracht, um ihn all die Dinge zu lehren, die ein guter Leitwolf wissen musste. Dazu gehörte auch, über die Sorgen und Nöte der Rudelmitglieder informiert zu sein. Was beschäftigte ihn wohl?
Ihr Blick wanderte weiter und blieb an Adrian hängen. Er war üblicherweise ihr Sorgenkind, nicht Sebastian. Ob aus dem Jungen mal noch etwas werden würde? Er war ein freundlicher Wolf, stark und geschmeidig, stets bereit, sich Gruppenaktivitäten anzuschließen, treu und fröhlich. Doch was würde geschehen, wenn das Rudel wieder angegriffen würde? Adrian hatte das noch nie erlebt – doch sobald es so weit kam, würde er seine ernste Seite und seinen Mut unter Beweis stellen müssen. Er musste das Rudel verteidigen wie es ihn schützen würde. Doch er wurde noch nicht einmal als Mensch irgendeiner Verantwortung gerecht ... er war ein Lebenskünstler, ein Traumtänzer, ein Sonnyboy und Frauenmagnet. Weder bemühte er sich um eine Ausbildung noch um einen festen Job oder – was für eine Vorstellung! – eine richtige Beziehung. Er hangelte sich von Bett zu Bett, von Job zu Job, von Party zu Party. Ja, er war glücklich – aber irgendwann musste auch er erwachsen werden ...
Sie stutzte. Was hing sie denn nur solchen Gedanken nach, während das Rudel sich draußen versammelte? Ihre Eltern hatten ihr das Haus nicht hinterlassen, um darin Trübsal zu blasen! Es war von jeher dafür gedacht gewesen, ein Versammlungsort für das Rudel und ihr Kinfolk zu sein! Natürlich musste sie ihrer Verantwortung als Rudelführerin gerecht werden, sich über Sebastians Probleme oder Adrians Erwachsenwerden Gedanken machen, aber doch nicht jetzt – jetzt war Zeit zu feiern! Man wusste nie, ob solche Gelegenheiten wiederkamen, alle den nächsten Vollmond erlebten.
Entschlossen schnappte sie sich die bereitstehende Kühlbox, füllte Getränke hinein und ging nach draußen zu den anderen. Ihrem Rudel. Ihrer Familie.