Warnung: Es geht hier um Eizellenspende. Ein etwas kontroverses Thema. Und in Deutschland verboten. Betroffende Frauen müssen ins Ausland fliegen. Diese Geschichte ist für einen kleinen Jungen, der aus so einer Doppelspende entstanden ist.
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Im Moment deiner Zeugung stand ich an meinem Fenster in Kiew und schaute über die Stadt. Der Himmel war dunkel, und Blitze schlugen in der Ferne ein. Aber es war warm, sehr schwül. Ich wusste nicht, was mich aufstehen lassen hat. Oder was mich in der Nacht ans Fenster trieb, um das Sommergewitter zu beobachten. Aber irgendwas hatte mich geweckt. Es fühlte sich an, wie ein leuchtender Blitz, der durch meine Seele zuckt. Auf der anderen Seite des Atlantiks war es Tag. D lagst in einen Nährmedium in einen Brutschrank und fingst an, dich zu teilen. Der Moment, wo du ins Leben tratest. Und ich wusste es, auch wenn ich dieses seltsame Gefühl nicht verstand. Aber als Tage später der Embryologe anrief und mir Bescheid sagte, war mir klar, dass sich gerade dann unsere Seelen berührt hatten. Auch wenn unsere Körper nicht verbunden waren. Auch wenn ich dich wahrscheinlich nie in meinen Armen halten würde oder gar deinen Namen erfahren würde.
Die Eizelle, aus der du entstandest, war ein Jahr vorher aus meinen Uterus entnommen wurden. Ich hatte tagelang mir jeden Abend selber eine Spritze gesetzt, die mein Follikelwachstum stimulieren sollte. Am Tag der Entnahme bot man mir zwar eine Betäubung an, aber ich lehnte sie ab. Denn diese Kosten hätte ich selber tragen müssen. Also sah ich zu, wie die Gynäkologin meine Beine auf dem Untersuchungsstuhl festband. Über Ultraschall überprüfte sie meine Eierstöcke. Rechts sechs Eizellen, links sieben. Alle voll entwickelt. Und noch keine gesprungen. Zum Glück nicht. Am Freitag vor dem Wochenende hatte der Bluttest nämlich gesagt, dass der Eisprung kurz zuvor stünde. Also nahm ich eine Spritze, die den Eisprung unterdrückte. Am Samstag setzte ich mir eine weitere, welche den Eisprung dann in 36 Stunden auslösen sollte. Rechtzeitig zur Entnahme. Ich war an dem Abend feiern, also spritzte ich mir das Medikament abends auf dem Klo einer Bar. Eine Freundin kam mit mir in die Kabine, um das einmal mit anzuschauen. Sie überlegte, ob sie auch Eizellen spenden wollte. Am Montag war dann die Entnahme. Da der Ultraschall zeigte, dass alle Eizellen noch da waren, heftete die Ärzten an den Ultraschallstab den Nadelkopf und führte ihn mir ein. Ich konnte auf den Bildschirm sehen, wie sie vom Cervix aus durch die dünne Wand die Nadel zu meinen Eierstöcken stieß. Es tat zum Glück nicht weh, aber trotzdem konnte ich die Hand der Arzthelferin nicht loslassen. Schweiß lief mir runter, und mir war schlecht. Aber ich konnte sehen, wie du mit deinen Brüdern durch die Nadel eingesaugt wurdest. Zum Glück sah ich diese Nadel erst viel später- sie war 30cm lang und ähnelte einer Stricknadel.
Hinterher, nach der Entnahme, kam der Embryologe zu mir. 10 Eizellen hätten sie gefunden. Eine gute Ausbeute. Für jede kriegte ich 300 Rubel. Viel Geld. Ich konnte damit mein Studium finanzieren. Die Eizellen wurden in eine eigene Bank gelagert, bis sich ein Käufer fand.
Ein Jahr später suchte auf der anderen Seite des Atlantiks eine Frau eine Eizellenspenderin, welche ihr ähnlich war. Sie selber konnte aus irgendwelchen Gründen nicht ihre eigenen Eizellen nehmen. Ich weiß nicht warum. Ich habe mir immer vorgestellt, weil sie selber vielleicht eine genetische Krankheit hatte. Oder sie produziert selber keine gesunden Eizellen. Aber sie wollte unbedingt ein eigenes Kind. Die Gründe, warum sie letztendlich eine Eizellenspenderin suchte, waren mir unbekannt. Aber ich sah ihr wohl genug ähnlich, dass sie die Eizelle kaufte, aus der du entstammtes. Dann kaufte sie das Sperma eines Mannes, den ich nie gesehen hatte. Aus einen anderen Land als meinen, der irgendwann in den letzten Jahren einmal Sperma gespendet hatte. Und ein Embryologe, ein anderer als der, welche meine Eier genommen hatte, führte das Spermium des Spenders in meine Eizelle ein. Das war der Moment wo du entstandest, der Moment, wo in meiner Heimat ein Sommergewitter tobte und ich deine Existenz einen Moment lang spürte.. Ich war froh, dass man mir freundlicherweise sagte, dass du existiertes. Und ich hoffte, dass ich dich eines Tages kennenlernen würde. Ich hatte dir die Möglichkeit offen gelassen. Sowas nennt sich offene Spende. Dafür gab es mehr Geld. Vielleicht kann ich dir irgendwann meine Heimat zeigen. Oder deinen Geschwistern. Ich hoffe es sehr. Möglicherweise sehen wir uns sogar ähnlich, wer weiß? Aber zu meinen eigenen Seelenfrieden darf ich dich nicht als mein Kind sehen. Du hast eine andere Mutter.