Monster Stufe 2 - "Zombienen"
Probier bloß nicht den Honig.
Schlimme Dinge: Lege einen Gegenstand ab.
Ziehe einen Schatz
Als sie zurückkam zu den anderen, hatte sie ein Déjà-vu.
Der Krieger, den sie mittlerweile unter seinem vollen Namen: Fyrste Halfdan kannte - was schon ein wirklich imposanter Titel war - pflegte sein Arsenal, allen voran seine Waffen. Von Yoannis, dem Priester und Tarje, dem Jäger, der sein Geliebter war, fehlte jede Spur. Wahrscheinlich hatten die beiden wieder die Gunst der Stunde genutzt und waren ’Holz sammeln’ gegangen. Wer’s glaubte - Holz sammeln, wie sollten sie das denn bewerkstelligen, wenn der Eine sich an dem anderen festklammerte und der wiederum einen dicken Baum umarmte?
Man hätte glatt annehmen mögen, Key wäre ein klein wenig untervögelt. Aber vielleicht war das bei Orkfrauen ja so. Vielleicht waren das ja die reinsten Nymphomaninnen.
Magier Cranis hielt anscheinend ein kleines Powernapping auf seiner Tasche, in der auch das Kästchen von Nörgel aufbewahrt wurde. Da sich Key aber nicht für einen guten Dieb hielt, versuchte sie gar nicht erst darüber nachzudenken, den kleinen Mann zu befreien.
»Wo ist deine Wache?«
Sie hob den Kopf und watschelte ungelenk zu ihrer Matte.
»Hab’ ich im Bach ertränkt.«
Der Krieger schien nicht beeindruckt und hob gleichgültig die Schultern. Die Orkin war nicht zickiger als sonst. Jedoch zum Frieden bereit.
»Halfdan?«, setzte sie an und zuppelte sein Nachthemd zurecht.
»Hm?«
Sie seufzte theatralisch und ein wenig wegen der Krämpfe. Aber vor allem theatralisch: »Was weißt du über Orks?«
Es dauerte eine Weile bis er seine Handarbeit beendet hatte und dann wie eine antike Philosophenstatue die Faust unters Kinn legte und nachdenklich zur Seite blickte. Als sie schon nicht mehr damit rechnete, erschien ihr seine Antwort aufrichtig.
»Nicht viel. Es sind zänkische Schweinewesen.«
Das war nicht das, was sie hatte hören wollen. Aber das war wohl wirklich alles, was sie erhalten würde. Es sei denn sie löcherte Cranis, damit der sein schlaues Buch aufschlug.
»Von Schweinen weiß ich nur, dass sie halbstündige Orgasmen haben.« Key fand das lustig. Sie ließ sich Zeit, ehe sie ihm einen Blick zu warf. Anscheinend starrte er sie seit der Antwort an mit einem Gesicht, aus dem alles heraus gefallen war. Sie fing an zu kichern.
»Du scherzt!«
Sie lachte noch lauter und konnte nicht verhindern, dass sie dabei die Luft einsog und Grunzlaute verursachte, für die Heidi Klum das Foto verweigert hätte.
Erst nach und nach trudelten die anderen wieder ein. Mit Holz - welch Überraschung! - mit einem Korb voller Salat und Raoul doch tatsächlich mit einem kleinen Kessel voll Bachwasser. Die Stimmung war ein wenig gedrückt. Immerhin musste man(n) ja nicht halten, man(n) nahm ja nur Rücksicht.
Dass sie hier nur die Nebenrolle war, spürte Key deutlich, als die Kerle sich zusammenhockten und eine Lagebesprechung abhielten. Ohne sie aufzufordern daran teilzuhaben. Aber sie machte sich nichts vor, sie hätte ja eh nichts beitragen können.
Die Helden besprachen sich außerdem so leise, dass die Orkin kaum etwas verstand. Von Tarje und Yoannis hörte man sowieso nichts, selbst wenn man sich angestrengt hätte, denn sie öffneten den Mund nicht. Ihre Teilnahme am Thing bestand darin zu nicken oder den Kopf zu schütteln, aber größtenteils zu nicken. Wortführer war Halfdan, dessen Opposition Raoul stellte. Und Cranis, der die nötigen Hinweise lieferte mit denen die beiden debattierten.
»Drei Tage sind eine große Verzögerung. Wenn wir Pech haben -«
»Wir haben Pech, seitdem das Ferkel bei uns ist!«
»Raoul, lass Cranis aussprechen.« Er bedeutete dem Magier fortzufahren.
Grummelnd verschränkte der Schurke die Arme, so weit schien sein Mitleid nicht zu reichen.
»Also, ehe ich so rüde unterbrochen wurde, wollte ich anmerken, dass wir durch die Verzögerung nicht mehr zu hoffen brauchen, als erste Gruppe zuschlagen zu können.«
Halfdan kratzte sich am Hinterkopf: »Mit wie vielen anderen rechnest du?«
Raoul knurrte: »Wahrscheinlich können wir uns den Weg ohnehin gleich schenken.«
»Dadurch dass unser Zielgebiet doch recht abgelegen liegt und wir zufällig schon am Rand des Norder-Pfunds-Berglandes aufgebrochen sind, hätten wir einen echten Streich landen können. Wir können davon ausgehen, dass wir die einzigen in diesem Gebiet waren. Vor zwei Wochen sind alle gen Süden gezogen zum Wolkendbruch.«
Gehässig platzte dem Schurken raus: »Ja, da haben wir viele Punkte liegen gelassen, nur um uns um diese kleinen Murmel-Plagen hier zu kümmern, für, wie ich anmerken darf, viel zu wenig Schätze.«
Die schwere Pranke des Kriegers versuchte ihn zu besänftigen: »Klein-Vieh macht auch Mist. Die Chance da unten was abzukriegen war zu gering. Die letzte Aufgabe konnten wir auf jeden Fall erledigen ohne Schwierigkeiten.«
Wäre die Orkin nicht dazwischen gekommen, könnten sie jetzt zu ihrer nächsten Aufgabe durchmarschieren und hätten wirklich einen echten Treffer landen können, ehe jemand anderes in Reichweite gewesen wäre.
»Prognose, Cranis?«
Mit einer raschen Bewegung schlug der Magier sein Notizheft auf, er studierte seine Niederschriften geduldig, ehe er antwortete.
»Die üblichen schnellen aber zu jungen Mannschaften. Ich gehe davon aus, dass sie scheitern werden, selbst wenn sie vor uns da sind. Allerdings erwarte ich mindestens vier der uns gleichrangigen Korps. Meiner letzten Information nach hat König Karl den größten Erfolg erzielt beim Wolkenend. Allerdings hat es seine Truppe auch völlig aufgerieben, bis die wieder zugfähig waren, dürfte es gedauert haben, schätze die sind, wenn, dann jetzt erst aufgebrochen. Die Zwillinge waren der letzten Information nach, ebenso wie wir, zu einem Rätselabenteuer ohne Punkte nach Westen aufgebrochen.«
Raoul schlug sich die Faust in die andere offene Hand: »Das ist gut!«
»Ja, die beiden können wir also getrost vernachlässigen.«
Halfdan schien besorgt: »Das heißt, wir rechnen mit?«
Ein langgezogenes Seufzen: »Die Schlangen aus Dorn.«
Raoul verzog das Gesicht.
»Optimus und seine Schildplatten.«
Yoannis gab ein Keuchen von sich, während der Krieger keine Miene verzog und sich die anderen aufzählen ließ. Beim Namen der letzten Gruppe blickte Cranis jedoch Raoul an.
»Und Bul Hur.«
Das war der Moment in dem sich Tarje zackig umdrehte und davon machte. Er hatte gehört, was wichtig war. Alles Weitere interessierte ihn nicht länger. Nur für das Protokoll rief Halfdan ihm nach: »Tarje, übernimmst du bitte die Sicherung des Lagers?«
Der Jäger hob im Gehen seinen Bogen und schlug sich lautlos in die Büsche. Yoannis blickte ihm mitfühlend nach, wandte sich dann jedoch ebenfalls ab. Während er sich drehte, schenkte er Key ein aufmunterndes Lächeln. Seine Hände rieb er besorgt aneinander, öffnete sie erst wieder, als er nach dem Löffel griff, mit dem er den Sud im Kessel rührte. Verschiedene Blätter hatte er dort hinein geworfen, die das Wasser bräunlich verfärbt hatten inzwischen und er schöpfte von dem Tee etwas in eine Tasse.
Mit dieser kam er dann zu der Orkin und hielt sie ihr hin. Am Rand waren die anderen Drei stehen geblieben und besprachen weiter, wie ihre Pläne aussehen würden, je nachdem, auf wen sie treffen würden.
»Trink das. Ich weiß nicht, ob es bei Orks dieselbe Wirkung haben wird. Aber das werden wir nur heraus finden, wenn du es versuchst.«
Key hielt den Becher unschlüssig in ihren Fingern und roch daran. Ihre Nase ließ ihren Kopf wissen, dass es appetitlich roch. Obwohl man mit Medizin ja in der Regel andere Merkmale verband. Ihr Argwohn gegenüber den Männern war jedoch komplett gewichen. Sie musste ihnen vertrauen und ausgerechnet Yoannis würde sie kaum mit einem Fliegenpilztee vergiften. Daher nippte sie von dem Gebräu. Honigsüß schmeckte es im ersten Moment, im Abgang jedoch bitter wie es sich gehörte. Sie verzog den Mund, entblößte zu einem blutrünstigen Lächeln die Hauer und kniff die Augen zusammen.
»Lecker«, glatt gelogen.
Yoannis lächelte. Sie wusste, dass er wusste, dass sie nur schmeichelte. Höflichkeit aber galt ihm viel und so sah er darüber hinweg. Die gute Absicht zählte. Er konnte es sich an einer Hand abzählen, dass sie sich große Mühe gab, freundlich zu sein, eine brave Patientin zu mimen.
Kaffee hätte sie diesem Kräutertee ohnehin definitiv vorgezogen. Nur bloß bitte nicht aus diesen Nüssen.