Dieses Mal war sie nicht schnell genug. Einer der Schüsse traf sie – dankbarerweise jedoch an ihrer linken Schulter, an der nur ihr ohnehin recht nutzloser Armstumpf hing. Als sie nicht zu Boden ging, spannte sich der Finger des Mannes erneut an. Er war nur drei Meter von ihr entfernt. Nun dass er sie klar sah …
Sie sammelte ihre Energie und sprang. Mit dem einen Sprung erreichte sie ihn, verhinderte jedoch dennoch nicht, dass sein nächster Schuss sie in die Seite traf. Nicht gefährlich, aber schmerzhaft. Dieses Mal landete ihr Messer in seiner Brust. Mit ihrem Schwung riss sie ihn zu Boden, brachte ihre Knie zwischen sich und ihn. Noch einmal stach sie auf ihn an, als er in Wasser platschte, dieses Mal in seine Kehle. Dann hob sie seine Waffe auf.
Wieder nahm das Wasser, das nun ihre Füße umspülte, diese viskose Eigenschaft an. Scheiße. Wo war der eigentliche Kern des Geistes?
Sie hob die Waffe, wohl wissend, dass es nichts brachte. Sie hatte nicht das Geld gehabt für einen Schutz gegen Geister und hatte zugegebenermaßen nicht damit gerechnet.
„Li!“, brüllte sie ins Haus. „Hast du so viel Schiss vor mir, dass du dein ganzes Haus unterwasser setzt wegen mir?“ Sie wusste nicht, wo er war. Wahrscheinlich versteckte er sich noch immer im Keller. Aber irgendwie musste sie ihn herauslocken. „Ich fühle mich geirrt.“
Sie versuchte den Fuß anzuheben. Vergeblich. Das Wasser war wie Treibsand, hielt sie an den Boden gefesselt und strömte nun ihren Körper hinauf. Verflucht. Das war nicht gut.
Sie hielt die Waffe vor sich, während ihre Gedanken rasten. Was konnte sie tun? Sie hatte zwar noch einen einfachen Schutzzauber, doch dieser war nur als Schutz gegen Waffen und Zauber, wie der, den Li vorher an ihr versucht hatte. Gegen einen Elementargeist ganz offenbar sinnlos.
Ihr Blick wanderte durch den Raum. Gab es etwas, woran sie sich festhalten konnte? Sie musste Li ausschalten, bevor dieser Geist sie erledigen konnte.
Sie sammelte all ihre Energie in den Beinen, in der Hoffnung sich so aus der zähflüssigen Wassermasse befreien zu können. Dann stieß sie sich ab.
Für einen Moment schien es, als würde das Wasser sie nicht loslassen, doch dann durchbrach sie das Wasser doch. Sie sprang, landete auf dem Tisch und fixierte die Tür, aus der sie vorher gekommen war.
Ach, was würde sie dafür geben, eine richtige Magierin zu sein? Magie konnte Geister verletzen. Anders, als ihre Möglichkeiten. Aber verdammt, sie musste in den Keller zurück. Sie musste Li ausschalten. Ob sie sich am Türrahmen festhalten konnte?
Schon kroch das Wasser in dünnen Fäden die Tischbeine empor. Was hatte sie für eine Wahl? Sie steckte die Pistole weg, sprang, streckte die Hand nach dem oberen Ende des Türrahmens aus. Irgendwie bekam sie ihn zu fassen, schwang sich weiter und landete am Ende des Flurs.
Auch hier war der Boden mit Wasser benetzt, doch sie schaffte es erneut zu springen, bevor es sie greifen konnte.
Eine der Leichen lag auf der Treppen, war wahrscheinlich vom Wasser mitgezerrt worden. Pakhet setzte über den Körper hinweg, schwang sich am Geländer herum und landete am Rand des Pools. Li sah sie. Ob ihr Zauber aufgehört hatte zu wirken oder er einen Gegenzauber parat gehabt hatte, vermochte sie nicht zu sagen. Seine Augen weiteten sich. Er rief etwas, das mit dem Schwappen von Wasser beantwortet wurde.
„Du feiges Arschloch“, knurrte sie. Die Droge war in ihrer Innentasche. Aber verdammt, sie hatte nicht die Zeit.
Er erwiderte nichts, sah sie an. Sein Blick spiegelte noch immer Angst und Hass wieder.
Wasser schwabte die Treppe hinunter, ließ ihr keine Zeit. Sie sprang, um den Boden so wenig wie möglich zu berühren, entging damit einer Welle, die in den Pool zurückschwappte. Dann zog sie die geklaute Waffe, landete auf dem einen kleinen Sprungbrett am Beckenrand.
„Nein!“, rief Li, doch es war für ihn zu spät. Sie schoss.
Im nächsten Moment ergriff das Wasser sie, zerrte sie in den Pool. Hart schlug sie mit dem Kopf gegen den Beckenboden. Ein wenig Luft wurde aus ihrer Lunge gedrückt. Wie eine unsichtbare Hand griff der Geist nach ihr, drückte sie weiter herunter, hielt sie fest. Sie bekam keine Luft mehr. Der Geist versuchte das letzte Bisschen aus ihr herauszudrücken.
Da waren wieder schwarze Punkte, die in ihrem Sichtfeld tanzten.
Und dann verschwand der Druck plötzlich.
Pakhet brauchte einen Moment, um zu begreifen. Wild wedelte sie mit ihrem Arm durchs Wasser, bis sie die Orientierung wiederfand. Sie stieß sich vom Boden ab und durchbrach einen Moment später die Wasseroberfläche.
Keuchend sog sie die Luft ein. Sie hustete, schaffte es aber sich irgendwie zum Beckenrand zu paddeln.
Sie hatte Recht gehabt. Der Geist war nicht gebunden gewesen und hatte offenbar selbst nicht genug Lust, sich um sie zu kümmern. Sich an den Rand des Pools klammernd, sah sie sich um. Lis toter Körper lag auf der anderen Seite der nun trügerisch stillen Wasserfläche.
Mühsam zog sich sich aus dem Wasser. Für einen Moment erlaubte sie es sich, am Beckenrand sitzenzubleiben. Ihr Kopf dröhnte. Vorsichtig strich sie sich mit der Hand über den Hinterkopf und war nicht überrascht, als ihre Hand blutig zurückkam. Sie musste sich den Kopf am Boden aufgeschlagen haben.
Dennoch zwang sie sich aufzustehen und ging zu Li hinüber.
Er war nach hinten gefallen. Seine Augen starrten zur Decke.
Verdammt. Eigentlich hatte sie ihn langsam töten wollen. Aber offenbar sollten sie beide nicht bekommen, was sie wollten.
Sie schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Sie sollte von hier weg, bevor noch Verstärkung herkam.
Ihr Blick glitt zu den anderen Leichen. Da war dieses drückende Gefühl in ihrem Magen. Diese Menschen hätten nicht sterben müssen. Doch sie hatte es sich anders nicht leisten können …