Erst auf der Rückfahrt merken wir, wie weit wir von Plaue entfernt sind.
In Regenjacken stehen wir auf dem Vorderdeck.
Wind peitscht uns das Nass um die Ohren und mein Mann hat seine dienstliche Regenjacke an, was ihn fast zu einem Einheimischen macht, weil hier eine Menge Leute dazu neigen, in Bundeswehrjacken umher zu stolzieren. Ich finde es lustig, dass er seine Dienstgradabzeichen nicht abgemacht hat, führe das aber darauf zurück, dass er nicht dachte, sie zu brauchen.
Jans Rainforrest wurde unterdessen online bestellt, noch muss er mit der Vorlieb nehmen, die er hat, die aber leider von seiner Mutter getragen wird.
Wir werden wegen der Windrichtung alle furchtbar nass.
Irgendwann aber kommen wir an, schicken die Männer durch die Sintflut Koffer holen, und packen das Meiste schon mal zusammen.
Die Zeit rinnt davon.
Ruckzuck ist es 18 Uhr. Um 18:30 haben wir einen Tisch reserviert, also pimpen wir uns auf und düsen mit den Autos gen Milow, das uns gar nicht vorkommt, als habe es ein gutes Restaurant.
Und so liegt das auch verschämt in einem Innenhof, gepflastert natürlich und mit einer tiefen Senke in der Mitte, die dem Regenablauf dient, und die weder mit dem Rollstuhl noch mit 20-Zoll-Reifen vernünftig befahren werden kann.
Egal wie, wir dürfen auf dem Rückweg nicht hineingeraten, das Auto würde sich gnadenlos festfahren, zumal die Mulde auch tief ist.
Derweil die Männer, wie Männer es eben tun, mit dem Gesichtsausdruck der Allwissenden, besonders wenn es um Autos und Grillen geht, vor dem Challenger stehen, und Zeug reden, das Frauen belanglos vorkommt
(Ja, wir dürfen da nicht reingeraten, denke ich, aber das ist dann auch schon alles und bedarf keines Referates),
fahre ich mich in der Mulde fest.
"Hilfe!", rufe ich zuerst noch in einem Tonfall, der sich für eine Frau in Notsituationen gehört.
Nichts geschieht, weil Steffi mit den Jungs bereits zum Eingang geschlendert ist. Aber da ich nun mal ich selbst bin, ändert sich mein Tonfall.
"Hallo? Würde sich einer der Herren mal her bequemen. Ich stecke fest. verdammte Axt!"
Wie aus einer Trance gerissen, kommen sie beide herbei. Tom kippt den Rolli an und poltert mich zum Lokal.
"Es gibt tausend Gründe, aus denen ich nicht hier wohnen wollte", maule ich, während ich den Rolli-Sitz mit beiden Händen fest umklammere, " All die Nazis, dass man hier nicht tot überm Zaun hängen will, und von barriefrei haben die auch noch nichts gehört."
Mein Mann lächelt. Das tut er immer, wenn ich so schimpfe, denn in der Sache habe ich immer recht, und mein Temperament war schon immer so, und kam nicht erst mit der Behinderung.
"Guck dir das an", hektisch gestikuliere ich zu dem Gebäude, an dem wir auf dem Weg zum Lokal vorbei fahren. Wenn man das fahren nennen darf, "da wohnen Rollstuhlfahrer. Das ist explizit außen auf der Tafel dargestellt. Die halten das wohl für gelungene Integration! Aber was nützt es, wenn man seine Wohnung nicht verlassen kann, weil man auf dem Boden nicht einen Meter weiter kommt."
"Sie haben ja Autos", weist er auf die Fahrzeuge hin, die unter aneinandergereihten Hinweisschildern mit Rolli-Piktogramm stehen.
"Ja, aber dahin kommen? Unmöglich."
Im Eingangsbereich des Restaurants desinfizieren wird uns die Hände, müssen aber keine Maske tragen, bis wir am Tisch sitzen.
Was soll ich sagen?