Du bist Aji.
„Ich bin jetzt schon müde“, brummst du. „Lasst uns rasten und den Ammoniten nutzen.“
„Aji!“ Allyster wirft dir einen enttäuschten Blick zu.
„Karja hat aber recht! Wir können die Steine nutzen. Wieso sollten wir sie nur mit uns herumschleppen?“
„Aji, wenn die Druiden den Stein bekommen …“
„Wenn sie uns in der Nacht bemerken oder am Tag überrumpeln, kriegen sie den Stein auch!“ Du bist lauter geworden und bremst dich erschrocken. „Wir haben doch extra abgesprochen, dass wir unsere Steine mitnehmen. Karja hätte uns ja sicherlich abgeraten, wenn das so eine blöde Idee gewesen wäre.“
„Jetzt vertraut ihr schon eher einer Piratin als mir?“, grollt Allyster, doch seine Stimme klingt resigniert.
„Ja. Ja, tun wir.“ Arthrax grinst. „Wenn Karja uns schaden wollen würde, hätte sie es längst getan.“
Allyster seufzt und nickt schließlich. „In Ordnung. Rasten wir jetzt, solange wir noch nicht so nah an den Wäldern sind.“
Auf diese Worte hin sitzt ihr ab und gönnt euren erschöpften Pferden die wohlverdiente Pause. Allyster stapft davon, um eine gute Weidefläche für die Tiere zu finden – und um seiner schlechten Laune Herr zu werden, so wie du ihn kennst. Arthrax dagegen nimmt die Satteltaschen vom Maulpferd und sucht etwas Verpflegung heraus. „Ein Frühstück hatten wir ja nicht.“
Er klingt jetzt auch nicht unbedingt glücklich. Du seufzt. Offenbar hast du es dir mit beiden Männern verscherzt. Arthrax ist extrem nachtragend, und Allyster wird weitergrummeln, weil ihm eure Entscheidung nicht gefällt. Das können ja ein paar lustige Stunden werden!
Du ziehst einfach metaphorisch den Kopf ein und die Füße still, hilfst bei den Vorbereitungen zum Mittagmahl und gibst dir Mühe, nicht zu sehr aufzufallen. Danach übernimmst du die erste Wache, während Allyster und Arthrax sich im Gras zu einer kurzen Rast niederlassen. Ihr schlaft insgesamt nur zwei Stunden, wobei jeder von euch eine Schicht übernimmt, dann brecht ihr wieder auf. Die kurze Pause hat dir geholfen, denn deine Nacht war viel zu unruhig. Nun bist du etwas wacher.
Ihr reitet die Nacht hindurch recht langsam und gelangt schließlich noch vor dem Morgengrauen an die Waldgrenze. Obwohl es noch dunkel ist, zieht Arthrax den Ammoniten hervor und wenig später formt sich eine graue Blase um ihn, ohne dass er irgendwelche Worte sprechen musste. Du bist ziemlich neidisch. Wie kommt es, dass Arthrax sich nicht mit der Grammatik der Magiesprache herumschlagen muss?
Ihr überquert die Waldgrenze und reitet unter die dichten, hohen Tannen. Du kannst sehen, wie die Blase euch begleitet, denn im Inneren verlieren alle Pflanzen ihre Farbe, genau wie ihr drei, eure Pferde und das Maultier. Wobei, völlig farblos ist es im Inneren nicht, eher beige, in etwa so, wie der Stein gefärbt ist.
Nach eine Weile bemerkst du eine große Tanne, die die restlichen überragt, und deren Nadeln so rot wie frisches Blut sind. Verwundert ziehst du an Allysters Ärmel. „Was ist das?“
Allyster zügelt Melréd, Arthrax hält neben euch.
„Das ist eine Bluttanne!“, sagt der Krieger erstaunt. „Das passiert, wenn die Wurzeln einer Tanne mit Blut getränkt werden.“
„Unsinn!“, knurrt Allyster unwirsch. „Das ist einfach eine rote Variante der normalen Tannen.“
„Und wie heißen sie dann?“
Allyster seufzt. „Bluttannen.“
„Seht ihr?“
„Aber nur“, fährt dein Mentor fort, „weil dieser Name von verängstigten Kalynorern geprägt wurde, die beim Anblick der Bäume das gleiche dachten, wie du eben.“
Arthrax brummelt irgendwas von Ausreden und sieht demonstrativ gelangweilt weg, während Allyster dir erklärt: „In den Druidenwäldern gibt es einige dieser Tannen. Je weiter wir kommen, desto mehr werden wir finden, aber sie wachsen nur hier – niemand weiß, wieso. Vielleicht sind es uralte Tannen, die anderswo bereits ausgestorben sind, außer hier, wo die Druiden sie pflegen.“
Ihr wollte gerade weiterreiten, als Arthrax einen Finger vor die Lippen legt und euch zu sich winkt.
„Seht ihr das?“, fragt er euch flüsternd, als ihr bei ihm seid.
Ihr beugt euch vor. Zunächst erkennst du nichts im Wald unter euch, doch dann siehst du ein schwaches Flackern. Eine Fackel, die im Morgengrauen nicht gut zu erkennen ist.
„Da ist jemand!“, flüsterst du.
„Druiden, vermutlich“, knurrt Allyster. Sein finsterer Blick sucht den schwachen Schein noch immer.
„Leise“, haucht Arthrax. Gleich darauf vernimmst auch du schwache Stimmen.
„Ich hasse diesen Kerl aber“, grollt jemand, scheinbar ein Mann. Die Stimme ist so unangenehm krächzend, dass es auch eine alte Frau sein könnte.
„Er ist ein Kalynorer. Niemand von uns kann ihn leiden“, zischt ein anderer Mann. „Trotzdem brauchen wir ihn. Stell dir nur mal vor, diese Söldner wären unbemerkt über unsere Grenze gekommen. Das wäre eine Katastrophe gewesen.“
Ihr tauscht alarmierte Blicke. Wer mit den Söldnern gemeint ist, ist nicht schwer zu erraten. Nur dass ihr bereits hier seid, erwarten die Druiden nicht.
„Was sie wohl vorhaben? Er sagte, es sind drei und sie haben ein Kind dabei?“, fährt ein dritter Mann fort. Er klingt noch sehr jung.
„Sicherlich ein Zauberlehring. Die Kalynorer mit ihrer ‚hohen Magie‘“, schimpft ein vierter. Der Trupp scheint wirklich groß zu sein.
„Ja, aber was wollen sie hier? Zu dritt? Das wäre Selbstmord“, fährt der Dritte vor. „Wir werden sie rasch aufspüren und töten. Den Suchzauber beherrscht doch jedes Kind.“
Allyster sieht euch beide ernst an, während sich die Stimmen entfernen. „Das könnte unsere Chance sein, die Druiden zu überrumpeln.“
„Wir sollen angreifen?“, fragt Arthrax zweifelnd. „Wir wissen nicht einmal, wie viele es sind.“
„Wir folgen ihnen leise. Noch haben wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Der eine von ihnen hat recht – sobald sie einen Suchzauber vollführen, finden sie uns. Und den werden sie machen, wenn wir ihnen nicht an der Grenze in die Arme laufen.“
„Aber … einfach angreifen?“ Das klingt selbst dir zu riskant.
„Wir können sie nicht weiterziehen lassen“, sagt Allyster ernst.
„Und was, wenn wir ihnen an der Grenze in die Arme laufen?“, schlägt Arthrax vor.
Ihr starrt ihn an.
„Sie haben keine Ahnung, was wir planen.“ Der Krieger grinst. „Wir sind Söldner. Wir können uns von ihnen anwerben lassen oder tun, als suchen wir nach neuer Arbeit außerhalb von Kalynor. Sie scheinen kalynorische Magie nicht zu mögen – also könnt ihr behaupten, ihr wollt Aji in ‚ordentlicher Naturmagie‘ unterrichten lassen. Was weiß ich – irgendwas fällt uns schon ein.“
„Das durchschauen die doch sofort“, widerspricht Allyster.
Arthrax schüttelt siegessicher den Kopf. „So haben Elred und ich bei den Orks und den Wissenden überlebt. Ihr werdet schon sehen!“
Nicht überzeugt runzelt Allyster die Stirn.
Dir gefällt keiner der Pläne, aber für einen musst du stimmen:
- Die Druiden angreifen. Lies weiter in Kapitel 14.
[https://belletristica.com/de/chapters/212699/edit]
- Die Druiden täuschen. Lies weiter in Kapitel 15.