Kaspernikus und Helwetika schauten kritisch auf den Nachbarberg. Von ihrem Standort auf einen der sieben Hügeln rund um die Hauptstadt hatten sie einen guten Blick auf die schroffen Gipfel und steilen Klippen, die das Weisse Schloss umgaben.
„Meinst du, er zieht es echt durch?“ Helwetikas Nase juckte und sie kratze mit einen ihrer langen Fingernägel die störende Stelle, während sie kritisch auf das Weisse Schloss schaute.
„Definitiv- eine seiner Dienstmägde hat mir verraten, dass er schon seit Wochen Sprengbomben in seinen Kerker lagert.“ „Sprengbomben???“ Vor lauter Schreck liess Helwetika einen Popel, den sie aus der Nase geholt hat, fallen.
„Jepp.“ Kasernikus junges Gesicht wirkte richtig spitzbübisch. Er rieb sich zufrieden die Hände.
„Er hat nicht vor den Thron an seinen Bruder abzugeben. Seit Tagen brodelt es schon im Schloss, weil er am Thronwechseltag sich der Tradition verweigern will.“ Dieser Tag war heute. „Das ist unmöglich. Das ist Gesetz. Die Zwillingskönige müssen sich alle vier Jahre auf den Thron abwechseln. Nur so besteht ein Gleichgewicht in der Macht.“
Helwetika teilte anscheinend die gute Laune ihres Begleiters nicht. In seinen Zaubergewändern und riesigen Hut sah der junge Zauberer auch nicht gerade seriös und verantwortungsvoll aus, wie man es eigentlich von seinem Amt erwarten sollte. Sie als Heckenhexe hatte dagegen ihre komplette Staatskleidung angelegt. Ein Thronwechsel war schließlich ein großes Ereignis, auch wenn es alle vier Jahre stattfand. Und als gewählte Vertreter der Zauberer und Hexen war die Teilnahme an dem Ereignis eine große Ehre. Wer weiß, wer beim nächsten Thronwechsel gewählt werden würde, um die magische Gemeinde zu vertreten.
Kaspernikus jedoch grinste spitzbübisch. „Meinst du, es kommt zum Krieg?“
Helwetika schauderte es. „Nur weil König Dadalus nicht seinen Platz an König Biderus abtreten will? Auf keinen Fall. Wie kommst du auf diese Idee? Und überhaupt- was soll diese Schnapsidee, dass er seinen Thron nicht abgeben will?“
„Er wettert schon seit Wochen, dass sein Bruder die Jahreszeiten manipuliert hat, so dass diese schneller rum gingen als normalerweise. Und das ein Thronwechsel noch gar nicht nötig wäre.“
„Wieso sollte Dadalus sowas dummes glauben? Manipulation der Jahreszeiten. So ein Schwachsinn. Wüsste nicht, wer das könnte.“ Helwetika raffte ihren Rock hoch und umklammerte ihren Stock. Es war ein weiter Abstieg ins Tal. Und dann wieder den nachbarberg hoch. Glitschig und Nass. Aber sie mussten los, sonst kamen sie erst im Dunkeln ab. Sie tastete sich vorsichtig den rutschigen Weg vor ihr runter. Kaspernikus folgte ihr grinsend. Im Gegensatz zur Heckenhexe hatte er keine Probleme mit dem Abstieg.
„Wer weiß.“ sagte er betont unschuldig
Helwetika blieb abrupt stehen. „Du hast doch nicht etwas was damit zu tun?“
Kaspernikus schüttelte nur lächelnd den Kopf.
Helwetika gab nicht auf. In ihrem Kopf blitze ein Gedanke auf. Hatten nicht beim letzten Hexenkongress ein paar Steinhexen was von Zwietracht säenden Zauberern gemurmelt? Sie hatte nicht viel darauf gegeben, aber jetzt… „Was habt Zauberstabsüchtigen wieder angestellt?“
Drohend drehte sie sich um. Kaspernikus wich ihren Blick aus. Geschickt drückte er sich an ihr vorbei und kletterte ihr voran den Berg runter. Die Heckenhexe folgte ihm. „Hey, wag es nicht mir auszuweichen!“ Ein lauter Knall lenkte sie ab. Sie riss ihren Blick um und schaute auf den Nachbarberg. Entsetzt sah sie eine Rauchwolke aufsteigen. „Das Weisse Schloss“ flüsterte sie entsetzt.
„Upps.“ Zerknirscht schaute Kaspernikus in Richtung des riesigen Kraters. „Da gingen die Sprengbomben wohl eher als geplant hoch. So war das nicht geplant.“
„Wie war es denn geplant?“ flüsterte Helwetika ungläubig. All die Menschen im Schloss… Sie wollte sich das Ausmaß des Desasters gar nicht im Detail vorstellen. Ein bitterer Geschmack stieg in ihrem Mund auf.
„Sie sollten sich nur etwas streiten, ein paar Zauberer für ihren Krieg anheuern und wenn ihre Truhen leer wären, hätten wir beide in Rente geschickt.“ Kaspernikus wirkte sogar richtig stolz, als er den Plan der Zauberer auflistete. Helwetika fehlte die Worte. In ihrem Kopf drehte sich alles.
Immer schneller kletterte sie den Hang runter. Sie hatte keine Zeit für geistig verwirrte Zauberer. Die Heckenhexe konnte nur hoffen, dass jemand die Explosion im Schloss überlebt hatte.