»Mira und Theres haben uns eine Postkarte geschrieben.«
Kaj warf Schlüssel, Tasche und den restlichen Inhalt des Briefkastens auf den Küchentisch und streifte serle Jacke ab.
Lou blickte von seinem Kaffee auf. »Ach, sind die beiden nun endlich in den Flitterwochen? Von wo haben sie denn geschrieben?«
»Von Irgendwo.«
»Was?«
Kaj hielt Lou die Karte unter die Nase. Die Vorderseite enthielt keinen Hinweis auf ihren Ursprungsort – nur ein Lama mit Sonnenbrille und Poncho, über dem in goldglänzender Schreibschrift »No Problama« stand. Auch die Briefmarke, der Poststempel und der in Miras schwungvoller Handschrift verfasste Text ließen keine Rückschlüsse darauf zu, von wo ihnen die beiden geschrieben hatten.
»Ist ja witzig. Als wären sie an irgendeinen geheimen Ort gegangen, um ungestört zu sein.«
»Vielleicht sind sie ja in Narnia«, witzelte Kaj, heftete die Postkarte an den Kühlschrank und ließ sich mit einem Kaffee neben serlen Freund nieder.
»Ich glaube nicht, dass es da Lamas gibt.«
»Jedenfalls geht es ihnen gut, schreiben sie.«
»Wurde ja auch Zeit, dass sie mal hier rauskommen.« Lou lehnte sich zurück und streckte sich.
»Du meinst, weil unsere Kleinstadtidylle gar nicht mehr so idyllisch war, seit sie offen zu ihrer Beziehung gestanden haben?«
Lou schenkte Kaj einen vielsagenden Blick. »So ist das halt, wenn man nicht der Norm entspricht.«
»Pff, der Norm!« Kaj lachte auf. »Wenn die Leute mal genauer hinschauen würden, würden sie entdecken, dass die meisten Menschen nicht dieser sogenannten Norm entsprechen. Sie selbst nicht ausgenommen!«
»Es ist aber viel leichter, mit dem Finger auf jemandem zu zeigen, als vor der eigenen Haustür zu kehren.«
Kaj zuckte die Schultern. »Mir musst du das nicht erzählen.«
»Ja«, gab Lou zurück. »Ja, du hast recht.«
Er fuhr sich mit den Fingern über die Augen. »Tut mir leid, ich bin irgendwie müde und das mit Mira und Theres war so eine unschöne Geschichte. Ich bin froh, dass es den beiden jetzt gut geht.«
Seinel Freundon beugte sich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. Dann schenkte sel ihm ein aufmunterndes Lächeln. »Ich bin auch froh. Und wenn sie wirklich in Narnia sind, dann kann ihnen auf alle Fälle nichts passieren. Es sei denn, sie verärgern irgendwie die Weiße Hexe, aber die hat sicherlich andere Sorgen als ein süßes Pärchen in den Flitterwochen zu behelligen.«
Lou musste lachen. »Ich glaube, nicht mal dann hätten sie was zu befürchten. Mira ist furchteinflößender als jeder Löwe, wenn sie richtig sauer ist.«
»Auch wieder wahr!« Kaj stimmte in das Lachen mit ein und erhob sich wieder. Lou folgte serl mit dem Blick, während sel die Kaffeebecher in die Spüle räumte und sich dann gegen die Arbeitsplatte lehnte.
»Was machen wir denn noch mit dem angebrochenen Abend?«
»Abendessen?«
Kaj verdrehte grinsend die Augen. »Ja, klar. Aber danach!«
Serl Tonfall ließ keinen Zweifel daran, an was sel bei der Abendgestaltung dachte.
»Wir könnten mit dem Auto in die Stadt rein fahren und mal schauen, ob im MAZE was los ist«, schlug Lou vor und ging zu seinel Freundon hinüber. Er fasste Kaj um die Hüften und zog sel ganz nah an sich. »Oder …«, begann er und kam mit seinem Gesicht so nah an Kajs heran, dass ihre Lippen nur Millimeter trennten, »… wir bleiben hier und machen uns einen schönen Abend mit Pizza, Wein und einem netten Film, wenn du verstehst, was ich meine.«
Kaj schlang serle Hände um Lous Nacken und schmunzelte. »Na, na! Hast du etwa schmutzige Hintergedanken?«
»Bei dir? Immer!«, gab Lou zurück und küsste Kaj.
»Solange wir nicht Narnina gucken! Hab keine Lust, im entscheidenden Moment an Mira und Theres zu denken.«
»Keine Angst, ich werd schon dafür sorgen, dass du dann nur an mich und an nichts anderes denken kannst.« Lou küsste sich über Kajs Nacken bis hinunter zu serlem Schlüsselbein.
»Na, dann lass uns schnell Pizza bestellen, bevor du mich noch zum Abendbrot verspeist.« Kaj schob ihn lachend von sich und angelte nach dem Telefon.
»Bist halt unwiderstehlich«, gab Lou zurück und neckte seinel Freundon, während sel schon die Nummer vom Pizzadienst wählte. »Aber zugunsten einer Funghi mit extra Mozarella würde ich mich erst mal zurückhalten.«
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Du hast dich über die ungewöhnlichen Begriffe und Pronomen gewundert? Dann kanntest du womöglich noch nicht die geschlechtsneutralen Personalpronomen und Begriffe. Kaj ist eine nonbinäre Person, die sich weder als weiblich noch als männlich identifiziert. Daher habe ich das geschlechtsneutrale Pronom sel benutzt. Es gibt noch weitere Pronomen und im Zweifel könnt ihr die nonbinäre Person einfach fragen, welches sel bevorzugt. Ich mag sel am liebsten vom Klang, Aussehen und der Konjugation her und es ist auch Teil des verbreiteten del-on-sel-Systems. Informiert euch gern über geschlechtsneutrales Deutsch und nonbinäre Pronomen auf folgenden Seiten: