Misstrauisch beäugte ich das Kind, das schon den ganzen Tag einem Engel gleich jeden Bewohner der Villa freundlich grüßte. Selbst ihr kleiner Mund, aus dem sonst ein unablässiger Schwall von Worten hervorquoll, war zu einem entzückenden, friedvollen Lächeln geformt. Was führte das Gör wieder im Schilde?
Ich schüttelte meine glänzenden schwarzen lederartigen Flügel und flatterte auf die Spitze des Kratzbaums in Caliquelas Büro. Hier oben war ich sicher vor den Gemeinheiten des Mädchens. Meine Augenlider wurden schwer und ich brummte zufrieden.
Ein verlockender Duft, der aus der geräumigen Küche durch die Villa strömte, und jeden auf seinem Weg betörte, weckte mich auf. Schläfrig hob ich den Kopf, blinzelte einige Male und schaute aus dem großen Fenster hinaus in den Garten. Hatte jemand dort ein paar Säcke Kokain ausgeschüttet? Oder hatten die Wachhunde eine Wagenladung Kopfkissen zerfetzt? Ich rieb mir mit der Pfote über die Augen.
Schnee. Dichte weiße Flocken rieselten vom Himmel herab, deckten alles Leben mit seiner eisigen Decke zu. Angewidert schüttelte ich mich. Zu meinem Glück saß ich drinnen im warmen Haus. Nur Caliquela fehlte mir.
Ich hüpfte vom Kratzbaum, strolchte zur schweren Holztür, die nur angelehnt war. Leise brummelnd quetschte ich mich hindurch und lauschte einen Moment. Die Köchinnen rumorten in der Küche, klapperten mit Töpfen und Pfannen. Gebratene Ente oder Gans, Rindfleisch, Tomatensoße und viele andere Düfte lockten mich, winkten mich heran. Seufzend widerstand ich. Beim Besuch am frühen Morgen hatten die Frauen mich mit einer Suppenkelle hinausgejagt. Frustriert schlug ich eine andere Richtung ein. Wo steckte nur dieser verflixte Italiener?
„Warte, das ist die Letzte“, vernahm ich eine mir wohlbekannte tiefe Stimme, die mir oft süße Kosenamen ins Ohr flüsterte. Woher kam sie? Im Wohnzimmer! Im gestreckten Lauf eilte ich zu ihm.
Abrupt bremste ich ab. Das engelsgleiche Verhalten Claras, das emsige Treiben in der Küche, selbst der Schneefall ergaben einen Sinn. Ich linste zu den bunt verschnürten Päckchen unter einer riesigen geschmückten Tanne. War da etwas für mich dabei?
„Dann wollen wir mal sehen, ob es jetzt klappt“, murmelte mein Italiener. Er steckte den Letzten der Stecker in eine Steckdosenleiste und betätigte den Schalter. Der Raum erstrahlte im Glanz unzähliger Lichter. Auf einem Hocker im Schein der Weihnachtskerzen lag ein Geschenk, das herrlich nach Catnip roch. Mein Geschenk, im hellen Schein des Weihnachtsbaumes.