Prompt vom 25.04.2021
CW: leichter Horror
Mir wurde schon früh der Wert des Geldes eingetrichtert. “Wer den Pfennig nicht ehrt, ist die Mark nicht wert!” Wie oft habe ich diese Worte gehört… Meine Mutter hatte sie so oft gesagt, dass sie mir in Fleisch und Blut übergegangen waren.
Als Kind habe ich zum Geburtstag diese Sparbüchse bekommen. Meine Tante war mit mir in einen Ramschladen gegangen, wo die Dinge nicht mehr als ein oder zwei Mark kosteten. Ich durfte mir eine Sache aussuchen, und ich entschied mich für den bronzefarbenen Fuchs mit einem Schlitz im Kopf. Natürlich bestand er nur aus billigem Metall, sah aber dennoch recht edel aus. Ich hatte mich sofort in diese Sparbüchse verliebt. Meine Tante sah mich nur schmunzelnd an und meinte: “Aus dir wird ja noch eine richtiger Pfennigfuchserin!” Ich wusste nicht, was das Wort bedeutete, auch nicht als ich schließlich eine wurde.
Ich begann, mein Restgeld in dem Fuchs zu sammeln. Kleine Münzen, hauptsächlich Pfennige mit wenig Wert, aber wie meine Mutter mir vehement eingetrichtert hatte, ehrte ich jede einzelne von ihnen. Wenn die Münzen klimpernd auf ihr Vorgänger fielen, war es mir immer, als würde der Fuchs mich wissend angrinsen.
Als ich auszog, verlor ich meinen Fuchs in einem der Umzugskartons. Ich wollte kein Unternehmen bezahlen, um meinen gesamten Krempel in die neue Wohnung zu schleppen, also machte ich das alleine. Die Kartons standen immer zu im Weg herum, bis ich sie in meinen kleinen Kellerabteil verfrachtete, wo ich sie für eine Weile vergaß. Ich war am Boden zerstört, als ich mich erinnerte, dass mein geliebter Fuchs unter Haufen von unnützem Kram verschüttet war. Ich suchte und suchte, doch es war vergebens. Die Trauerphase dauerte nicht lang. Bald schon hatte ich mich an die leere Stelle auf meiner Kommode nahe dem Bed gewöhnt.
Die Wohnung war klein, schimmelig, aber billig. Ich war nicht unbedingt glücklich dort, mein Konto aber schon. Es ist nicht so als könnte ich mir nichts besseres leisten, aber mir war viel wohler dabei zu sparen. Ich hatte zwar nichts wo ich drauf hin sparte aber es war mir ein inneres Bedürfnis. Ich war viel zu feige und ängstlich um nicht zu sparen.
Einige Zeit später starb meine Tante. Die Beerdigung war klein und lieblos. Es gab nicht viele Menschen, die um sie trauerten, aber mir war sie so wichtig wie meine eigenen Eltern.
Nach wenigen Jahren zog ich zu meinem Partner. Wir waren noch nicht lange zusammen, waren uns aber einig, dass es finanziell Sinn ergeben würde. Erst, als ich meinen Mietvertrag kündigte, wurde ich wieder auf das Kellerabteil aufmerksam. Ohne hineinzugucken, nahm ich sie mit in die neue Wohnung, wo mein Partner und ich sie abends bei einem Glas billigem Wein durchsahen und über den ganzen Müll lachten. Ein persönliches Highlight: Ein pinker, plüschriger, riesiger Hut meiner Urgroßmutter mit zwei Federn. Irgendwann kam auch mein Fuchs hinter Haufen von zerbrochenen Tassen, Zeitungspapier und ungenutzter Deko zum Vorschein. Ich war so fassungslos, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Abgesehen von den Erinnerungen meiner Kindheit die auf mich hereinstürmten, hatte ich das erste Mal seit langem wieder das Gefühl, eine Verbindung zu meiner Tante zu haben.
Die Sicht vor meinen Augen verschwamm, und ich glaubte fast, ein verachtendes Glitzern in den schwarzen Augen des Fuchses zu sehen. Ich hatte ihn genauso vergessen und vernachlässigt wie meine geliebte Tante. Seit sie gestorben war, hatte ich nicht ein einziges Mal ihr Grab besucht, da es eine gute Autostunde entfernt war und die Spritkosten zu der Zeit explodiert waren. Eine Kerze in der Kirche anzuzünden war mir auch zu teuer.
Die Schuldgefühle überschwemmten mich. An diesem Abend ließen wir die alten Kisten Kisten sein und gingen früh ins Bett. Meinen Fuchs stellte ich auf meine Kommode, direkt neben meiner Brille. Als ich einschlief, war es mir, als würde er mich beobachten.
Am nächsten Morgen lief ich gleich durch die gesamte Wohnung und suchte alles Kleingeld zusammen, das ich finden konnte. Der bronzene Fuchs klimperte fröhlich, als ich eine Münze nach der anderen durch seinen Schlitz warf. Ein Wahn hatte mich gepackt; So schnell wie möglich wollte ich den Fuchs füllen. Warum? Ich weiß es nicht.
Als ich sicher war, in meiner eigenen Wohnung nichts mehr zu finden, suchte ich auf der Straße, im Park, im Einkaufszentrum weiter. Der Fuchs füllte sich viel zu langsam, aber bei jedem Klimpern schaute mich der Fuchs mit diesem wissenden Blick an. Ein Blick, der mir eine Gänsehaut bereitete, als würde er alles über mich wissen, als würde er meine Zukunft fest in seinen kleinen rotbraunen Pfoten haben. Der Blick wurde immer habgieriger. Nichts war genug. Und ich konnte nicht aufhören, ihn zu füttern.
Mein Partner fand mein Verhalten mehr als nur bedenklich. Ey sagte mir, ich könne nicht meine gesamte Zeit darauf verwenden, meinen Fuchs zu füllen. Diese Verständnislosigkeit traf mich tief. Immer öfter stritten wir. Zunächst waren es nur kleine Diskussionen, aber nach mehreren Wochen kam es schließlich zum großen Krach. Nie haben wir uns so stark gestritten.
Es eskalierte, als sier schließlich meinen Fuchs von der Kommode riss und ihn wutentbrannt aus dem Fenster schmiss. Ich konnte sehen, wie ey es noch in derselben Sekunde bereute, als das kalte Metall ems Fingern entglitt. Ich bekam einen Heulkrampf. Innerhalb eines Augenblicks hatte der wichtigste Mensch in meinem Leben alles zerstört, was mir an materiellen Dingen wichtig war. Ey entschuldigte sich über und über, doch nichts war genug. Ich stieß em aus unserem Schlafzimmer, versperrte die Tür und rollte mich schluchzend auf dem Bett zusammen.
Ich weiß nicht, was mein Partner getan hatte, nachdem ich em ausgesperrt hatte. Das letzte Bild, das ich von em im Kopf habe, ist ems hilfloser Gesichtsausdruck, und wie ey noch immer versucht, sich zu entschuldigen und Lösungen zu finden. Ich weiß nur, dass ey danach wie vom Erdboden verschluckt war, und dass wie durch ein Wunder der bronzene Fuchs wieder auf meiner Kommode stand. Er hatte nicht einmal einen Kratzer und funkelte mich aus seinen tiefschwarzen Augen liebevoll an.
Diesen Prompt habe ich mit der lieben Eyinni bearbeitet. Den Anfang haben wir gemeinsam geschrieben, aber für das Ende hatten wir verschiedene Ideen, die wir ähnlich gut fanden. Wer ihr Ende lesen möchte, Kann gerne mal hier gucken: https://belletristica.com/de/books/33935-pfennigfuchser-60-minute-challenge/chapter/167999-pfennigfuchs