- Start: 09.11.2021 - 14:44 Uhr
- Ende: 09.11.2021 - 15:02 Uhr
Erleichtert drückte Lonnie den Engel an sich. Der Schreck saß ihm noch in den Knochen. Zum Glück war Marina noch bei ihm.
"Okay", sagte er dann und schob das Kind auf Armlänge von sich. "Bringen wir dich in Sicherheit!"
"Ich dachte, du bringst mich zu Mama!"
"Habe ich doch", sagte er verschmitzt.
"Zu meiner noch lebenden Mama!" Marina stampfte auf.
Lonnie wurde ernst. "Marina, ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich sie finden werde. Aber die Suche ist sehr gefährlich. Da kannst du leider nicht mitkommen."
"Ich bin doch schon groß!", behauptete das kleine Engelkind.
"Ich bringe dich an einen Ort, wo du auf uns warten kannst. Und dann bringe ich deine Mutter zu dir." Ob Conny ihm wohl in die Hölle folgen würde? Er konnte es nicht sagen, immerhin kannte er sie nicht.
"Du lässt mich allein?" In Marinas Augen schimmerten Tränen.
Lonnie seufzte und hob sie auf den Arm. Er wollte sie wirklich nicht weiter verletzen. Allerdings hatte sie heute wirklich genug durchgemacht. Sie brauchte nicht noch mehr Leid.
"Na, komm." Er drückte sie ermutigend und ging schweren Schrittes los.
Sein Ziel war ein abgelegenes Gebäude, ein Backsteinbau, der so auch auf der Erde hätte stehen können. Mit den bunten Bastelarbeiten, die in den Fenstern hängen, hätte man es für eine normale Grundschule halten können. Bis man sich diese Bastelarbeiten genauer ansah und feststellte, dass es sich um Abbildungen von kleinen, gefolterten Menschen, um Dämonen und Feuer handelte.
Sie waren eben immer noch in der Hölle, und Kinder - auch Teufelskinder - basteln, was sie sehen.
Marina drückte sich schutzsuchend an Lonnies Bein, als er an den Empfang trat und die Teufeln dahinter freundlich anlächelte. "Ich würde gerne ein Kind abgeben."
Die Teufelin beugte sich vor und musterte Marina, dann Lonnie. "Das ist aber nicht Ihr's."
"Nein. Eine Freundin wollte, dass ich auf sie aufpasse."
Die Teufelin musterte Lonnie scharf durch ihre Brille.
"Es ist so, dass ich einen dringenden Termin habe, und so lange möchte ich die kleine Marina hier in Sicherheit wissen."
"Wann holen Sie sie ab?"
"Ähh ..." Was sollte er denn dazu sagen? "Möglichst bald. Kann aber sein, dass auch ihre Mutter kommt, Conny. Aber sie dürfen die Kleine auf keinen Fall jemand anderem mitgeben!"
Der Blick der Teufelin wurde noch misstrauischer.
Lonnie beugte sich vor, um ihr Namensschild zu lesen. "Hören Sie, Miss ... Höllenqual? ... Miss Höllenqual! Ich würde nicht fragen, wenn es nicht äußerst dringend wäre."
"Tut mir leid, Mister Dorraine." Sie sprach seinen Namen spöttisch aus und Lonnie klopfte instinktiv seine Brust auf der Suche nach einem Namensschild ab, das er gar nicht trug. "Ich kann leider nichts für Sie tun. Alle Plätze sind voll."
"Bitte, Sie müssen ..."
Eine Stimme hinter ihm unterbrach ihn. "Wir könnten helfen."
Marina hatte sich zuerst umgedreht und stieß einen kleinen, spitzen Schrei aus. Lonnie war etwas langsamer und deshalb bereits vorgewarnt, ehe er die sechs Minotauren erblickte.
"Na toll."
"Gib uns den Engel, Mister Dorraine."
"Das ... ist gar nicht mein Name!" Er wich zurück und schob Marina dabei hinter sich. Die Minotauren rückten vor.
In diesem Moment sprang Miss Höllenqual auf und stieß einen hohen Pfiff aus. Auf ihren Befehl hin wetzten sieben große, schwarze Rüden aus einem Gang. Geifernd und knurrend stürzten sie sich auf die Minotauren.
Lonnie wandte sich ab, beugte sich schützend über Marina und drückte ihr Gesicht gegen seinen Bauch, damit sie das Blutbad nicht mitansehen musste.
Nach einer Weile wurde es still und die Hunde humpelten grollend zurück.
"Vielen Dank!", sagte Lonnie zur Teufelin.
"Nicht dafür. Aber jetzt schaff mir dieses Kind hier raus. Die bringt ja nichts als Unglück."
"Ich muss aber ..."
"Nein", unterbrach sie ihn entschieden. "Ich habe eine Verpflichtung den anderen Kindern gegenüber."
Er seufzte und ließ die Schultern hängen. "In Ordnung." Also nahm er Marina wieder auf den Arm und stieg vorsichtig über die blutigen Reste im Eingang hinweg.
Ihr Wunsch würde sich also doch noch erfüllen.