Im Anfang war das Nichts. Dann hob Kuuya die Spitze des Zeigefingers an die Lippen und hauchte einen Kuss darauf. Kaum dass Kuuya den Finger von den Lippen löste, entsprang ein Funke aus der Bewegung. Und aus diesem Funken gebaren sich die Dunkelheit und die Stille und die Zeit und sie breiteten sich heiß und rasend schnell im Nichts aus. Damals noch namenlos war das, was sich von diesem ersten Kuss so glühend verströmte, nichts Geringeres als das, was wir heute Universum nennen. Und dieser Funke – kaum entsprungen, schon verglüht – trug nicht nur einen ganzen Kosmos in sich. Auch das Leben und die Liebe brachte er in diese finstere neue Welt.
Die Zeit floss dahin. Die Hitze klang ab und die unsichtbaren Kräfte in der Schwärze erschufen Formen. Kleinste Teilchen schmiegten sich aneinander, suchten Halt in der grenzenlosen Weite, verschränkten und umarmten sich. Und dann, vereinzelt erst, glomm Licht im Dunkel. Die ersten Sterne flackerten auf. Und mit dem Licht erwachten die Götter.
Haltlos taumelnd in den unendlichen Weiten, scharten sie Licht und Staub und Gas um sich, um sich darauf zu betten und um sich daran zu erfreuen, was diese Elemente wohl Weiteres hervorbringen mochten. Sie versetzten große Staubwolken in Drehung und platzierten eines der Lichter in ihrer Mitte. Und sie sahen zu, wie die Staubwolken wirbelten und wirbelten und wirbelten und sich in ihren Tiefen schließlich dunkle Kugeln formten, die das Licht in ihrer Mitte wie auf festgelegten Bahnen umkreisten. Jung und ungestüm wie die Götter waren, gaben sie den Kugeln mal hier, mal dort einen Schubs und so kollidierten einige, vermischten oder zerstörten sich, mancher Zusammenstoß gebar kleinere Kugeln, die die größeren umkreisten wie treue Kinder. Und mit der Zeit regte sich etwas auf den Kugeln. Nicht auf allen, auf manchen nur, wenigen gar, doch es war nicht zu leugnen. Die Götter waren nicht mehr allein im Kosmos.
Doch weil es nur wenige Kugeln mit Leben gab, wurden manche Götter neidisch auf die anderen.
Die Gottheit Asu hatte stets bedächtig und sorgfältig ihr leuchtendes Sternenbett gehegt. Ruhig ging es zu und seit Äonen verlief alles darin in geordneten Bahnen. Liebevoll blickte Asu hinab auf die vielen bevölkerten Kugeln und erfreute sich an dem Treiben. Dabei wurde sie von der Gottheit Ton beobachtet. Tons eigenes Bett aus wirbelndem Gas und Staub hatte aufgeleuchtet, wild und intensiv, heller als irgendeines der anderen Sternenbetten, ihr ganzer Stolz war es gewesen. Doch nun war es verglüht und dunkel und dünn und beherbergte nicht einmal mehr genügend Materie, die es lohnte zu drehen. Nicht mehr lang und Ton musste sich eine neue Heimstatt suchen.
»Lass mich zu dir hinüber, Asu. Dein Bett ist groß und weit und bietet Platz für uns beide«, bat Ton daher. Doch Asu lehnte ab aus Sorge um die Geschöpfe, die unter ihrer Fürsorge heranwuchsen. Asu hatte gesehen, was in Tons Sternenbett geschehen war.
Ton, wütend über die Ablehnung, überlegte, wie diese Schmach heimzuzahlen sei. Schließlich lehnte Ton sich erneut hinüber.
»Lehre mich, Asu! Ich möchte es auch noch einmal versuchen. Diesmal möchte ich es besser machen. Du hast es geschafft, bitte sei so gut und zeige mir, wie man es macht.«
Asu konnte dagegen nicht viel sagen und erlaubte, dass Ton herüber käme und lernen konnte.
Doch Ton sprang mit einer solchen Wucht auf das benachbarte Sternenbett, dass alles aus den Fugen geriet. Einzelne Sterne flogen mit allen Kugeln, die sie umkreisten, davon. Andere Sterne verloschen sofort. Einige Kugeln schossen allein in die unendliche Schwärze, die sie umgab und überhaupt drohte sich alles ins Chaos zu zerstreuen. An den meisten Orten verging das Leben und es wurde öd und karg auf den Kugeln.
»Wenn ich schon nicht das Leben haben darf, dann sollst du es auch nicht haben!«, tobte Ton.
Asu unterdessen versank in tiefer Trauer über den Verlust ihrer geliebten Heimstatt und all ihrer Wesen. Verzweifelt streckte Asu die Arme aus, versuchte, die auseinander stiebenden Fragmente einzufangen, wieder in ihre Bahnen zu lenken, doch Ton wirbelte wütend durch die Scheibe und gab sich größte Mühe, sie gänzlich zu zerstören.
Da ließ sich Asu hinab sinken in das, was von ihrem Bett übrig geblieben war, und verwandelte sich in ein milchiges Band, das mit aller Kraft die verbliebenen Sterne und Kugeln zusammenhielt. Ein Band, das in jeden Zwischenraum, jede Ritze, jede Zelle floss und sie umarmte. Asus Tränen fielen auf die Kugeln hinab und färbten manche blau, andere, weit entfernte weiß, wieder andere hüllten sie in dichten Nebel.
Ton tobte noch eine Weile, doch als die Gottheit merkte, dass nichts mehr auszurichten und Asu verschwunden war, zog sie sich auf ihre eigene finstere, dünne Wolke zurück.
Das Sternenbett von Asu aber blieb zurück, ganz zerfasert und ausgedünnt – und doch nahm es bald schon seine geordnete Bewegung wieder auf und drehte sich wie schon Äonen zuvor. Wie eine Spirale mit dünnen, leuchtenden Armen schwebte es in der Schwärze, fest zusammengehalten und geschützt von Asus milchigem Band.
Und auf einer der Kugeln, weit außen in einem der Arme, auf die eine besonders große Träne gefallen war und die von einer kleinen weißen Kugel begleitet wurde, dort hielt sich das Leben bis heute.
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Ich bin innerhalb der 60 Minuten nicht ganz fertig geworden, wollte aber auch nicht mittendrin aufhören. Insgesamt habe ich etwa 71 Minuten gebraucht.