Pakhet atmete auf, als sie aus dem Keller hervorkam. Es war ein „normaler“ Laden gewesen, soweit Magierläden normal sein konnten. Es hatte ein paar Artefakte und Tränke gegeben. Und eine alte Magierin, die Bestellungen angenommen hatte. Auch wenn die Preise – wie für Magie üblich – hoch waren, so hatte Pakhet in Auftrag gegeben, was sie brauchte. Sie würde es vor dem nächsten Tag nicht haben.
Es war mittlerweile kurz vor acht.
„Jetzt mussten Sie zu diesem Starbucks, richtig?“, fragte Weiwen mit einer professionell distanzierten Freundlichkeit.
Pakhet nickte. Sie hatte das Armband mit dem Schutzzauber, das sie gekauft hatte, auf ihrem rechten Arm hängen. An ihrem linken Armstumpf hing nur ihre Notfallprothese, die nicht besonders überzeugend aussah und lose im Ärmel der Jacke schlackerte.
Sie wünschte sich, dass es besser würde mit der Technologie. Und von allem was sie gehört hatte, gab es Fortschritte. Doch gerade der Kampf gegen Li … vielleicht wäre es besser gewesen, hätte sie beide Arme gehabt.
Allerdings würde sie sich nicht der Arbeit für einen Gott oder Geist verpflichten, wie der Drache es ihr angeboten hatte.
Unwillkürlich rieb sie sich ihre Schulter. Sie hatte sich daran gewöhnt. Sie war auch so gut. Sie war eine gute Kämpferin. Gut genug, um zu kompensieren.
Und sie durfte sich durch diese Gedanken nicht ablenken lassen. Es war gruselig. Im Moment schwirrten ihre Gedanken so sehr. Es war echt eine beschissene Idee, sich so noch einmal mit Li anzulegen. Wenn sie im falschen Moment ein Flashback oder einen Panikanfall bekam, würde sie nur wieder in dieser Situation enden.
Sie saß auf dem Beifahrersitz neben Weiwen, während diese vorsichtig wieder aus der Gasse, Seitenstraße oder wie auch immer man es hier nannte herausfuhr. Dann gliederte sie sich in den normalen Verkehr auf einer weiteren Straße ein.
„Sind Sie sicher, dass es eine gute Idee ist, sich noch einmal mit Mr Li anzulegen?“, fragte die junge Frau, als würde sie Pakhets Gedanken erahnen.
Pakhet atmete tief durch. Sie war ihr eigentlich keine Antwort schuldig. Immerhin arbeitete Weiwen nur für sie. Wahrscheinlich war auch das der Grund, warum sie überhaupt fragte. Dennoch … vielleicht weil Weiwen zu sehr, wie die kleine Stimme in ihrem eigenen Kopf klang, antwortete sie: „Es war mein Auftrag. Und jetzt ist es persönlich.“
„Persönlich?“, fragte Weiwen, als würde sie das Wort nicht verstehen.
Pakhet hielt inne. „Er hat mich verletzt. Ich werde ihn verletzen. Das …“ Sie runzelte die Stirn. „Ich könnte es mir sonst nicht verzeihen.“
Weiwen hielt inne, nickte dann aber. Sie sah in ihrer weiten, häuslich wirkenden Kleidung nicht wie jemand aus, der mit Magie und der Unterwelt zu tun hatte.
Während sie weiterfuhren, starrte Pakhet aus dem Fenster. Neonleuchtende Schilder rauschten oder schlichen draußen entlang, bis Weiwen erneut abbog. Dieses Mal zu einer Tiefgarage. Ein weiterer Ort für Panikattacken. Großartig.
Natürlich sagte Pakhet nichts. Sie presste ihre Lippen aufeinander, verfluchte sich und die Situation, verfluchte Li und stieg aus, als sie auf der fünften Ebene einen Parkplatz fanden. Die Luft hier unten war schlecht, selbst wenn alle Lampen leuchteten.
„Sie sind angespannt“, stellte Weiwen fest, als sie Pakhet zum Aufzug führte.
„Ja.“ Mehr fiel Pakhet zur Antwort nicht ein.
„Soll ich einen Beruhigungszauber sprechen, wenn wir zurück sind? Sie werden so nicht schlafen können.“
Darüber hatte Pakhet auch schon nachgedacht. Sie mochte Schlafzauber und dergleichen nicht, waren sie doch auch eine Form von Geistesmagie. Lieber hätte sie klassische chemische Schlafmittel bevorzugt, doch war sie nicht sicher, ob sie hier eine Wahl hatte. „Später“, erwiderte sie nur.
Sie stiegen auf ebener Straße aus dem Aufzug aus und standen tatsächlich bei einer Straßenbahnstation.
„Sie werden allein reingehen?“, fragte Weiwen.
Pakhet nickte. Sie konnte die Identität ihres Auftragsgebers nicht gefährden. Zumindest soviel Professionalität sollte sie behalten. „Ist es in Ordnung für Sie zu warten?“, fragte sie.
„Ja. Sie haben ein Telefon, ja?“
Erneut nickte Pakhet und holte ihr Handy hervor. Wahrscheinlich war es ohnehin nicht dumm Weiwens Nummer zu speichern, selbst wenn sie damit wohl dieses Handy am Ende des Auftrags verbraucht hätte. Nun. Das war es wohl wert.
So ging sie keine Minute später zur Treppe, die in die eigentliche Station und zum Starbucks führte.