Ich bin ein Mann, gutaussehend mit braunen Haaren und einem gepflegten Drei-Tage-Bart. Meine Erscheinung wirkt recht mitgenommen.
Ich befinde mich auf einem großen Acker, weit und breit ist kein Wald zu erkennen. Die Hände auf dem Rücken gefesselt, sehe ich abwechselnd auf zwei bullig wirkende Anzugträger, die neben mir stehen. Dann richte ich meine Aufmerksamkeit auf das Raumschiff, welches völlig zerstört vor uns auf besagtem Feld liegt.
Die Regierung hat mich verhaften lassen, denn sie will die Landung, oder besser gesagt Bruchlandung, vertuschen. Dabei stehe ich ihnen im Weg. Da es nach dem Aussehen keines unserer Schiffe ist, macht es zu einem Alienschiff.
Der Grund, weshalb ich an diesen Ort gebracht worden bin, ist mir gänzlich unbekannt. Eindringlich rede ich auf die beiden ein, versuche, ihnen zu verdeutlichen, dass das Alienwrack seit 20 Jahren von mir untersucht wird. Sie ignorieren sämtliche Worte, führen mich stattdessen wieder ab.
Urplötzlich explodiert etwas. Hektisch drehen wir uns in die Richtung. Überall tauchen Menschen auf, die davon laufen. Am Himmel entdecke ich klar und deutlich eine Abwehrrakete, die auf einen unbekannten Gegenstand zu rast. Eine erneute Explosion lässt die Frauen und Männer in Panik verfallen. Die Anzugträger lassen mich endlich los und verschwinden in ihre schwarzen SUVs. Ohne ihre Hilfe müssen wir uns nun eine Zuflucht suchen. Aber was sollte man von diesen Burschen anderes erwarten.
Weitere Raketen fliegen durch die Luft und es fallen undefinierbare Gegenstände auf die Erde. Allerdings kann ich keine Quelle dieser ominösen Teile ausfindig machen.
Wir laufen so lange, bis ich zwischen Bäumen eine Brücke entdecke. Schnell lotse ich alle zu diesem Ort. Zum Glück sind meine Fesseln mittlerweile verschwunden.
Hinter der Brücke gelangen wir auf das Gelände eines stillgelegten Sandtagebaus. Dort liegt ebenfalls ein riesiges Wrackteil, welches auf einmal erzittert. Mein Blick wandert zurück gen Himmel. Kleinere Fragmente schweben nach oben.
Wieder sehe ich auf das große Stück. Eins und eins zusammengezählt, komme ich auf den Schluss, dass alle Metallteile mit einem gigantischen Magnet angezogen werden mussten.
Wie Geschosse fliegen die Teile durch die Luft, sodass ich auf der Suche nach einem Unterschlupf bin. Das riesige Wrackteil inmitten des Tagebaus bewegt sich einige Meter durch den Magneten und gibt die Sicht auf einen Stollen frei.
Mit zwei weiteren Personen dränge ich die vielen Menschen ins Innere des Bergwerkes. Alle sind hektisch, rennen tiefer in den Berg hinein, doch ich gönne mir keine Pause. Zurück könnten wir vermutlich auch nicht mehr, weshalb ein anderer Ausgang die einzige Option darstellte.
Wir streifen durch nichts anderes als sandige Gänge. Nach einer Biegung entdecke ich einen weißen Kleinwagen, dahinter ein Mann mit einem Maschinengewehr. Von der Organisation, welcher die Anzugträger angehörten, scheint dieser Kerl allerdings nicht zu sein.
Zu meinem Glück hat er mich nicht gesehen, weshalb ich die Zeit nutze und schnell wieder verschwinde. Ich möchte keinesfalls ein Risiko eingehen, falls ich mich doch seiner Angehörigkeit betreffend, irre.
Ein weiterer Mann, sowie eine Frau haben sich mittlerweile zu mir gesellt. Ich kenne die beiden, denn wir sind Arbeitskollegen: eine Art Forscher und Neuzeit Archäologen.
Immer tiefer gelangen wir in das Innere des Stollens, nehmen eine weitere Abzweigung nur, um einem zweiten Gewehrträger zu begegnen. Also kehrten wir erneut um.
Es dauert nicht lange und wir erreichen einen Raum, der in den Sandstein gehauen wurde. Ebenso wie die sechs Säulen, welche diesen schmücken. Es erinnert an einen Klosterkeller, da an den Wänden neben Kerzen auch Heiligenbilder hängen.
Wir rätseln solange über deren Ursprünge, bis mir ein Ausgang auffällt. Versteckt hinter Säulen in einer unscheinbaren Nische. Schnell winke ich die beiden zu mir und trete durch die Öffnung.
Ich stehe nun in einem offenen Raum, größer als der vorherige, welcher ebenfalls aus Sandstein besteht und mit Säulen geschmückt ist. Jedoch sind diese nicht mehr so primitiv. Verzierungen befinden sich oben und unten.
Rechts von mir so wie am anderen Ende strahlt Sonne durch Durchbrüche des Sandsteins, die wie Aussparungen für Fenster aussehen. Doch es ist kein Glas darin. Es ist als wären wir in einem früheren Zeitalter gelandet.
Wir sehen uns um, fasziniert von dem Fund. Das, man kann schon fast sagen, Stockwerk erinnert ebenfalls an ein Kloster. Alles ist kahl, keine Möbel sind vorhanden und nur ein Relief verziert die Wand. Während die Frau und der Mann das Bildwerk betrachten, trete ich an die Stelle, an der eigentlich die Fenster sein sollten. Glas ist wirklich Fehlanzeige. Ich stelle mich an die halbhohe Mauer und blicke hinaus. Was ich dort sehe, ist überwältigend.
Ich rufe die anderen beiden zu mir, damit auch sie diesen Anblick bewundern können..
Vor uns liegt eine komplette Stadt, aussehend wie eine typische arabische Großstadt eines früheren Jahrhunderts. Alle Farben der Häuser sind in Brauntönen gehalten und es sticht kein einziger Farbtupfer heraus.
Der Himmel ist anders als außerhalb des Stollens, denn ich kann die Sonne nicht erkennen. Und doch strahlt er auf seine ganz eigene Weise schmutzig blau.
Wir gehen weiter bis zur rechten hinteren Ecke des Zimmers und sehen, dass die Stadt sich zur linken Seite hin erstreckt. Unter diesem „Fenster“ ist ein Platz, auf dem in Beeten das erste bisschen Grün zu erkennen ist.
Überraschend sehe ich auf der anderen Seite eine vermummte Gestalt auf den Platz zulaufen. Die Person trägt einen dunkelbraunen Schal über dem Kopf, dessen Saum hellbraun leuchtet.
Leise verharren wir hinter dem Eckpfeiler, sodass wir weiterhin nach unten blicken können. Die Person bleibt stehen, wartet einen Moment und dreht sich um, genau dorthin, wo wir noch vor kurzem zu sehen waren.
Schnell verstecken wir uns und hoffen, dass diese Person nichts Verdächtiges entdecken konnte. Nach ein paar Sekunden wage ich einen Blick und beobachte erleichtert, wie sie zurückläuft und eine Leiter hinauf zu unserem Stockwerk steigt.
Hektisch fordere ich meine Kollegen auf mir zu folgen und steige über die hüfthohe Mauer, hänge ca. 20 Meter über dem Boden. Wieder verlange ich, dass sie es mir gleich tun, da noch mehr Leute kommen. Jedoch diskutieren die beiden nur, weshalb ich beschließe, meinen Weg ohne sie fortzusetzen.
Unten angekommen, setze ich mich hinter einen der Pfeiler und schaue mich erst einmal um. Auf dem Platz sind 3 Kinder, die zusammen spielen. Eines von ihnen hat mich entdeckt und kommt neugierig zu mir. Ich platziere mich vor die Säule, um so auszusehen, als würde ich dazugehören. Wohl wissend, dass meine Kleidung absolut nicht in diese Stadt passt.
„Wer bist du?“, möchte das Kind wissen.
„Ein Freund“, antworte ich.
Es erzählt mir etwas, doch ich konzentriere mich zu sehr auf die Umgebung, um ihm zuzuhören.
Eine Frau ist nun aufgetaucht. Sie trägt ein weißes Sommerkleid aus Leinen und kommt ebenfalls auf mich zu. Es ist ihr Kind, wie sich herausstellt, und schickt es weg, dass es woanders spielen soll. Eilend läuft es davon, lässt aber ein Stück Papier fallen.
Neugierig hebe ich es auf und werfe einen Blick darauf, in dem Moment kommt die Frau bei mir an. Ich schüttle über die Abbildung den Kopf, denn es zeigt das typische Bildnis des Sonnensystems aus dem Mittelalter.
Die Dame ist aufgrund der Reaktion irritiert und scheint nicht mehr allzu wütend über meine Anwesenheit. Ich frage sie, ob die Kinder das lernen, was auf dem Papier abgebildet ist, was sie bejaht.
„Alle in dieser Stadt lernen es so“, sagt sie.
Ein kurzes Lachen entfährt mir.
„Was ist daran so lustig?“, fragt sie mich irritiert.
Ich erkläre ihr, dass dieses Bild des Sonnensystems falsch ist. Dann werfe ich einen Blick nach oben, um zu sehen, ob es meine Kollegen nun endlich geschafft haben.
Sie stehen noch immer im ersten Stock und starren auf mich herab. Ich bedeute ihnen, hinunterzukommen, doch es ist zu spät. Sie werden geschnappt.
Ich wende mich wieder an die Frau und bitte sie um einen Gefallen. Ein Versteck, bis ich herausgefunden habe, um was für einen Ort es sich hier handelt. Das Forscherherz interessiert sich doch sehr stark für diese versteckte Stadt.
Sie willigt ein, ohne meine Bitte zu hinterfragen, und bittet mich ihr zu folgen. Wir laufen die staubige Straße entlang, denn Asphalt ist hier wohl noch nicht erfunden worden, weg von dem Haus ohne Fenster. Vor einem weiteren Haus aus Stein und dem gefühlten Alter von rund 1000 Jahren, bleibt sie stehen und drückt etwas an der Wand.
Es dauert nicht lange und es öffnet sich eine Fahrstuhltür. Überrascht über diese Wendung, folge ich ihr in die Kabine. Sie sagt mir, dass sie nicht weit weg wohnt und sie mich dort hinbringt. Ich spüre, dass sie so jemanden wie mich noch nicht gesehen hat, und scheint recht interessiert zu sein. Auch wirkt sie intelligent.
Außerdem macht mich die Kombination des neumodischen Fahrstuhls mit diesem alten Gebäude stutzig. Diese Zivilisation ist eindeutig fortgeschrittener, als sie vorgibt. Dennoch lernen sie vollkommen überholte Abbilder unseres Sonnensystems.
Ich schaue mich in dem geräumigen Fahrstuhl um und entdecke eine Kamera über den Türen. Sie ist kaum sichtbar als Auge im Stein getarnt. Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Doch dann öffnet sich eine versteckte Tür, und eine weitere Dame in einem grünen Kostüm betritt den Lift.
Ihre Kleidung ähnelt eher der modernen Zeit, weshalb sie sich stark von der Frau abhebt. Sie sieht wie eine Führungskraft aus. Als sie anfängt zu sprechen, wird mir klar, dass ich recht habe.
Der Fahrstuhl ändert seine Fahrtrichtung. Anstatt nach oben bewegen wir uns seitlich. Sekunden verstreichen und mir wird bewusst, dass wir uns nicht mehr in dem Aufzug aufhalten, sondern in einem Zug. Die nette Frau, die mir helfen wollte, ist verschwunden.
Fenster zeigen mir die Gegend, in der unsere Fahrt stattfindet. Es ist immer noch die gleiche Stadt, doch nun sehe ich ihre ganzen Ausmaße. Sie ist riesig und ich vermag nicht einzuschätzen, ob sich diese innerhalb des Berges befindet oder in einem Tal umgeben von solchen. Alles, was man sieht, ist einzig und allein die Großstadt.
Die Frau im grünen Kostüm erklärt mir, dass sie sich einen neuen Ort aufbauen mussten, weit weg von den Ungläubigen und ich hätte nun etwas gesehen, was nie an die Öffentlichkeit geraten durfte.
Der Zug rast ein gutes Stück und wir kommen an eine verlassene und zerstörte Stadt am Wasser. Wieder erklärt mir die Frau etwas und ich zähle die Fragmente zusammen, sodass ich weiß: Diese alte, heruntergekommene Stadt ist das alte Jerusalem.
Die andere jedoch, die ich mit meinen Kollegen entdeckt habe, ist demnach neu Jerusalem.