Liliannas Hand ruhte noch immer auf ihrem Hals. Dort, wo sie den Kuss dessen, der sie vor dem Tod im Eiswasser gerettet hatte, noch immer fühlte. Als könnte sie ihn dort bewahren, hielt sie die Stelle fest umschlossen. Es war kalt. Bleich zeichneten sich ihre Finger auf ihrem blassen Hals ab, wo Strähnen ihres roten Haares sich mit den sanften roten Linien mischten, die sein Kuss ihr geschenkt hatte. Die Erinnerung an den Kuss hielt eine ungekannte Wärme in ihr, eine Wärme, die sie der Kälte trotzen ließ, sie wusste nicht, wie lange schon. Doch solange sie den Kuss noch festhielt, floh die Wärme nicht, also hielt sie ihre Hand weiter dort an ihrem Hals. Eine Berührung riss sie aus ihrer Verzückung. Schlagartig stieg Entsetzen in ihr auf, als sie auf die getrockneten Rinnsale des Blutes blickte, die ihre Haut überzogen. ,,Lilianna,”, beruhigte sie eine vertraute Stimme, ,,bist du in Ordnung?”. Sie wand sich um. Das Stroh am Boden raschelte. Im Halbdunkel des steinernen Kerkers erkannte sie eine ihrer Ordensschwestern. Das durch ein schmales hochgelegenes Fenster hereinfallende Mondlicht umrahmte das rosige Gesicht Sophjas, deren sonst so lebensfroher Ausdruck Angst gewichen war. Ihr braunes Haar, das sie immer zu einem großen Zopf flocht, wirkte durcheinander, Schmutz lag darin, ebenso wie auf ihrer Haut, die stellenweise aufgeschürft war. Erst jetzt bemerkte Lilianna, dass sie beide nackt waren. Sie erschrak. ,,Die Wunde sieht verschlossen aus”, stellte Sophja mit einem Blick auf Liliannas Hals fest. ,,Sie haben uns alle…”, die Stimme ihrer Ordensschwester versagte. Immer noch durcheinander schloss Lilianna sie in die Arme. Sophjas Körper war ebenfalls ausgekühlt, sie zitterte, vor Kälte, und unter Tränen. Lilianna versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, ,,Da war ein edler Mann, er… rettete mich.”. ,,Gerettet wurde niemand von uns,”, widersprach Sophja, die sich wieder gefangen hatte, Lilianna aber dennoch weiter umschlungen hielt, ,,Sie haben uns hergeschleift wie Vieh, sich an unserem Blut bedient und…”, ihre Stimme begann erneut zu brechen, ,,haben alle, die nicht auf ihrer Liste standen umgebracht. Gebissen und ihr Blut gesoffen, bis nur noch bleiche, tote Körper zurückblieben”. Zorn und Verzweiflung schwangen in ihren Worten mit. ,,Nach dem ersten Schrei im Schlafsaal waren sie plötzlich überall, zerrten uns aus den Betten, fielen über die Älteren her, überall wurde gekämpft, Flammen stoben auf. Ich habe nur noch gesehen, wie das Haupthaus im Feuer zusammenfiel, als man uns wegbrachte.” Erneut von Tränen geschüttelt krallte sich Sophja an Lilianna. Fassungslos versuchte Lilianna, das soeben gehörte zu begreifen. ,,Das Kloster ist niedergebrannt worden?”, wiederholte sie fassungslos. ,,Ja.”, schluchzte Sophja. Wir sind die einzigen Überlebenden. Manche flohen, doch sie haben uns gejagt.” Aus der Dunkelheit hob sich eine weitere Stimme, ,,Wir hatten keine Chance. Alles, was sie uns über Strigoi beigebracht haben, war falsch. Sie fürchteten weder das Zeichen des Lichts, noch geweihtes Wasser oder Gebete”. Verbitterung lag in Svanjas Stimme, als sie ins Mondlicht trat. Ihr hochgewachsener Körper war von etlichen Bisswunden entstellt und ihr blondes Haar blutbefleckt. Dennoch hielt sie sich auf den Beinen. Svanja war schon immer die Stärkste unter ihnen gewesen. Sie so zu sehen versetzte Lilianna einen Stich. ,,Wieviele haben die Strigoi getötet”, zwang sie sich zu fragen. ,,Außer uns dreien haben sie nur noch Alin, Marlen, und Fenja geholt.”, gab sie kalt zur Antwort, ,,alle anderen… Ich glaube nicht, dass es sonst jemand überlebt hat.” ,,Sag das nicht!”, fuhr eine helle Stimme sie an. Lilianna erkannte Fenja, die die schluchzende Alin in den Armen hielt. Fenjas weißblondes Haar stand in starkem Kontrast zu dem schwarzen Alins. ,,Viele sind sicher in die Wälder entkommen.” Svanja wollte zu etwas ansetzen, doch der Anblick Alins schien ihre Meinung zu ändern, ,,Sicher hast du Recht”, stimmte sie wenig überzeugt zu. Alin war schon immer hager gewesen, sie hatten sich früher immer darum gesorgt, ob ihre kränklich wirkende Ordensschwester auch genug aß. Obwohl sie wie sie alle volljährig war, wirkte sie oft kindlich und zerbrechlich. Es war einfach nicht gerecht, dass Malin derlei erleben musste. Lilianna wusste nichts über Alins Vergangenheit, sie schwieg darüber, aber sie musste in jungen Jahren Fürchterliches erlebt haben, bevor sie ins Kloster gebracht worden war. Aber wenn Alin nicht hier gelandet wäre, wäre sie wohl in den Wäldern erfroren oder von den Strigoi getötet worden. Lilianna wusste nicht, welches Schicksal besser wäre. Aus stillem Gebet wand sich Marlen an sie, die in einer anderen Ecke der Kerkerzelle gekniet hatte, ,,Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.”. Mit ihrer warmen Stimme und dem golden gelockten Haar wirkte sie im unwirklichen Licht wie eine Heilige. ,,Das Licht hat noch immer einen Plan für uns, wenn er in der Finsternis auch nicht erkennbar ist.” Svanja schnaubte missmutig, sagte aber nichts. ,,Du meintest, sie hatten eine Liste?”, erinnerte sich Lilianna. ,,Ja,”, bestätigte Sophja, die mittlerweile neben Lilianna Platz genommen hatte, ,,sie schienen einige bestimmte von uns gewollt zu haben.” ,,Woher wusste sie, wer von uns wer ist?” Sophja fröstelte. ,,Sie habe irgendetwas mit uns gemacht. Einer packte mein Gesicht, er sah mir in die Augen und…”, das Erinnern fiel ihr sichtlich schwer, ,,ich konnte nicht anders, als ihm meinen Namen zu nennen, als er danach fragte.” ,,Sie sahen so menschlich aus, nicht wie die Monster, von denen man uns erzählt hatte.”, fügte Svanja nachdenklich hinzu. ,,Wir wissen wirklich zu wenig über sie.” ,,Haben sie denn alle von ihrer Liste bekommen?”, hakte Lilianna nach. Kopfschütteln war die Antwort. Svanja erklärte, ,,Als sie uns hatten, haben sie die Liste vernachlässigt, die Gier überkam sie, wir schienen ihnen gereicht zu haben, sie haben dann kaum noch nach Namen gefragt, bevor sie unseren Schwestern die Hälse aufrissen und das Blut soffen.” Alin schluchzte ob der Schilderung auf. Fenja sah Svanja strafend an, beruhigend strich sie der Kleineren durch das Haar. ,,Die Frage ist, was tun wir nun”, stellte Lilianna fest. ,,Vielleicht hilft es uns zu wissen, warum sie uns ,,Darüber haben wir uns schon die ganze Zeit den Kopf zerbrochen. Wir kamen zu keinem Ergebnis.”, ernüchterte Svanja. Lilianna wollte zu sprechen ansetzen. ,,Wir haben auch schon jeden Zentimeter des Raumes abgesucht.”, kam Svanja ihr zuvor, ,,Nichts Hilfreiches. Die Gitterwand zum Korridor ist aus massiven Eisenstangen, die Zellentür fest verschlossen.” Lilianna schwieg lange. Erst nach einiger Zeit drängte sich ihr erneut eine Frage auf, die so naheliegend war, dass es sie selbst verwunderte, warum sie sie erst jetzt stellte ,,Ihr sagtet, sie wären wie blutrünstige Bestien gewesen.” Die anderen nickten. ,,Ich war in den Wald entkommen, auf dem See brach ich im Eis ein. Ein wunderschöner Edelmann zog mich heraus. Er wirkte… liebevoll. Ich spürte seinen Biss nicht, bis eben dachte ich, es wäre ein… Kuss gewesen.” ,,Das muss ihre den Geist verwirrende Kraft gewesen sein, so werden sie uns auch zum Nennen unserer Namen gebracht haben.”, überlegte Sophja. ,,Aber,”, erwiderte Lilianna, er hat mich nicht nach meinem Namen gefragt.” Zeit verging, doch sie kamen mit ihren Überlegungen nicht weiter. Irgendwann verebbte das Gespräch. Zusammengekauert warteten sie. Die Sonne ging auf und wieder unter. Niemand sah nach ihnen. Alin klagte über Hunger und auch sie verspürten solchen. Wasser hatte man ihnen in einem Eimer bereitgestellt, ein weiterer leerer Eimer stand daneben. Als Liliannas Bedürfnis sich zu erleichtern drängender wurde, stellte sie mit Schrecken fest, wofür der Eimer gedacht war. Sie riss sich zusammen, doch musste sich bald die Ausweglosigkeit eingestehen. Mit schamesrotem Gesicht erleichterte sie sich vor ihren Schwestern in den Eimer, die ebenso beschämt die Köpfe abwanden. Bald jedoch taten sie es ihr gleich. Nur Alin brachte es nicht über sich. Irgendwann kroch sie weinend in eine Ecke. Lilianna sah, wie sie sich selbst benässte. Die Sonne ging, erneut stieg Dunkelheit auf. Der Mond stand bereits hoch am Himmel, als plötzlich Schritte über den Korridor hallten. Fackelschein kroch über die Wände und bald waren die Schatten mehrerer Personen an der Wand zu sehen. Lilianna hätte fast vor Erschrecken aufgeschrien, als sie sah, wer da vor das Gitter der Zelle trat. Umringt von vier Wachen, in Begleitung eines edel gekleideten Höflings, stand dort der Mann, der sie aus dem Wasser gezogen hatte. Er schien nur wenig älter als Katharina und doch lag etwas Uraltes in seinen eisblauen Augen. Das marmorweiße Gesicht war scharf geschnitten und ruhte Ehre gebietend. Golden lockte sich sein Haar auf die schwarze Brokatkleidung. Auf dem Jabot aus weißer Spitze funkelte ein dunkler Rubin. Ehrfurcht gebietend warf er den dunklen Umhang zurück, dessen seidenes Futter frischem Blut gleich glänzte, ,,Guten Abend.”, dunkel und voll hallte seine Stimme in den Kerkern wider. Lilianna zuckte zusammen. ,,Habt vor mir keine Angst. Ich bin Graf von Nebeltann, dieses Schloss gehört mir.”, nicht einmal Svanja hatte sich erhoben. Alle blickten sie wie gelähmt zu der Erscheinung. ,,Ich bedaure, was nötig war.”, Trauer stand in seinen Zügen und irgendetwas in Lilianna wollte alles tun, sie ihm zu nehmen, dieser perfekten Gestalt alles Recht zu machen. ,,Wir stehen wohl auf zu verschiedenen Seiten. Doch ich habe Hoffnung, dass ihr einen Platz in der Welt außerhalb eurer Klostermauern finden werdet.”. Anscheinend wollte er sie nicht töten. ,,Ihr fragt euch, warum ihr verschont geblieben seid, während es eure Schwestern nicht sind. Ihr hattet Glück. Das ist zumeist die Antwort. Es gibt keinen höheren Plan, Strigoi mit Macht taten, was in ihrer Macht stand, ihr hattet nicht die Macht, es zu verhindern. Zufällig seid ihr diejenigen, die der Welt zum Beweis unseres Sieges bleiben sollen.”, er wirkte unendlich kalt, als er dies aussprach. Die Furcht abschüttelnd erhob sich Marlen, ,,Das ist nicht wahr! Das Licht hat immer einen Plan!”. Lilianna erschrak. Marlens Glaube war immer stark gewesen, aber war das der Moment, ihn zu verteidigen? Doch zu ihrer Beruhigung lachte der Graf nur, ,,Glaube das nur. Ich bin hier, um euch vor eine Wahl zu stellen.” Er schritt vor dem Gitter auf und ab. ,,Es ist eine einfache Wahl, opfert eure Jungfräulichkeit, oder opfert euer Leben.”, er ließ die Worte wirken. Entsetzt blickte ihn Lilianna an. Auch die anderen schienen wie erstarrt. ,,Wir sind Schwestern des Ordens des heiligen Blutes!”, erwiderte Marlen nicht mehr ganz so sicher, ,,Niemandem ist es gestattet, uns anzurühren. Das Licht verlangt unsere Reinheit!”. Fast mitleidig schüttelte der Graf den Kopf, ,,Das Licht verlangt gar nichts. Wenn es je da war, hat es diese Welt lange verlassen. Aber ich verlange nicht, dass ihr die Bedeutung von all dem versteht. Ihr müsst nur die Entscheidung treffen. Wollt ihr entjungfert weiterleben, oder als Jungfrauen sterben. Wie wichtig ist euch euer illusionärer Glaube tatsächlich?” Mit diesen Worten wand er sich ab. Langsam schritt er fort. Lilianna war es, als packte sie eine Sehnsucht, ihm nachzueilen. Sie drängte sie bei Seite. ,,Ich werde bereitwllig für das Licht und meine Reinheit den Tod auf mich nehmen!”, rief Marlen ihm hinterher. Aber ganz überzeugend klang sie nicht.
Man ließ ihnen einen weiteren Tag Zeit. Die Schwestern durchlebten Wut, Verzweiflung, Angst, doch fanden sie keinen Weg, ihrer Situation zu entfliehen. Keine von ihnen wollte die Entscheidung fällen und auch wenn Marlen immer wieder betonte, dass jede Märtyrerin das Licht erwarten würde, konnte sie sich auch selbst kaum die Angst nehmen. Das Essen, das man ihnen mittlerweile gebracht hatte, rührten sie trotz des Hungers kaum an. Dann war es erneut Nacht geworden. Die vier Wachen, angeführt von dem schwarzhaarigen Höfling, der zuvor den Grafen begleitet hatte, kamen in ihre Zelle. Svanja versuchte, sich zu wehren, doch einige Fausthiebe der kampferprobten Männer streckten sie nieder. Letztlich wurden ihnen allen Ketten angelegt. Ein eiserner Halsring verband Hand- und Fußgelenke mit Ketten, sodass sie nur wenig Bewegungsspielraum hatten. Grob wurden sie durch die Korridore geführt. Erst jetzt erkannte Lilianna die große ihres Gefängnisses. Weitläufige Katakomben erstreckten sich unter dem düsteren Gemäuer, das beengend um sie auftat, als sie die Kerker durch eine Tür am Ende einer Wendeltreppe zum Burghof hin verließen. Schwindelnd aufragende Türme zeichneten sich vorm vollen Mond ab, die grauen Zinnen erhellten Wachen mit Fackeln, und ein gewaltiges Tor versperrte ihnen den Ausweg. Verschlungene Wege führten zwischen morbiden Statuen zu den in die Schlossmauer eingelassenen Gebäuden. Spitze Fenster und Bögen ließen das Anwesen dunkel und bedrohlich wirken. Lilianna und ihre Ordensschwestern wurden zu einem Hinterhof geführt, der schmucklos wirkte. Übungspuppen und Waffenständer ließen an einen Exerzierplatz denken. In der Mitte des von blanken Mauern umgebenen Hofes klaffte eine kreisrunde Grube im Boden, deren Wände gemauert waren. Als sie näher kamen erkannte Katharina, dass es ein tiefer liegender Sandplatz war, zu dem mehrere Gängen, die aus den Katakomben kommen mussten, führten. Lilianna dachte unweigerlich an die Kampfarenen, die es in ungläubigen Kulturen geben sollte. Am Rand der Grube waren mehrere Pfähle aufgestellt. Eine nach dem anderen wurden sie an diese angekettet, bis sie in einer Reihe in die Grube blickten. Ein schreckliches Gefühl stieg in Lilianna auf, während sie hinabsah. Noch immer wusste sie nicht, wie sie sich entscheiden sollte. Was wäre, wenn sie sich weigerte, eine Entscheidung zu treffen? Die vier Wachen hatten neben den Pfählen Aufstellung genommen. Mit kalter Miene schritt der Höfling vor ihnen entlang. Sein glatt fallendes schwarzes Haar ließ sein bleiches, scharf geschnittenes Gesicht noch fahler wirken. Er hatte etwas diabolisches. ,,Verehrte Damen,”, sagte er mit einer Stimme, in der bereits jetzt Grausamkeit schwang, ,,mein Name ist Raoul. Ich bin heute hier, um Euch bei Eurer Entscheidung… behilflich zu sein.”, ein finsteres Grinsen deutete sich auf seinen schmalen Lippen an. Seine schwarze Brokatkleidung wehte unheilvoll auf. ,,Ich habe mich bereits entschieden.”, rief Marlen allen Mut zusammennehmen. Raoul sah sie mit einem Interesse an, mit der ein Kind einem Käfer die Beine ausriss. ,,Ich sterbe lieber, als meinen Glauben zu verraten!”, verkündete Marlen mit stolz emporgerecktem Gesicht, doch die Tränen in ihren Augen verrieten, wie schwer ihr diese Worte gefallen waren. ,,So?”, gab Raoul anerkennend zurück. ,,Wie mutig. Dann wollen wir diese Entscheidung natürlich respektieren.”, sagte er betont freundlich. Marlen zitterte. Ihr goldenes Haar wehte im Wind, während das Mondlicht ihren nackten Körper leuchten ließ. Sie war wirklich eine Heilige, dachte Lilianna. Vielleicht sollte sie es ihr gleichtun. Doch etwas in ihr sträubte sich zutiefst. Zwei der Wachen traten auf Marlen zu. Ein eiserner Gürtel wurde ihr umgelegt. ,,Was soll das?”, kreischte Marlen, als sie daran eine ihre Scham bedeckende Metallplatte anbrachten, die nach hinten v-förmig mit dem Gurt verbunden wurde. Marlens Stimme hatte die Sicherheit verloren, als die Männer an ihrer Hüfte hantierten. ,,Wir wollen doch nicht, dass du versehentlich entjungfert wirst. Nein, es soll nur dein Hintern zugänglich sein.”, lachte Raoul. ,,Mein… was?”, stammelte Marlen. Dann lösten die Wachen die Kette die sie am Pfahl hielt. Ein Tritt traf Marlen. Kurz taumelte sie, dann stürzte sie mit einem spitzen Schrei in den Sand der Grube. Ungläubig starrten die Klosterschwestern auf das Geschehene. Marlen richtete sich benommen auf. Der weiche Untergrund musste das Schlimmste ihres Sturzes abgefangen haben. Die Ketten machten ihr die Bewegung schwer. ,,Was soll das?”, rief sie Raoul zu. Wie zur Antwort blies dieser in eine silberne Pfeife. Kein Geräusch erklang. Verwundert sah ihn Lilianna an. Da erregte eine plötzlich Bewegung in der Dunkelheit einer der Gänge ihre Aufmerksamkeit. Mit unwirklich langen Gliedmaßen kroch ein hoch gewachsener Mann hinaus. Nein, kann Mann, erkannte sie mit zunehmendem Schrecken. Die Kreatur war vielleicht menschenähnlich, doch das fahle graue Fell, dass den sehnigen Körper bedeckte, bewies etwas anderes. Als das Wesen seine lange Wolfsschnauze ins Mondlicht reckte, war jeder Zweifel beseitig. ,,Hinter dir!”, schrie Lilianna entsetzt. Marlen wand sich um und erstarrte. Der Lykantroph, so wurden die Bestien in den Klosteraufzeichnungen genannt, stakste auf krallenbewährten Läufen ins Freie. Aufrecht, die Klauen zuckend, witterte er, scheinbar unsicher, was er mit der Ordensschwester anfangen sollte, während sein Schweif bedrohlich züngelte. Marlen fing sich. Mit Angst in den Augen stürmte sie zum gegenüberliegenden Gang. Kurz bevor sie ihn erreicht, stoppte sie abrupt und taumelte rückwärts. Ein weiterer Lykantroph war aus der Dunkelheit getreten. Panisch sah sich Marlen um, aus jedem Gang kam nun eine der Kreaturen. Hektisch rüttelte sie an den Ketten, doch sie bekam sich nicht befreit. Es schien, als warteten die Bestien auf etwas. Raoul blies erneut in die Pfeife. Sofort stürmten sie los. Lilianna schrie, ebenso wie ihre Schwestern. Mit Geifer im Maul warfen sich die Kreaturen auf die kreischende Marlen, der keine Zeit mehr blieb, zu rennen. Klauen packten sie, warfen sie zu Boden, ein Maul voller Reißzähne verbiss sich in ihrer Seite, nur um von weiteren Pranken weggerissen zu werden, die Marlen für sich beanspruchten. Lilianna starrte stumm vor Entsetzen auf das Geschehen. Marlens wehrloser Körper wurde zwischen den Monstren hin und hergeworfen, blutige Striemen bedeckte ihren Leib. Schreiend trat sie um sich, ohne nur eine Sekunde, sich zu orientieren. Es war, als würden Hunde um Futter streiten. Ein besonders großes Tier hatte die Oberhand gewonnen und hielt die Kontrahenten mit warnenden Bissen fern. Marlen lag zuckend vor Schmerz am Boden. Während sich lange Fangzähne um ihren Hals legten, schloss sie die tränenverschmierten Augen. Ein stummes Gebet lag auf ihren Lippen. Doch der tödliche Biss blieb aus. Mit Grauen sah Lilianna, wie sich das Gemächt des Biestes aufrichtete. Bevor sie das Undenkbare begriff, stieß der Lykantroph zu. Marlen riss die Augen weit auf, ein animalischer Schrei entfuhr ihr, als der Schaft der Kreatur, vom Metall auf ihrer Scham abgeglitten, gegen ihren After drückte und sich in sie schob. Panisch warf sie sich hin und her. Sogleich warfen sich auch die übrigen Bestien wieder auf ihre Beute. Das Alphatier teilte erneut Bisse aus, dennoch schnappten Zähne nach Marlen. Kräftige Kiefer schlossen sich um ihre linke Hand. Im Moment, als der Lykantroph mit einem Ruck zur Gänze in ihren Hintern eindrang, sie mit den Pranken gewaltvoll an sich drückend, beanspruchten die Kiefer ihre Beute. Mit einem Ruck warf sich der Wolf zurück. In einer Fontäne roten Blutes blieb nur noch eine klaffende Wunde mit zwei zuckenden Fingern von Marlens Hand zurück. Ihr Kreischen überschlug sich. Während der massige Lykantroph auf ihr sie mit heftigen Stößen in den Sand trieb, verbissen sich weitere in ihren Armen und Beinen. Marlen heulte. ,,Nicht so! Nehmt meine Jungfräulichkeit! Lasst mich nicht so sterben!”, kreischte sie. Raoul schüttelte nur tadelnd den Kopf, ,,Du hattest deine Wahl.”, höhnte er. Auch Svanja hatte sich aus der Starre gerissen, ,,Beendet diesen Wahnsinn!”, schrie sie fassungslos. Sie erhielt nur Gelächter zur Antwort. Lilianna warf sich verzweifelt in ihre Ketten, es war ihr gleich, dass sie ihrer Schwester kaum würde beistehen können, doch sie musste irgendetwas tun. Ihr Befreiungsversuch war aussichtslos. Immer schneller bewegte sich der Kreatur in Marlens Hintern, während ihr Körper sich wand und die Mäuler weiterer an ihren Gliedmaßen zerrten. Mit einem widerlichen Reißen zerfetzte eines Marlens Wade. Blut spritzte auf. Marlen schien kaum noch schreien zu können. Während ihre Augen sich ins Weiße verdrehten ächzte sie heiser. Eine Lache begann den Sand unter ihr dunkel zu färben, als sich ihre Blase unter ihren Krämpfen entleerte. Lilianna konnte nicht mehr zusehen und doch gelang es ihr nicht, den Blick abzuwenden. Tränen strömten aus ihren Augen. Wie konnte Marlen, die Tugendhafteste unter ihnen, nur so aller Würde beraubt werden. Wie konnte das Licht soetwas zulassen? Ihre Schwester war nicht mehr als Mensch zu erkennen. Sie kreischte und wand sich wie ein Tier, nässte sich ein, während Speichel aus ihrem Mund rann. Knirschend barsten die Knochen in Marlens Unterarm, als scharfe Zähne ihn fortrissen. Im Maul der Bestie zuckte Marlens abgetrennte Hand noch, bevor sie verschlungen wurde. Mit einem tiefen Grölen ergoss der, die Geschändete immer noch durchnehmende, Lykantroph sich in ihren Hintern. Marlen übergab sich. Ihr Körper wurde fortgeschleudert, nur um von weiteren besprungen zu werden. Fest ihre Hüfte umklammernd trieb eine andere Kreatur ihr Glied in Marlens After, eine weitere drückte ihren erhärteten Schaft tief in ihre Kehle. Die zuckende Marlen zwischen sich hochreißend nahmen sie sie, während ihre zerfetzten Gliedmaßen herabbaumelten. Mit letzter Kraft, wie als gäbe es noch Hoffnung, reckte Marlen ihre Hand mit den verbliebenen Fingern gen Lilianna. Ihre Augen flackerten kurz. Dann trübte sich ihr Blick, als der Samen der Kreatur ihren Mund füllte, zwischen ihren Lippen hervortroff, und sie erstickend krampfen ließ. Sie hatten weder die Kraft zu schreien, als noch Tränen übrigbehalten, als auch die letzte Kreatur endlich damit fertig war, Marlens toten Körper zu Befriedigung ihrer Triebe zu benutzen. Mit leerem Blick, kraftlos in ihren Ketten hängend, sah Katharina, wie Stück für Stück aus der von Blut und Samen befleckten Leiche ihrer geschändeten Schwester gerissen wurde und in den Mäulern der Bestien verschwand. Ein Lykantroph riss mir scharfen Klauen ein Bein aus Marlen und trug es in die Finsternis der Gänge. Ein anderer verschwand mit einem Arm. Kräftige Bisse zerteilten ihren Torso, eine der Bestien riss sich Marlens entstellten Kopf herab, aus dem die Zunge schlaff heraushing. Das Bild der toten, schielenden Augen, des herabhängenden Kiefers, brannte sich tief in Lilianna ein. Das war die Wahrheit des Todes, dachte sie. Die Wahrheit der Welt. Beraubt, von aller falschen Herrichtung und Schminke, die man den im Kloster aufgebahrten Toten angedeihen ließ. Beraubt, von aller die entsetzliche Wahrheit verhüllende Lüge. Als Raoul sie fragte, ob noch jemand den Tod dem Verlust der Jungfräulichkeit vorziehen wollte, schwiegen sie alle. Und sie schwiegen noch lange, nachdem sie in ihre Zelle zurückgebracht worden waren.