Du bist Allyster der Sehende.
„Nichts da“, brummst du. „Wir gehen zu Aji.“
„Aber das ist doch sicherlich eine Falle!“, widerspricht der Krieger.
„Wenn es nicht klappt, kannst du nachher immer noch meckern.“
„Das bezweifele ich.“
Im Schutz des Ammoniten schleicht ihr vorwärts und taucht schließlich in das Gerüst der Arena ein. Diese ist oval und besteht offenbar aus einem Ring gestapelter Tribünen, die alle zu einem offenen Platz in der Mitte weisen. Nun befindet ihr euch unter den großen Sitzflächen, die für Druiden gedacht sind, und schleicht leise immer weiter vor. Außerdem gibt es vorne eine Wand, die den Platz umgibt und vermutlich verhindern soll, dass man aus der Arena entkommt, aber ansonsten ist der Bereich unter den Tribünen offen, nur durchbrochen von verästelten Stützbalken, die wie natürlich gewachsene Bäume, jedoch ohne Blätter, aussehen.
Du hörst merkwürdige Geräusche auf der anderen Seite der Wand. Das Johlen der Zuschauer übertönt sie größtenteils, doch es klingt nach Stöhnen, Wimmern und … Knarzen?
Du huschst an der Mauer entlang, bis du eine Öffnung findest, ein etwa kopfgroßes Loch. Als du hindurchsiehst, stockt dir der Atem. „Da ist er!“
Aji steht in der Mitte der Arena. Der Junge trägt den Ametrin offen auf der Brust, und der Stein leuchtet violett. Mehrere Leichen wanken durch die Arena. Die meisten sind skelettiert. Sie tragen Schmuck aus Holzperlen oder Pflanzenfasern um Arme und Beine und teilweise Kronen aus trockenen Zweigen. Einige sind frischer und haben noch Fleisch auf den Knochen. Du erkennst Menschen und Elfen, bemalt mit grüner und blauer Farbe und mit dem gleichen Schmuck. Sie sind unverletzt, bis auf blutige Schnitte an der Kehle.
Offenbar Menschenopfer, die mit der Macht des Totensteins wiederbelebt wurden.
Neben Aji steht ein weiterer Druide. In der Hand hält er einen weiteren Stein. Dieser glüht noch roter als Ajis. Der Blutjaspis!
„Gut, dass wir den Stein nicht gesucht haben“, sagt Arthrax grinsend. „Er war die ganze Zeit hier.“
„Ja, ja“, knurrst du.
„Lass sie kämpfen!“, befiehlt der Druide neben Aji mit dröhnender Stimme. „Na los! Wir wollen einen Krieg sehen.“
Ajis Antwort kannst du nicht verstehen, doch du siehst, dass er um Gnade fleht. Doch daraufhin kriegt Eis über seine Haut, bis er sich dem Befehl wieder beugt. Die Druiden zwingen ihn dazu, seine gesamte Kraft aufzubrauchen!
Wie kannst du ihm helfen? Vor deinen Augen gehen die wiederbelebten Toten aufeinander los und schlagen nach einander. Aji wendet den Blick ab, als morsche Knochen Fetzen alten Fleisches von Rippen ziehen. Ein bestialischer Verwesungsgestank erhebt sich, doch die Druiden scheinen ihn nicht wahrzunehmen oder sogar zu begrüßen. Sie jubeln laut, während sich die Leichen gegenseitig zerfetzen. Die Macht des Ametrins lässt sie jedoch nicht los, egal, wie schlimm ihre Wunden sind. Einzelne Gliedmaßen kriechen und krabbeln durch die Arena, deren Holzboden mit einer Schicht Sand bedeckt ist. Der gelbliche Sand hat sich bräunlich-orange verfärbt.
Arthrax würgt. Deine Gedanken gelten Aji. Der Junge steht inmitten des Chaos und schwankt bereits bedrohlich. Die Druiden zwingen ihn, seine Kräfte zu erschöpfen. Aji kann sich nicht wehren. Denn die beißende Kälte siegt am Ende immer, egal, was er versucht.
Was für eine finstere Macht der Stein besitzt!
Ihr müsst ihn bekommen. Schon allein, damit er nicht gegen Kalynor eingesetzt werden kann. Und natürlich musst du Aji retten.
Nur wie?
„Wir könnten uns einfach reinschleichen“, schlägt Arthrax vor. „Der Ammonit schützt uns. Wir überrumpeln diesen Druiden, Aji befreit sich …“
„Ja. Aber dann stehen wir mitten in der Arena, umringt von Druiden.“ Du siehst dich zweifelnd um. „Und wenn etwas schiefgeht, genügt ein Wort des Druiden mit dem Schöpferstein, und alle Zombies greifen uns an! Aji kann sich nicht dagegen wehren.“
„Was sollen wir dann machen? Wir können nicht nichts tun!“
Du siehst dich fieberhaft um. Welche andere Option bleibt dir denn? Du hast nicht besonders viel Zeit, bevor es für Aji kritisch wird. Aber vielleicht kannst du für eine ordentliche Ablenkung sorgen. Du hast hier unten mehrere Türme gesehen, auf denen große Gongs sind, und vielleicht kannst du auch Feuer legen oder mit ein bisschen Magie für Aufruhr sorgen. Womöglich reicht das, damit dein Lehrling seinen Peiniger überwältigen kann.
Aber wenn du Pech hast, ist Aji nicht schnell genug oder der Druide durchschaut den Plan.
Du entscheidest dich, …
- … nach einer Möglichkeit zur Ablenkung zu suchen. Lies weiter in Kapitel 38.
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- … direkt einzugreifen. Lies weiter in Kapitel 39.