So man oder auch frau mit der Bahn auf Reisen geht, gab und gibt es immer noch die Möglichkeit, sein sperriges Gepäck bei der Bahn aufzugeben. Natürlich wird der oder gar die Koffer mit einem Zug transportiert, doch ist die Bahn für die Beförderung derselben nur bedingt verantwortlich. So kommt mitnichten ein Mitarbeiter der Bahn, um das Gepäck abzuholen, sonder einer vom Paketdienst, um genauer zu sein, die mit dem Namen des Götterboten. So war dies auf meiner Hinreise gar kein Problem und ein netter Herr strackste geradewegs in die schwindelerregenden Höhen der zweiten Etage des herrschaftlichen Altbaus. Wenn ich von meiner Wohnungstür herabblickte, dann waren die Personen an der Haustür quasi klein wie Ameisen, um die Dimensionen zu verdeutlichen. Oben angelangt war er ein wenig außer Atem und wollte auch sogleich meinen Koffer packen und erschrak vor meinem pinkfarbenen Ungetüm. Doch dann bemerkte er erleichtert, dass mein Koffer über leichtlaufende Rollen verfügte und er war schon wieder besänftigt. Nachdem er alle Banderolen angebracht und ich unterschrieben hatte, nahm er die pinkfarbene Schrankwand unter den Arm und hüpfte wie eine Gams die Treppen hinab und ritt in den Sonnenschein, nein Quatsch. Er fuhr mit seinem Kleintransporter davon.
Als es wieder heimgehen sollte, kam erneut jemand vom Paketdienst, nahm das pinkfarbene Monster in Empfang und gelobte, es sicher nach Hause zu geleiten.
All dies wäre keine Geschichte wert, wenn es dann nicht doch noch zu Komplikationen gekommen wäre. So war ich natürlich lange vor meinem Koffer zu Hause, um ihn Empfang zu nehmen. Gelinde gesagt, kam ich mir wie in der Geschichte von Hasen und Igel vor, aber vermutlich nahm mein Koffer einen anderen Zug als ich, anders konnte ich mir diese Diskrepanz nicht erklären. Aber wo war ich? Ach ja, der Koffer meldete sein Kommen durch das Betätigen der Klingel an. Na ja, der Koffer schellte natürlich nicht, sondern ein Kollege des Götterboten. Als er seine Augen zum Herrn erhob und mich in gar luftigen Höhen stehen sah, schloss er hinter sich die Türe und nahm noch nicht einmal die drei Stufen zum ersten Podest, wie sie in Altbauten durchaus üblich sind.
„Kommen Sie bitte herunter“, rief er hinauf, „Sie müssen etwas unterschreiben.“
„Warum kommen Sie nicht herauf?“ Stellte ich die Gegenfrage.
Bei Transporten müsse er nur hinter die erste Tür liefern, begann er mit mir tatsächlich eine Diskussion. Erstaunt erklärte ich ihm daraufhin, dass sein Kollege den Koffer bei Abholung aus der zweiten Etage getragen hätte, ich verkniff mir, levitieren zu benutzen. Nein, nein, das müsse er nicht, bestand er weiterhin darauf, die Treppen nicht gehen zu wollen. Mein Einwand, dass er doch ein starker Mann und ich nur ein schwächliches Frauenzimmer sei, ließ er nicht gelten und er weigerte sich schlicht weiter.
„Was passiert eigentlich, wenn ich nicht unterschreibe?“ Fragte ich ihn nach einigen Erwiderungen seinerseits. Er bekam eine Gesichtsentgleisung sondergleichen und druckste herum, ehe er mir kundtat, dass er ohne Unterschrift nicht gehen könne.
„Nun denn, dann kommen Sie doch einfach“, machte ich ihm freundlich lächelnd den Vorschlag. Seinem Gesichtsausdruck zur Folge hatte er immer noch keine Lust, sich der langen Treppe zu nähern.
„Kommen Sie, wir treffen uns auf halben Weg auf der ersten Etage.“ Machte ich einen weiteren Versuch, ihn nach oben zu locken. Herrje, was war nur mit den Männern los, dass sie den weiblichen Sirenengesängen nicht mehr nachlechzten. Aber egal, er ließ sich überreden, das pinkfarbene Ungetüm immerhin bis in die erste Etage zu wuchten. Dort nahm ich meinen Besitz in Empfang, unterschrieb auf seinem Display und verkniff mir einen Dank oder gar ein Trinkgeld.
Als ich meinen Koffer glücklich in der zweiten Etage hinter meiner Wohnungstür geparkt hatte, nahm ich selbstverständlich den schriftlichen Auftrag der Bahn zur Beförderung meines Gepäcks in die Hand und wählte die Nummer der Hotline. Ein sehr netter Herr entschuldigte sich bei mir ob des Verhaltens seines tragenden Kollegen und konnte natürlich anhand der Auftragsnummer herausfinden, wer denn seine Pflichten gegenüber Kundinnen derart lax versah.