Evie
Der Wind wirbelt mein dunkles Haar durcheinander und das Geräusch des aufspritzenden Wassers, wenn ein Auto durch eine Pfütze rast, gepaart mit den Stimmen der anderen Schüler auf dem Parkplatz vor dem Schulgebäude, klingelt in meinen Ohren. Mein Blick wandert zu meinem Handydisplay und ich stelle fest, dass ich doch eher gekommen bin, als erwartet. Langsam laufe ich über den Parkplatz, während ich durch die Reihen von parkenden Autos auf das Schulgebäude zulaufe. Überall lehnen Schüler an ihren Wagen, die sie wahrscheinlich von ihren Eltern bekommen haben, und versuchen irgendwem zu beeindrucken. Ich selbst habe jedoch weder einen Führerschein noch ein Auto, was mich nicht wirklich stört. Schließlich habe ich noch genug Zeit, um fahren zu lernen, denn mit sechzehn Jahren habe ich mein ganzes Leben noch vor mir und kann fahren lernen, wann immer ich will. Schon lange versuche ich mir mit den Dingen, die die Teenager in meinem Alter alle so wichtig finden, keinen Stress zu machen, sondern einfach mein Leben zu leben.
Kurz vor dem Eingang bleibe ich stehen um prüfe, ob die Türen bereits offen sind, stelle jedoch fest, dass das nicht der Fall ist. War ja klar! Ein resigniertes Seufzen verlässt meinen Mund und ich starre auf den kalten Betonboden unter mir.
Plötzlich ist ein lautes Räuspern hinter mir zu vernehmen. Wie automatisch ziehe ich eine Augenbraue nach oben und fahre herum.
Dort steht eine kleine Gruppe von Schülern, von denen ich einige kenne, während wenige Gesichter mir vollkommen fremd sind. Sicher sind es die Neuen, die die kleine Gruppe immer wieder bei sich aufnimmt, damit sie die Dinge, für die erledigen, die schon länger dabei sind. Besonders ein bestimmtes Mitglied der Gruppe zieht seine Aufmerksamkeit auf sich.
Ihr blondes, schulterlanges Haar ist an einigen Stellen von hellbraunen Strähnen durchzogen. Es glänzt nicht wie in der Werbung, sondern ist eher dick und schwer. Die ozeanblauen Augen des Mädchens und die dickten, schwarzen Wimpern verbirgt sie hinter den Gläsern ihrer Brille. Darüber sitzen die Augenbrauen, die sich mit ihrer dunklen Farbe komplett von dem Haar unterscheidet. Auf der rechten Seite unterhalb des braunen Brillengestells auf der rechten Seite befindet sich ein kleines, braunes Muttermal, dass nur zu sehen ist, wenn man ganz genau hinsieht. Die schmalen Lippen hat sie dünn mit Lipgloss bedeckt. Ihre weißen Zähne werden von ihren vollen Oberlippen zum Teil verborgen und ergeben einen schönen Kontrast zu ihrer cremefarbenen Haut und ihren leicht geröteten Wangen. Durch den schwarzen Faltenrock, den sie trägt, wirken ihre Beine lang und ihr Oberkörper eher kurz. Der Name des elegant gekleideten Mädchens ist Avery Hawthorne und sie ist meine frühere beste Freundin.
Lange waren wir gut befreundet und haben seit unserer Kindheit fast jeden Tag miteinander verbracht, doch irgendwann habe ich angefangen mich meinen Kräften mehr zu widmen, während sie sich mehr mit Jungs und der Schule beschäftigt hat. Immer öfter musste ich ihr absagen und wollte erst Recht nicht mit zu irgendwelchen Freunden kommen, die sie kennengelernt hatte. Besonders in den Vollmondnächten! Nach kurzer Zeit hat sie mir gesagt, dass sie keine Lust mehr auf meine ständigen Absagen hat und das Gefühl hat, dass ich ihr etwas Wichtiges verheimliche. Immer wieder habe ich versucht sie vom Gegenteil zu überzeugen, während sie ja eigentlich insgeheim immer recht hatte. Das konnte ich ihr aber auf keinen Fall erzählen, was mir meine Mutter als ich noch jünger war, auch immer wieder eingetrichtert hat.
Doch es ist nicht meine frühere Freundin, die sich geräuspert hat, sondern einer ihrer Freunde. Ein Junge mit schwarzem Haar, der mir nun triumphierend entgegenblickt und seine breiten Arme vor der Brust verschränkt hält. “Ist irgendwas?“, frage ich ein wenig verwirrt, denn ich habe nicht die geringste Ahnung, was er von mir will. Tatsächlich bin ich nämlich kein großer Fan von ihm und das beruht, soweit ich weiß, auf Gegenseitigkeit. Er ist nämlich ein Freund von Avery und sie ist gemein zu mir, wann immer das geht, weshalb er auch nicht freundlich zu mir ist. Außerdem habe ich ihm mal einen Korb gegeben als er mit mir ausgehen wollte und weil Jungs wie er nicht gerne abgewiesen werden, hat er jetzt was gegen mich.
“Ja“, sagt er und schubst mich leicht nach hinten, womit ich gar nicht gerechnet habe. Obwohl er mich nicht feste zurückgestoßen hat, taumele ich leicht nach hinten und falle fast die oberste Treppenstufe hinunter. Bevor ich jedoch richtig fallen kann, schließen sich meine Finger fest um das schwarz gestrichene Geländer, dass die Treppe säumt, und halte mich so auf meinen Füßen. “Was sollte das?“, frage ich entsetzt, während ich versuche mich wieder richtig hinzustellen. Der Junge dreht sich jedoch nur kurz zu seiner Gruppe um und bricht dann in Gelächter aus. Seine Freundinnen und Freunde lachen ebenfalls amüsiert und betrachten mich herablassend. Mein Blick ruht in diesem Moment aber nur auf Avery, die gar nicht glücklich zu wirken scheint.
“Na du, Freak?“, fragt mich eine Schwarzhaarige gehässig: “Geht’s du heute nach der Schule wieder in deinen Keller, machst Voodoozauber und betest den Teufel an?“ Ihre Worte versetzen mir einen festen Stich. Natürlich mache ich weder das eine noch das Andere, aber Avery scheint ihnen wohl irgendwie sowas erzählt zu haben. Der Schmerz des Verrates verwandelt sich in Wut und ich richte meinen Blick auf die Pfütze zwischen der Schwarzhaarigen und dem Jungen, der mich geschubst hat.
Vom einen auf den nächsten Augenblick spüre ich wie sich mein Blut plötzlich erwärmt und beinahe fühlt es sich so an, als würde es kochen. Hinter meinem Rücken verkrampft sich meine rechte Hand zu der Form. Die Hitze scheint sich von meinem Blut nach draußen auf meine Haut auszubreiten und wird zu einem Prickeln, von dem ich nicht sagen kann, ob es eher angenehm oder unangenehm ist. Mein stechender Blick ist so konzentriert auf das Wasser gerichtet, dass man fast denken könnte, dass ich verrückt geworden bin.
Als sich die komplette Hitze überall in mir ausgebreitet hat, spüre ich ein Pochen in meinem Kopf, dass fast nicht auszuhalten ist, doch als mir beinahe vor Hitze eine Schweißperle von der Stirn tropft, lassen das diese Empfindungen plötzlich nach und laut knisternd lodert auf einmal eine rot-orange knisternde Flamme auf. Sofort wende ich meinen Blick ab, als das Kreischen der anderen Gruppe ertönt.
Ein verwegenes Grinsen macht sich in meinem Gesicht breit und fast fühlt sich dieses Feuer wie ein kleiner Triumph an. Als die Schüler vor mir, dann auch noch reiß aus nehmen, wird dieses Gefühl noch ein wenig größer und fast ist die kleine Demütigung von gerade vergessen. Sobald ich aufhöre mich zu konzentrieren, erlöschen auch die Flammen und nur die kleine Pfütze, sowie ein leichter Brandgeruch bleiben zurück.
Endlich ist Clique verschwunden und ich habe endlich wieder Ruhe vor ihnen, weshalb ich mich auf die Betontreppe fallen lasse. Meinen Kopf stütze ich leicht an das Geländer und versuche mich wieder zu beruhigen, denn meine Wut ist nach wie vor noch nicht ganz abgeklungen, obwohl es mir schon viel besser geht. Glücklicherweise hat mich der Zauber nicht sonderlich verausgabt, denn sowas konnte ich schon als kleines Kind, was meine Eltern echt verrückt gemacht hat. Wert war es das auf jeden Fall.
Komplett in Gedanken versunken, erschrecke ich mich schrecklich, als auf einmal jemand seine Hände auf meine Augen legt und mir damit die Sicht versperrt. Als urplötzlich alles schwarz um mich herum wird und die Welt um mich herum verschwindet, bin ich ziemlich perplex und lege meine Hände an die Hände der Person hinter mir. Sie sind klein, doch die Haut ist trocken und kühl. Diese Hände würde ich unter tausenden erkennen und ein Lächeln erscheint auf meinen Lippen: “Nimm deine Hände sofort von weg, bevor ich mich von dir befreien muss, Reese.“ Ein sanftes Lachen ertönt hinter mir und meine Sicht wird wieder klarer, als meine beste Freundin ihre Hände wegnimmt. Grinsend drehe ich mich zu dem, auf der Stufe über mir hockenden, Mädchen herum. Einen Teil ihres blonden Haares, das sie zu einem Zopf geflochten hat, verbirgt sie unter einer grauen Mütze, die sie locker auf dem Kopf trägt. Ihr Lächeln ist kumpelhaft und eines von diesen, die man nicht oft im Leben zu sehen bekommt und dass sich bis in ihre nussbraunen Augen ausbreitet. “Sag mal, was hast du mit der Z und seiner Gruppe gemacht?“, fragt sie mich interessiert:“Sie haben ja beinahe die Flucht ergriffen.“ Zachary, den Anführer der Gruppe, der mich gerade eben mit seiner Anwesenheit genervt hat, nennen wir beide nur “Z“, weil wir seinen Namen zu lang finden und nicht sonderlich mögen. Mich erinnert dieser Name immer so sehr an einen alten Zauberer mit langem Ziegenbart. “Ich? Ich habe nichts gemacht. Da muss wohl irgendwas anderes passiert sein, aber ich kann sicher nicht schuld sein“, ich versuche belustigt darüber zu klingen, dass sie denkt, dass ich irgendwas gemacht habe, was mir jedoch nicht gerade gut gelingt. Schließlich habe ich etwas getan, aber das sollte Reese lieber nicht erfahren. “Ich habe sie aber über dich reden hören, Ev“, erklärt sie und klopft mir kumpelhaft auf die Schulter. Ich verdrehe die Augen und überlege mir, was ich als Nächstes sagen könnte: “Ist doch keine große Sache. Die reden doch meistens abfällig über mich.“ “Aber dieses Mal war es irgendwie komisch“, erklärt sie weiter und scheint nicht so als würde sie nicht mehr locker lassen wollen: “Irgendwas musst du doch gemacht haben.“ Glücklicherweise rettet mich die Schulklingel davor schon wieder antworten zu müssen und beinahe entfährt mir ein erleichterter Seufzer als ich mich von den Treppenstufen erhebe und mich mit wirren Worten von meiner besten Freundin verabschiede. Schnell reiße ich die Tür auf und spurte voller Erleichterung durch den, von Spinden gesäumten, Hauptgang der Schule bis hin zum Klassenraum, in dem der Englischkurs stattfindet. Das ist eines der ersten Male, dass ich mich über den Beginn der ersten Stunde freuen.
Das Kapitel ist irgendwie...schwach. Tut mir leid!