Die Gitarre war alles, was er noch hatte.
Dazu die Kleider am Leib, die verschwitzt waren, dreckig, stanken. Alles andere, die persönlichen Gegenstände, waren ihm nach und nach von anderen Obdachlosen gestohlen worden.
Nicht so die Gitarre. Sein wertvollster Besitz. Es war ein altes Ding, das er für wenig Geld in einem Laden erworben hatte. Sie zu spielen hatte er sich mehr oder weniger selbst beigebracht. Er hatte mal Gitarrenunterricht gehabt, in einer Musik-AG in der Schule … damals, bevor …
Aber da hatte er nur halbherzig mitgemacht. Es war nur eine weitere Pflicht gewesen, um „Leute kennenzulernen“.
Mit seinem Restwissen hatte er sich die Gitarre neu erschlossen. Dabei hatte er sich auf sein Gedächtnis verlassen müssen, für Noten hatte er weder Geld noch Platz in seinen Jackentaschen. Doch Kaiko hatte ein gutes Gedächtnis und Gehör. Er hatte inzwischen ein großes Repertoire. Immerhin tat er nichts anderes, als den ganzen Tag zu spielen und Geld zu sammeln. Davon kaufte er sich Essen oder Bier. Bier hielt warm, wenn die Nächte kalt wurden.
Die Musik hielt ihn lebendig. Country Roads, Amazing Grace, Nothing Else Matters – als könnte Kaiko seine Seele in den Noten bewahren.
Die Leute hörten ihm gerne zu. Um den Erfolg, den ihm das bescherte, wurde er beneidet. Inzwischen gab er die Hälfte seiner Einnahmen eigentlich täglich an irgendwelche anderen Bettler ab.
Ihm war das egal. Eigentlich war ihm alles egal. Er hatte schon oft auf einer Brücke gestanden und nachdenklich nach unten gesehen.
Irgendwie fehlte ihm der Mut. Doch eine Zukunft konnte er auch nicht sehen. Also lebte er von Tag zu Tag, zog den Kopf zwischen die Schultern, hielt den Ball flach. Sah zu, dass er jeden Tag etwas zu Essen und zu Trinken bekam und ansonsten sang er.
Es hätte ewig so weitergehen können.
Like a bird on the wire.
Like a drunk in a midnight choir.
I have tried in my way to be free.