Für alle die, es noch nicht gesehen haben.
Und so stehe ich also da, in meinem Rollstuhl und schlage vor, dass alle, die Lust haben, mal hoch gehen, denn selbst wenn der Eintritt heute, weil Montag, nicht möglich ist, wäre das in jedem Fall eine sportliche Herausforderung.
„Schade, dass zu ist“, vermerkt Steffi im Gehen, und wirft die Haare zurück, „ich hätte euch gerne die Gruft gezeigt. Wo sich der Friedrich Wilhelm mit seinen Hunden...“
„Mit seinen Hunden?“, Thomas klingt entgeistert.
„Mit eben denen“, trällere ich belustigt und ziehe Tom Richtung Friedenskirche, „Sagt viel über einen Menschen aus, was?“
„Wad“, heißt das hier“, nuschelt Jan.
„Watt? Aber Watt haben wir doch an der Nords..“
„Komm Nicki“, Steffi nimmt die Hand ihres Jüngsten, „Ich erkläre es dir unterwegs.“
Und so entschwinden sie unserem Gesichtsfeld, bis wir sie nur noch als kleine Punkte auf einer überdimensionierten Treppe ausmachen können. Wir spazieren umher, entdecken im Hof der Kirche große Ähnlichkeiten mit dem Kreuzgang zum Kloster Fossanova im Latium, nahe Frosinones.
„Eine protestantische Kirche. Sieht seltsam aus.“
„Wirkt ja sowieso wie aus der Landschaft geschnitten und an falscher Stelle eingeklebt. Ist ja ein protestantischer Landstrich hier. Aber die Kirche, in der ich getauft wurde, war auch protestantisch...“
„Das Beduinenhaus“, wir prusten drauf los und suchen wie nebenher nach einer öffentlichen Toilette, wie sie überall auf dem Park-Plan eingezeichnet sind, und die Behinderten-WCs aufweisen sollen.
Wir finden gar nichts, aber es pressiert noch nicht.
Was pressiert, ist der Himmel, an dem sich im Westen die Wolken verdichten. Zurück vors Schloss ergattern wir eine Marmorbank in Marmornische und ziehen Marmormienen, derweil wir versuchen, dort oben unsere Freunde zu lokalisieren. Ich erkenne Steffi, aber nur an ihrer langen, weißen Strickjacke.
Sie könnte genauso gut auf dem Mond sein, denke ich, als mein Handy klingelt.
Ich gehe ran.
„Warum kommt ihr nicht hoch?“, quietscht sie verblüfft.
„Hast du dir das mal angeguckt?“
„Aber links und rechts sind Rampen.“
Meine Augen schweifen von links nach rechts, wo sich Rampen von zehn Meter Länge und gefühlten 90 Grad Steigung präsentieren, ehe sie in die nächste Zehn-Meter-Rampe übergehen, und das circa zehnmal.
„Ne, also wirklich, Mausi, wenn es da oben was zu sehen gäbe, gerne. Aber alles hat geschlossen, und nur, um runter zu gucken? Da gucken wir lieber hoch.“
„Ah, okay.“
Ich sehe sie dort oben winken. Unter azurblauem Himmel, aber ein Blick über meine Schulter offeriert mir einen tiefschwarzen Himmel dort.
„Und vielleicht solltet ihr bald runter kommen. Guck mal hoch. Und hier ist nichts, wo wir uns unterstellen können.“
Ich kann nicht sehen, wie sie meiner Aufforderung folgt, aber kurz darauf sagte sie knapp: „Oh! Wir kommen.“
Eine gefühlte Ewigkeit, scheint es mir, warten wir. Der Wind frischt auf, wird stürmischer. Die Schlechtwetterfront rast heran. Unsere Freunde kommen gleichwohl angerast, und weil es in diesem Augenblick loslegt, als hätten sich Schleusen geöffnet, halten sie nicht inne, rasen weiter. Jan ist es, der die Schiebgriffe meines Rollstuhls greift und mich in mörderischem Tempo die Parkanlage hindurch schiebt.
„Am Eingang“, keucht seine Mutter, „können wir uns unterstellen.“
Keiner antwortet. Eine Weile später tropfen wir unter dem Torbogen zum Schlosspark vor uns hin.
„Toller Sommer“, Steffi holt Tempos aus ihrer Tasche und trocknet damit ihr Gesicht, ehe sie mir das Päckchen reicht und ich es gleichtue.
Jan, mit in die Hosentaschen versenkten Händen an die Steinmauer gelehnt, schüttelt leicht den Kopf. „Finde den Fehler.“
„Was?“
Wir Frauen stieren ihn ratlos an.
„Thomas fehlt“, erläutert Tom.
„Besser als einer von uns“, kommt es von Nicki, der die Hand raus hält und den Regen prüft, „Fehlende Kinder sind schlimmer als fehlende Männer.“
Als der Regen nachlässt, kommt der fehlende Ehemann daher geschlendert. „Ich war noch auf’m Klo“, zeigt er auf einen weit hinter ihm liegenden Nebenpfad.
„Gibt es dort eine Behindertentoilette?“, ich nehme die Kapuze ab, die völlig durchnässt ist.
„Theoretisch ja, aber die ist demoliert.“
„Und jetzt?“, Steffi sieht zerknirscht drein.
„Steigenberger. Direkt neben dem Italiener, bei dem wir jetzt essen wollen.“
Ich setze mich in Bewegung.