Julia saß in einem schummrigen Computer Café, mitten in der Stadt. Die schwache Beleuchtung warf lange Schatten auf die Wände, die mit Postern vergangener Gaming-Turniere und vergilbten Ankündigungen für längst vergessene LAN-Partys bedeckt waren. Der Geruch von altem Kaffee und warmen Elektronikgeräten hing in der Luft und vermischte sich mit dem leisen Summen der Computer. Es waren einige Menschen hier, was sie nicht verwunderte, doch sie hatte sich einen Platz hinten in der Ecke ergattern können.
Vor ihr stand der Laptop auf dem Tisch, umgeben von einem Wirrwarr aus Kabeln und Notizen. Die Bildschirme flackerten, während sie versuchte, Informationen über Joon zu finden. Doch trotz ihrer Bemühungen blieben die Ergebnisse dürftig. Es erschien ihr, als ob er ein Geist war, der durch die digitalen Netzwerke schwebte, ohne Spuren zu hinterlassen.
»Es kann doch nicht nichts über dich geben«, murmelte sie leise und unzufrieden vor sich hin. »Irgendwas muss da sein.«
Natürlich gab es einige Artikel. Aber höchstens solche, denen man nicht vertrauen konnte. Oder besser: Solchen den sie kein Vertrauen schenken wollte. Wie zum Beispiel der vor ein paar Tagen, in dem Joon als Retter der Stadt gefeiert wurde. Julia straffte ihre Schultern und versuchte das Klackern der Tastaturen und das Klicken der Mäuse, welches das einzige Geräusch hier war, auszublenden. Sie durfte sich nicht ablenken lassen. Ohne es zu bemerken, glitt ihre Hand zu dem Ausweis, den sie von Alex erhalten hatte.
»Vielleicht kannst du mir ja weiter helfen«, überlegte Julia und betrachtete ihn näher. Wenn er einer ehemaligen Regierungsagentin gehörte, dann musste es doch damit Möglichkeiten geben an Informationen zu kommen, die man nicht erhielt. Solche, an die sie sonst nicht ran käme.
Eine leise Stimme in Julias Hinterkopf flüsterte ihr zu, dass es eine blöde Idee war. Etwas, dass sie nicht tun sollte. Zumindest nicht, wenn sie alle Sinne beisammen hatte. »Egal.« Sie winkte ab. »Wo bleibt denn sonst der Spaß?«
Mit einem entschlossenen Blick auf den Ausweis in ihrer Hand überlegte Julia, wie sie die Informationen, die sie suchte, beschaffen könnte. Sie wusste, dass es riskant war. Aber die Möglichkeit, an geheime Informationen zu gelangen, war zu verlockend, um sie zur Seite zu schieben. Schließlich war sie hier, um die Wahrheit über Joon herauszufinden, und wenn das bedeutete, ein paar Grenzen zu überschreiten, dann war sie bereit, das Risiko einzugehen.
»Lee Min-seo«, las Julia leise den Namen, der auf dem Ausweis stand. »Schauen wir mal, wie du mir weiterhelfen kannst.«
Julia wusste, dass sie vorsichtig sein musste. Der Name auf dem Ausweis gehörte einer ehemaligen Regierungsagentin, und der Zugang zu solchen Informationen war nicht nur riskant, sondern potenziell illegal. Zudem war nicht klar, wieso Min-seo nicht mehr dabei war. Wurde sie getötet bei einem Fall? War sie ausgestiegen? Und wenn ja, warum? So viele offene Fragen, deren Antworten Julia in Probleme bringen konnten. Doch ihre Neugier und der Drang, die Wahrheit über Joon herauszufinden, trieben sie an. Sie öffnete eine neue Suchanfrage und begann, nach möglichen Verbindungen zwischen Lee Min-seo und Joon zu suchen.
Während sie tippte, spürte sie innerlich ein Kribbeln der Aufregung. Die Bildschirme flackerten im Neonlicht, als sie durch verschiedene Datenbanken und Foren navigierte, auf der Suche nach Hinweisen, die ihr bisher entgangen waren.
Plötzlich stieß sie auf einen alten Beitrag, der eine Verbindung zwischen Lee Min-seo und einem geheimen Regierungsprojekt erwähnte, das vor einigen Jahren abrupt beendet wurde. Der Artikel war vage und enthielt nur wenige Details, aber es war genug, um Julias Interesse zu wecken. Könnte es sogar mit Joon in Zusammenhang stehen?
»Für diese Seite brauchen Sie eine spezielle Berechtigung«, ertönte es auf einmal aus den Lautsprechern, des Laptops.
Julia zuckte erschrocken zusammen und ärgerte sich über sich selbst, dass sie nicht daran gedacht hatte, Kopfhörer anzuziehen. Sie sah sich möglichst unauffällig im Raum um. Glücklicherweise schenkte ihr niemand Beachtung. Sie hoffte, dass das wirklich so war. Dann tippte sie die ID der Regierungsagentin in eines der Felder.
»Erkenne ID: Lee Min-seo«, teilte der Laptop ihr mit. Dieses Mal hatte Julia daran gedacht, die Lautstärke leiser zu drehen. »Regierungsagentin Stufe drei.«
Julia runzelte die Stirn. »Ist das gut oder schlecht?«, murmelte sie vor sich hin. Stufe drei hörte sich für sie nicht nach besonders viel an.
»Agentin Lee, mit was kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte sich die KI bei ihr.
»Sende mir alle verfügbaren Informationen zu Joon«, schrieb Julia als Befehl.
»Ich verstehe nicht, wen Sie meinen«, teilte die KI mit. »Senden Sie bitte die Agenten ID oder nähere Informationen, damit ich herausfinden kann, wen Sie meinen.«
Julia runzelte die Stirn, als die KI sie aufforderte, genauere Informationen zu liefern. Sie hatte gehofft, dass der Ausweis von Lee Min-seo ausreichen würde, um Zugang zu den benötigten Daten zu erhalten. Doch es schien, als ob sie noch mehr Details über Joon preisgeben musste, um die KI dazu zu bringen, die Einzelheiten freizugeben.
Sie überlegte kurz und erinnerte sich an einige der wenigen Fakten, die sie über Joon kannte. Vielleicht könnte sie diese nutzen, um die KI zu überzeugen. Sie tippte schnell einige Stichworte ein, die mit Joon in Verbindung standen: Seine Rolle als Regierungsagent, die Explosion nahe dem InfiniCore-Hauptquartier, an der er vermutlich in irgendeiner Form beteiligt war, und seine so genannte Heldentat, die kürzlich in den Nachrichten war.
Während sie wartete, dass die KI die neuen Informationen verarbeitete, spürte sie eine Mischung aus Nervosität und Vorfreude. Wenn sie Erfolg hatte, könnte sie endlich die Puzzleteile zusammenfügen und verstehen, warum Joon so wichtig war und welche Verbindung er zu Lee Min-seo hatte.
Nach einigen Sekunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, erschien eine neue Nachricht auf dem Bildschirm:
»Verbindung wurde erkannt. Zugriff auf eingeschränkte Informationen gewährt.«
Julias Herz schlug schneller, als sie auf die bereitgestellten Daten klickte. Sie wusste, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte, aber die Aussicht, die Wahrheit zu entdecken, war zu verlockend, um sie zu ignorieren. Außerdem konnte ihr das Alles nur helfen, wenn sie sich wieder mit ihm traf, um mit ihm zu reden. Sie wusste nicht wann und wo, aber dazu würde es auf jeden Fall kommen. Die Frage war nur, wie. Ein paar Dinge über ihn zu wissen, war sicherlich nichts schlechtes.
»Öffne Informationen und lade sie auf mein Gerät hinunter«, befahl Julia der KI. »Und zwar möglichst schnell.«
»Sind Sie sicher, Agentin Lee? Die Akten beinhalten sensible Daten. Ich kann nicht empfehlen, sie auf ein externes und nicht angemeldetes Endgerät zu laden«, gab die KI zu bedenken.
»Ganz sicher.« Julia lächelte, als sie das Brummen hörte, dass ihr zeigte, dass der Datenupload begonnen hatte.