Lizzie
Ich lauschte der ruhigen Atmung meiner Schwester, die seelenruhig neben mir schlief. Die Brünette hatte sich in der Nacht unbemerkt in mein Bett geschlichen. Das tat sie in letzter Zeit oft. Mich störte dies jedoch nicht. Auf irgendeine verdrehte Weise beruhigten mich die Weise, auf die sie schlief sowie ihre Nähe. Nur mit ihrem Zwilling war ich wirklich komplett.
Nun lag ich allerdings schon seit Stunden wach und starrte an ihre Zimmerdecke ohne jegliche Chance darauf in nächster Zeit wieder einschlafen zu können. Zu abrupt hatten meine nächtlichen Dämonen mich aus der Welt der Träume gerissen.
Als die Tür unseres Zimmers ruckartig aufgerissen wurde, schreckte ich in mich zusammen und weckte das Mädchen in meinem Armen dadurch unsanft. Es dauert einige Sekunden bis sich meine Augen an das Licht gewöhnte, was von Flur ins Zimmer strömte. Ich blinzelte einige Male, erkannte dann allerdings einen hochgewachsenen Mann mit dunkelblondem Haar, den ich zweifelsohne als meinen Vater identifizieren konnte.
„Daddy?", meine Stimme war ungewöhnlich hoch. Normalerweise platze er nämlich nicht unangekündigt herein. So stürmisch war er sonst nur, wenn er schnell mit ihnen reden musste und mit seinem Anliegen nicht warten konnte. Auch sein Gesichtsausdruck zeugte davon, dass irgendetwas nicht zu stimmen schien. „Was ist los?", ich sah ihn mit leicht geweiteten Augen auf und mein Herz begann sofort schneller zu schlagen.
„Mädchen, steht bitte sofort auf. Wir müssen los", sagte der Mann ohne Umschweife. „Was? Was ist denn los?", nun schien auch Josie wach genug zu sein, um zu realisieren, was ihr Vater da gerade gesagt hatte. Auch ich machte einen geschockten Gesichtsausdruck. Warum weckte er uns zu dieser frühen Morgenstunde?
„Zieht euch bitte schnell etwas an, packt ein paar Sachen und geht dann unten zu eurer Mutter", befahl der Mann regelrecht, bevor er das Zimmer wieder verließ und die Tür hinter sich schloss.
Für einen Moment war es vollkommen still im Raum und wir beide lauschten Dads Schritten auf dem Parkettboden des Flures, als er am Nebenzimmer anklopfe und auch dort die Bewohner aus ihren Betten riss. Eine unangenehme Atmosphäre hatte sich über dem Raum ausgebreitet und die Luft war zum Zerreißen gespannt. Langsam drehte ich den Kopf in Richtung Josie, die sich müde die Augen rieb.
„Was war das denn?", fragte ich, in der Hoffnung von ihr etwas zu erfahren. Schließlich war es kein Geheimnis, dass unsere Eltern ihr in der Regel mehr erzählten als mir. Umso überraschter war ich deshalb auch, als sie lediglich mit den Schultern zuckte: "Ich weiß es nicht, aber wir sollten tun, was Dad sagt. Er klang ernst." Ich nickte. Sie hatte schließlich recht. Da war etwas an Dads Verhalten, was in mir ein ungutes Gefühl auslöste und mich daran zweifeln ließ, dass die Situation warten konnte.
„Na gut, dann sollten wir uns fertig machen und das Wichtigste zusammen packen", Josie trat, ohne lange zu zögern an ihren Schrank heran und öffnete die Doppeltüren, um ihre Sachen herauszuholen und sich anzuziehen.
Ich bewegte mich allerdings selbst auf die Aufforderung hin keinen Zentimeter. Stattdessen blieb ich wie angewurzelt auf der Stelle stehen. Zu viel Fragen hielten mich vom Handeln ab. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Doch was es war, konnte zu diesem Zeitpunkt kein Schüler an der Salvatore Boarding School ahnen.