Prompt vom 12. Juli 2020
Lass uns ein Luftschloss bauen.
Ein Schloss aus unseren Träumen und Wünschen.
Ich wünsche mir, dass ich besser sehen könnte, um keine Brille mehr tragen zu müssen. Es wäre toll, wenn ich auch sehen könnte, was anderen Menschen wichtig ist und wie es ihnen geht, ohne zu viele kränkende Fragen stellen zu müssen. Um sie nicht zu verletzen.
Ich wünsche mir, dass der Schokokuchen vom Supermarkt nebenan ohne Eier und ohne Milch gemacht worden wäre, damit ich ihn essen kann. Ich möchte nicht, dass mein Wohlbefinden auf Kosten von anderen Lebewesen geht.
Ich wünsche mir mehr Sichtbarkeit von Behinderungen. Was ist eigentlich Autismus? Warum werden Menschen ohne Gliedmaßen geboren und wie leben sie? Wie funktioniert Gebärdensprache? Mit welchen Einschränkungen leben behinderte Menschen? Ich wünschte, ich wüsste mehr darüber, um ihre Schwierigkeiten und Barrieren zu verstehen. Um ihre Barrieren aufzulösen.
Ich wünsche mir ein anderes Bewusstsein für Tiere. Mein Kater ist nicht "mein" Kater, denn ich besitze ihn nicht. Er ist viel mehr ein Mitbewohner mit eigenem Charakter und Bedürfnissen. Der einzige Unterschied ist, dass ich sein Klo regelmäßiger sauber machen muss. Ich wünsche mir, man würde auch Kühen und Schweinen und Hühnern mehr Charakter und Intelligenz zugestehen.
Es wäre schön, wenn weniger Auto gefahren werden würde. Nicht nur, weil das mehr Freiheit für meinen Kater bedeuten würde, sondern auch wegen den Abgasen und der irren Umweltverschmutzung, die allein schon in der Produktion stattfindet. Als Konsequenz daraus wünsche ich mir, dass öffentliche Verkehrsmittel günstiger oder ganz kostenlos wären. Denn es ist faktisch billiger, mit dem Auto zu fahren, und beispielsweise als Student habe ich oft das Geld nicht, um mir die Fahrt in einem muffigen Bus leisten zu können.
Ich wünsche mir, dass ich weniger Müll produzieren würde. Jedes Mal, wenn ich eine Plastikverpackung sehe, frage ich mich, wo sie hingeht, nachdem ich sie weggeworfen habe, und flehe, dass sie nicht im Magen eines Wales landet.
Ich wünsche mir, dass ich nähen könnte, um meine Kleidung selbst zu machen. Ich möchte nicht, dass die verlorene Lebensfreude zu junger Menschen an den Stoffen, die ich trage, klebt. Vielleicht wünsche ich mir auch einfach mehr Bewusstsein und mehr Second-Hand-Länden oder Freeshops.
Generell wünsche ich mir, dass alle Menschen das, was sie zum Leben benötigen, bekommen, ohne jeden Pfennig drei mal umdrehen zu müssen.
Das bedeutet auch, dass ich mir eine Welt wünsche ohne Hierarchien, ohne Geld. Ich wünsche mir mehr Menschen, die Solidarität leben.
Eine Welt ohne Nationen, ohne Staaten wäre toll. Es ist nicht wichtig, woher wir kommen. Letztendlich leben wir alle auf der Erde.
Ich wünsche mir, es wäre nicht wichtig, welche Hautfarbe, Sexualität, Religion oder Geschlecht ich habe. Ich bin ein Mensch mit genauso viel Lebensberechtigung wie alle anderen Menschen. Ich fühle, ich habe Hunger und Durst, ich liebe und hasse, ich lache und weine, und das tun Menschen unabhängig von diesen Dingen.
Aber da wir in einer Welt leben, in der Diskriminierung an der Tagesordnung ist, würde ich mir zumindest wünschen, dass privilegierte Menschen sich eingestehen, dass sie eine privilegierte Sicht auf die Welt haben. Dass sie ihre Vorurteile erkennen und daran arbeiten.
Ich wünschte, Menschen würden die Sinnlosigkeit des Krieges wahrnehmen. Dass sie ohne Zwang erkennen, dass es viel ertragreicher ist, zusammen in einer Gemeinschaft zu leben.
Ich wünsche mir, dass Menschen nicht fliehen müssten, weil ihre Heimat kein friedliches freies Leben mehr zulässt. Dass Gewalt, Angst, Hunger und Tod nicht an der Tagesordnung stehen würde.
Letztendlich ist die Welt, von der ich träume, eine Welt, in der das WIR wichtiger ist als das gierige ICH. Eine Welt, in der das ICH eine Bedeutung hat, die berücksichtigt und respektiert wird. Eine Welt, in der das WIR nicht bedeutet, eine Gruppe auszuschließen.
Ich kenne viele Menschen, freundliche Wesen, die sich als Gast auf diesem Planeten verstehen und versuchen, nachhaltig und freundlich zu leben. Ich stelle mir gerne vor, dass das für alle möglich ist. Dass Fürsorglichkeit eine Grundeigenschaft ist und kein Qualitätsmerkmal. Aber dann sehe ich in die Nachrichten.
Anscheinend ist all das nicht sehr viel mehr als ein Luftschloss.