Zwei Wochen Sommer, Sonne, Zärtlichkeit. So oder so ähnlich. Darauf hatten sie sich geeinigt. Wenn sie sich danach immer noch gut verstanden, wollten sie es dauerhaft miteinander versuchen.
Emil seufzte, als er die Schnappverschlüsse seines Koffers zudrückte. Vierzehn Tage Mauritius – schön und gut. Aber wenn es nicht klappte, würde das wohl keine Bewährungsprobe und schon gar kein Cocktailschlürfen werden, sondern eine Zerreißprobe für seine Nerven. Was hatte ihn neben den zwei Mai Tais und diesen verdammt dunklen braunen Augen seines Gegenübers geritten, diesem Plan zuzustimmen? Was auch immer es gewesen war – Jetzt musste er da durch.
Ein Hupen vor dem Haus holte ihn aus seinen Gedanken. Ein schneller Blick aus dem Fenster bestätigte ihm, dass sein bestelltes Taxi soeben angekommen war. Emil sammelte seine Siebensachen zusammen, griff nach der leichten Sommerjacke am Garderobenhaken im Flur und warf einen letzten prüfenden Blick zurück. Alles dabei, nichts vergessen. Er schloss sorgsam die Wohnungstür ab, warf den Zweitschlüssel in den Briefkasten seiner Nachbarin und war kurz darauf auf dem Weg zum Flughafen.
Toni erwartete ihn schon freudestrahlend und winkend am Terminal. Auch er hatte nur einen kleinen Koffer dabei – sie würden also problemlos mit Handgepäck durch die Sicherheitskontrolle gehen können und brauchten nicht Stunden am Check-in-Schalter warten.
»Guten Morgen, Emil!«, rief Toni, als Emil ihn fast erreicht hatte. »Ganz schön früh, was?«
»Morgen … früh ist gar kein Ausdruck. Ich musste zu 'ner Zeit aufstehen, da bin ich am Wochenende noch nicht mal zu Hause im Bett.«
Toni lachte. »Na ja, dafür waren die Flüge unschlagbar günstig.«
Wie selbstverständlich legte er Emil einen Arm um die Hüfte, als sie sich zum Gehen wandten. Unangenehm war das nicht, doch so viel Vertrautheit hatte Emil noch gar nicht erwartet. Immerhin kannten sie sich erst seit ein paar Tagen. Andererseits hatten sie spontan beschlossen, gemeinsam in den Urlaub zu fliegen. Innerlich zuckte Emil die Schultern und ließ es geschehen. Unangenehm war Tonis Berührung wirklich nicht.
Nach den üblichen Striptease bei der Sicherheitskontrolle – Toni musste tatsächlich seinen Gürtel ablegen, doch leider rutschte seine Hose danach keinen Millimeter nach unten, warum trug er dann überhaupt einen Gürtel? – vertrieben sie sich die Zeit in den überteuerten Duty Free Läden, füllten sich Wasser in die mitgebrachten Halbliter-Flaschen und scherzten über die zombiehaften Gestalten, die sich zu dieser frühen Morgenstunde durch die Gänge vor den Gates schleppten. Wie im Flug verging die Zeit und schon saßen sie nebeneinander in die engen Economy-Sitze gequetscht und warteten darauf, dass das Boarding abgeschlossen war.
»Was machen wir die elfeinhalb Stunden lang?«, fragte Toni und kramte nach seinem Handy. Als er es gefunden hatte, aktivierte er den Flugmodus und sah Emil dabei zu, wie der Kaugummis, ein Buch und eine Schlafbrille in dem Netz an seinem Vordersitz verstaute.
»Ich guck meistens einen der Filme, wenn etwas Akzeptables dabei ist. Ansonsten esse oder schlafe ich. Was hast du denn vor?«
Für eine Sekunde dachte Emil, Toni wollte gern Mitglied im Mile High Club werden, doch dann war der lüsterne Ausdruck in seinen dunklen Augen verschwunden und er grinste.
»Kein Plan. Im Gegensatz zu dir bin ich null vorbereitet. Ursprünglich wollte ich die Zeit nutzen, um dich besser kennenzulernen, aber eine Mütze Schlaf könnte ich, ehrlich gesagt, auch vertragen.«
»Lass uns das mit dem Kennenlernen doch auf nach dem Frühstück verschieben. Immerhin haben wir noch ganze zwei Wochen Zeit dafür. Oder noch länger.«
»Stimmt.« Toni hob den Daumen und suchte sich eine bequeme Sitzposition. »Auf ein spannendes Abenteuer in der Südsee!«
Schon nach zwei Tagen, die sie zwischen dem traumhaften Strand, der Cocktailbar und dem Hotelbett gependelt waren, war sich Emil sicher: Er verstand sich definitiv mehr als gut mit diesem Mann. Er bemühte sich zwar, es nicht allzu deutlich zu zeigen, doch mit jeder Minute, die sie miteinander verbrachten, wurde es für Emil schwieriger, sich ein Leben ohne Toni vorzustellen. Und das nicht nur, weil Toni wahnsinnig gut aussah, wenn er gerade aus dem azurblauen Meer zu ihm an den Strand kam oder weil sie im Bett so wunderbar miteinander harmonierten. Toni war ein Gentleman, er war lustig und auch ein bisschen verplant – immerhin hatte er zwanzig Boxershorts dabei, aber nur zwei T-Shirts.
»Ich dachte, wir sind eh die ganze Zeit am Strand oder im Bett!«, hatte er daraufhin gesagt und eigentlich war es ja auch so. Aber innerhalb des Hotels und beim Bummel durch den Ort war angemessene Kleidung Pflicht. So kam Emil am dritten Tag in den Genuss, Toni in einem geliehenen Shirt bewundern zu dürfen. Allerdings hieß das auch, dass sie alle drei Tage den Waschservice in Anspruch nehmen mussten. Oder sie würden für Toni ein paar Shirts kaufen müssen.
»Wenn das so weitergeht, wird das wohl eher eine Bewährungsprobe für unseren Geldbeutel«, lachte Toni und ließ sich neben Emil aufs Handtuch in den Schatten einer großen Palme fallen.
»Ach, kein Problem, dann lassen wir einfach mal den einen oder anderen Cocktail weg«, erwiderte Emil und beobachtete ein paar Wassertropfen dabei, wie sie sich ihren Weg über Tonis Brust suchten.
»Auf gar keinen Fall!«, protestierte Toni sofort. »Eher lauf ich den ganzen Tag oben ohne rum als dass ich mir meine Margaritas vom Munde abspare!«
»Mir auch recht.« Emils Grinsen zeigte deutlich, dass er auf diese Antwort gehofft hatte.
Nur eine Sekunde später fand er sich rücklings aufs Handtuch gedrückt wieder, Toni beugte sich über ihn und sah ihm tief in die Augen. Wassertropfen lösten sich aus seinen Haaren und von seiner Haut, prickelten angenehm auf Emils Oberkörper.
»So, so! Du willst mich also die ganze Zeit nackt sehen, ja?«
»Von mir aus gern, ja!«
»Pass auf, was du sagst«, lachte Toni und hauchte einen Kuss auf Emils Lippen. »Sonst wird das hier ganz schnell eine Bewährungsprobe für meine Beherrschung. Und glaub mir, Sand in jeder Körperritze zu haben, ist echt unangenehm!«
»Dann lass uns doch für heute zusammenpacken und noch ein bisschen ins Hotel gehen, bevor wir es uns an der Cocktailbar gemütlich machen.«
»War das eine Einladung?«
Emil lächelte kokett. »Also, mit meiner Beherrschung war es schon vorbei, als du aus dem Wasser kamst. Und ich hab wirklich ungern Sand überall dort, wo er nicht hingehört.«