»Du willst was?« Julia starrte Joon mit großen Augen an, so als könne sie nicht glauben, was er da vorgeschlagen hatte. Was vermutlich auch der Fall war.
Joon seufzte. »Wir müssen zurück in die Stadt.« Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare, eine Geste, die seine innere Anspannung verriet. Der Fund des Rucksacks mit den Eclipse-Dokumenten hatte alles verändert. Sie konnten nicht länger in der relativen Sicherheit der Einöde verweilen. So gerne er es auch täte.
»Aber warum? Hast du nicht eben noch gesagt, dass es zu unsicher ist, dort zu sein? Und jetzt willst du plötzlich zurück?« Er konnte das Unverständnis in ihrer Stimme hören. »Das macht doch keinen Sinn.«
»Ich verstehe, dass du skeptisch bist«, entgegnete Joon. »Ich bin es auch. Aber wir können nicht hier bleiben.«
»Das hast du erst gestern noch über deine Wohnung gesagt«, erinnerte Julia ihn.
Joon spürte, wie sich seine Schultern anspannten. Julia hatte Recht, und ihre Skepsis war mehr als berechtigt. Er atmete tief durch, bevor er antwortete. »Du hast Recht«, gab er zu. »Es klingt widersprüchlich. Aber die Situation hat sich geändert.« Er deutete auf den Rucksack mit den Eclipse-Dokumenten. »Diese Informationen könnten der Schlüssel zu allem sein. Zu deinem Bruder, zu Eclipse, zu dem, was wirklich vor sich geht.«
Er sah Julia direkt in die Augen, bemüht, seine eigene Unsicherheit zu verbergen. »Ich weiß, es ist riskant. Aber wir haben hier draußen keine Ressourcen, um diese Daten zu analysieren. In der Stadt habe ich Kontakte, Ausrüstung, Möglichkeiten.«
Joon machte eine Pause, überlegend, wie er seine nächsten Worte wählen sollte. »Außerdem... Die Stadt bietet zumindest die Möglichkeit unterzutauchen, uns zu bewegen.« Er beobachtete, wie sich verschiedene Emotionen auf Julias Gesicht abzeichneten. Furcht, Zweifel, aber auch eine gewisse Entschlossenheit. »Ich weiß, ich verlange viel von dir«, fuhr er sanfter fort. »Und ich verstehe, wenn du Angst hast. Aber ich verspreche dir, ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dich zu beschützen.«
Joon hielt einen Moment inne, dann fügte er hinzu: »Wenn du nicht mitkommen willst, verstehe ich das. Ich kann dich an einen sicheren Ort bringen. Aber ich muss zurück. Diese Chance können wir nicht verstreichen lassen.«
»Du bist echt irre.« Julia verschränkte die Arme vor der Brust. »Gehört das zum Superagenten-Dasein dazu? Oder ist das einfach eine Macke von dir?«
Joon war sich nicht sicher, ob sie ihm ein Kompliment oder einen Vorwurf machte. Es hörte sich nach einer Mischung aus beidem an. Also zuckte er mit den Schultern.
»Du bist wirklich irre«, sagte Julia noch einmal. »Und ich auch.«
»Ach ja?« Joon zog belustigt eine Braue in die Höhe. »Dann kommst du mit?«
»Ich kann nicht glauben, dass ich das sage aber ja, das werde ich«, antwortete Julia. »Ich werde ganz sicher nicht alleine hier bleiben. Wer weiß wie viele von den Idioten von Eclipse hier sind?«
Joon spürte, wie sich ein Lächeln auf seine Lippen stahl. Julias Entschlossenheit war beeindruckend, und er fühlte eine Welle der Erleichterung, dass sie sich entschieden hatte, bei ihm zu bleiben. »Dann sind wir wohl beide irre«, sagte er mit einem leichten Grinsen. »Aber zusammen haben wir bessere Chancen.«
Plötzlich erstarrte Joon. Aus dem Augenwinkel hatte er eine Bewegung wahrgenommen. Er legte einen Finger an die Lippen, um Julia zu signalisieren, still zu sein, und drehte langsam den Kopf.
Etwa fünfzig Meter entfernt stand eine Gestalt zwischen den Felsen. Die schwarze Kleidung und die Haltung ließen keinen Zweifel: Es war jemand von Eclipse.
Joons Herz begann zu rasen. Er griff instinktiv nach Julias Hand und zog sie näher zu sich. »Nicht bewegen«, flüsterte er kaum hörbar. »Eclipse. Einer von ihnen ist hier.«
Er spürte, wie Julia neben ihm erstarrte. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren, während er versuchte, ihre Optionen abzuwägen. Flucht? Kampf? Verstecken?
Der Eclipse-Agent schien sie noch nicht bemerkt zu haben. Er bewegte sich vorsichtig zwischen den Felsen, offensichtlich auf der Suche nach etwas. Vermutlich nach dem Rucksack, den sie gefunden hatten.
Joon wusste, dass sie nur Sekunden hatten, bevor sie entdeckt werden würden. Er drückte Julias Hand fester und flüsterte: »Auf mein Zeichen rennen wir zum Motorrad. Bist du bereit?«
Er spürte, wie Julia neben ihm nickte. Die Spannung war fast greifbar.
»Jetzt!«, zischte Joon und zog Julia mit sich. Sie sprinteten los, während hinter ihnen ein Ruf ertönte. Der Eclipse-Agent hatte sie entdeckt. Joon hörte Schritte hinter ihnen, als sie auf das Motorrad zurasten. Er wusste, dass alles von den nächsten Sekunden abhing. Ihre Flucht, ihre Sicherheit, sogar ihr Leben.
Mit einem Sprung erreichten sie das Motorrad. Joon schwang sich darauf, zerrte Julia unsanft hinter sich und startete den Motor. Der Lärm hallte durch die Felsen, als sie losfuhren, gerade als der Eclipse-Agent um die Ecke bog.
»Festhalten!«, rief Joon über den Motorenlärm hinweg, während er das Motorrad beschleunigte. Sie rasten durch die karge Landschaft, der Verfolger immer noch hinter ihnen.
Joon spürte, wie Julia sich eng an klammerte und sah, wie ihre Hände, mit welchen sie seine Taille eng umklammerte, zitterten. Auch durch seine Adern schoss Adrenalin, doch er war erfahren genug, sich das nicht anmerken zu lassen. Er wusste: Würde Julia merken, dass er ebenfalls nervös war, wurde die Situation nur noch mehr eskalieren. Das durfte er nicht zulassen.
»Ich bin hier bei dir«, sagte Joon und legte, um es zu verdeutlichen, eine seiner Hände kurz auf ihre. »Dir wird nichts passieren.« Das hoffte er jedenfalls.
Er konnte hören, vor allem aber fühlen, wie Julia etwas in seinen Nacken wimmerte. Vielleicht seinen Namen. Sicher war er sich jedoch nicht.
Joon beschleunigte das Motorrad noch einmal, was daraufhin einen Satz nach vorne machte. Er höre einen Aufschrei von Julia hinter sich.
Joon beschleunigte das Motorrad noch einmal, was daraufhin einen Satz nach vorne machte. Er hörte einen Aufschrei von Julia hinter sich, spürte, wie sich ihre Arme noch fester um seine Taille schlangen.
Der Wind peitschte ihnen entgegen, während sie über den unebenen Boden rasten. In seinem Rückspiegel konnte Joon sehen, dass der Eclipse-Agent in einem schwarzen Geländewagen die Verfolgung aufgenommen hatte. Der Wagen holte auf, trotz Joons waghalsiger Fahrweise durch das felsige Terrain. »Halt dich fest!«, rief Joon über seine Schulter. »Ich muss uns von der Straße runter bringen!«
Mit einer scharfen Lenkbewegung steuerte er das Motorrad von dem schmalen Pfad, den sie bisher gefolgt waren, direkt in das unwegsame Gelände. Das Motorrad bockte und sprang über Steine und kleine Erhebungen.
Joon hörte Julia hinter sich keuchen, spürte ihre Fingernägel, die sich durch den Stoff seiner Jacke in seine Haut bohrten. Der Geländewagen folgte ihnen, aber Joon wusste, dass er im Vorteil war. Das Motorrad war wendiger, konnte Wege nehmen, die für das größere Fahrzeug unmöglich waren. Er steuerte auf eine enge Schlucht zu, die sich vor ihnen auftat.
»Halte die Augen geschlossen!«, schrie er gegen den Wind. Er wusste, dass das, was er vorhatte, riskant war. Aber es war ihre einzige Chance. Mit voller Geschwindigkeit raste Joon auf die Schlucht zu. Im letzten Moment zog er das Motorrad hoch, ließ es über eine natürliche Rampe springen. Für einen Moment schienen sie zu fliegen, die Welt um sie herum verschwamm zu einem Wirbel aus Farben und Geräuschen.