Zugegeben: Julia hatte erwartet, dass es nicht leicht werden würde mit Joon zu reden. Doch dass es so kompliziert werden, damit hatte sie nicht gerechnet. Andererseits erstaunte es sie trotzdem, dass er so überrascht von ihrer Bitte war. Zudem war es sicher nicht das erste Mal, dass man ihn um so etwas gebeten hatte.
»Du bist verrückt.« Joon sah sie mit einem Blick an, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Glaubst du ich laufe einfach so durch die Stadt und töte Menschen, nur weil mich jemand darum bittet?« Er schnaubte. »Wohl kaum.«
»Aber-«, weiter kam sie nicht.
»Nein.« Er funkelte sie wütend an. »Auf gar keinen Fall. Das Gespräch ist beendet.« Joon drehte sich weg von ihr.
Julia biss sich kurz auf die Lippen und überlegte sich, was sie sagen könnte, um ihn umzustimmen.
»Drei Tage«, hörte sie ihn vor sich hin murmeln. »Sie wird nicht einmal drei Tage durchhalten.«
Dachte Joon, dass sie dermaßen hilflos war? Das machte sie jetzt doch ein wenig wütend. Sie war neu in der Stadt und heute erst angekommen, das stimmte. Aber so naiv war sie nicht. Fand sie jedenfalls. »Ich werde es dir beweisen«, murmelte sie entschlossen.
Zu ihrer Überraschung drehte er sich jetzt doch noch einmal um. »Klar«, Joon verdrehte die Augen. »Falls du in drei Tagen wieder hier bist, gebe ich dir einen aus. Nicht, dass das passieren wird.« Er drehte sich wieder um.
»Einverstanden.« Julia ballte die Hände zu Fäusten. »Und dann wirst du mir helfen, und zuhören, was ich zu sagen habe.«
»Natürlich.« Sie hörte Joon schnauben. »Es ist übrigens bald Sperrstunde. Also verschwinde besser, bevor sie dich noch rausschmeißen.« Es klang zynisch.
»Dann solltest du das wohl auch tun.« Sie drehte sich um.
»Wohl kaum. Für mich gelten andere Regeln.« Julia würde sich nicht unbedingt einen Menschenkenner nennen, doch selbst sie konnte den bitteren Ton in seiner Stimme hören. Erklären konnte sie sich ihn aber nicht.
Kaum dass Julia das Gasthaus verlassen hatte, kniff sie die Augen zu, da sie von den Neonlichtern der Schilder und Werbetafeln geblendet wurde. Nun besonders, da das Licht im Gasthaus doch schummrig war. Sie seufzte als, sie an ihr Gespräch mit Joon dachte. Natürlich hatte sie nicht erwartet, dass er voller Freude auf ihre Bitte reagieren würde. Doch dass er ihr mit solcher Ablehnung begegnete, damit hatte sie nicht gerechnet.
»Was solls.« Sie seufzte und blickte auf ihre Uhr. Diese zeigte ihr, dass es fast zehn Uhr war. Wenn sie sich jetzt nicht beeilte, würde sie von einer der Drohnen-Patroullien erwischt werden. Das wollte sie unbedingt vermeiden, da dies alles nur noch verkomplizieren würde. Trotzdem: Es ärgerte sie. Joons Verhalten ärgerte sie. War es nicht sein Job, Aufträge wie solche zu erledigen? Die aktuelle Regierung war schließlich nicht bekannt dafür zimperlich zu sein. Im Gegenteil. Und wenn ihre Nachforschungen stimmten, war Joon zumindest eine Art Handlanger von dieser. Doch das war auch schon alles, was sie hatte herausfinden können.
»Er ist echt seltsam«, murmelte Julia, als ihre Gedanken wie an ihr Gespräch mit Joon zurück schweiften. Konnte man es überhaupt so nennen? Sie war sich da nicht so sicher. Immerhin war sie diejenige, die am meisten geredet hatte. Er dagegen hatte nicht viel gesagt – und sie zudem mit einer Waffe bedroht. Sie konnte noch immer fühlen, wie schnell ihr Herz schlug, nur bei der Erinnerung daran. Sie hoffte wirklich, dass sie nicht so ängstlich auf ihn wirkte, wie es tatsächlich der Fall war. Doch wer wäre es auch nicht, wenn er auf einmal in den Lauf einer Pistole sprach?
Abgesehen von all dem, was zwischen ihnen passierte, musste Julia eingestehen, dass er sie auch beeindruckte. Die Haltung die er einnahm und ganz besonders dieser stechende Blick. Es hatte eine Unberechenbarkeit in seinen Augen gelegen, die sie noch bei niemand anderem gesehen hatte. Allein bei dem Gedanken daran bekam sie Gänsehaut.
»Er ist trotzdem ein Idiot«, murmelte sie aber mehr um sich selbst davon zu überzeugen. »Er hätte sich wenigstens anhören können, was ich zu sagen habe. Und was soll diese dumme Wette?« Julia drückte sich näher an eine Hauswand, als sie das Brummen einer Drohne hörte. Diese Nacht würde noch lang werden, da war sie sich sicher.