CN: casual Alkohol
Ich rieb mir über die Augen und murrte mürrisch. Irgendetwas hatte mich geweckt, aber ich konnte gerade nicht sagen, was es war. Die höllischen Kopfschmerzen waren es aber nicht gewesen.
Ich wollte mich einfach wieder umdrehen und bemerkte dabei einen Körper, der sich an mich drückte. Der Kopf lag auf meiner Hüfte, eine Hand auf der Innenseite meines linken Oberschenkels, ein Bein war um mein Schienbein geschlungen. Erklärte auch, warum es etwas kühl war. Die Decke schützte nur eine Körperhälfte vor dem Luftzug der Klimaanlage.
Mit gespreizten Fingern fuhr ich durch die kurzen, dunkelbraunen Locken. Als Antwort erhielt ich ein Brummen. Außerdem wurde meine Hand weggeschoben.
Für einen Moment passierte nichts, dann hob sich der Kopf langsam und mir wurde ein Kuss auf die Leiste gehaucht. Dann sah Trevor zu mir auf; der Blick reichlich verschlafen, verkatert und verwirrt. »Morgen?«
Ich rang mir eine Erwiderung ab. Was zur Hölle tat der Gitarrist von Wreckage hier? Im selben Bett? Auf meiner Hüfte liegend? Mit sehr verräterischen, getrockneten Spritzern in Gesicht und Haaren? Fuck!
Ächzend richtete er sich komplett auf, wobei er den Blick nicht von mir abwandte. »Gott, hab ich einen Kater!«
Ich nickte nur leicht. Was zur Hölle war geschehen? Mein Hirn spuckte nur Bruchstücke einer Party mit viel zu viel Alkohol und Szenen einer ziemlich heißen Bettgeschichte mit Trevor aus. Nichts, was ich mir nicht auch aus den aktuellen Umständen zusammenreimen konnte. Doch wie es zu Letzterem gekommen war, fehlte mir völlig.
Trevor räusperte sich. »Sorry, wenn dir das hier unangenehm ist ...«
Eilig schüttelte ich den Kopf. Mein Blick schwamm für einen Moment. »Nein. Ich ... hab nur einen völligen Filmriss.«
»Dito.«
Betreten schweigend sahen wir uns an. Nope, absolut nicht unangenehm ...
Mit sehr viel Willensaufwand riss ich mich aus der Starre und streckte die Hand nach Trevors Gesicht aus. Ich zerrieb einen Spritzer, der eine Strähne an seinem Haaransatz zusammenklebte. »Vielleicht solltest du ...«
Ein Schlüssel, der ins Schloss gesteckt und herumgedreht wurde, unterbrach mich. Wenig später betrat Claire das Zimmer.
Empört pustete sie die Wangen auf. »Ihr seid ja doch wach. Warum habt ihr nicht aufgemacht? Ich hab mehrmals geklopft und musste dann doch den Schlüssel holen!«
»Wir sind gerade erst aufgewacht.« Langsam zog ich meine Hand zurück.
»Kater?«, fragte sie mit einem fetten Grinsen.
Trevor und ich nickten beide.
»Geschieht euch recht! Dafür, dass ich in Samsas Zimmer schlafen musste. Also nicht, dass ich deshalb besonders böse wäre.«
Nur langsam verarbeitete mein Gehirn die Informationen. Ich war nicht einmal sicher, ob ich sie gerade wirklich verstand.
Trevor sah aus, als ginge es ihm nicht anders. »Ich nehme mal an, du hast keinen Kater und keinen Filmriss?«
Sie lachte für meinen Geschmack viel zu laut. »Was möchtet ihr wissen?«
Trevor deutete erst auf sich, dann auf mich, dann wieder auf sich. »Ehm, das hier. Was ist passiert?«
Sie grinste süffisant. »Also was ihr hier getrieben habt, kann ich nur mutmaßen.«
»Davor!«, forderte er leicht genervt.
»Achso! Sag das doch gleich.« Unsere eher prekäre Lage schien sie sehr zu amüsieren. »Nachdem du dir ordentlich Mut angetrunken hattest, hast du dich auf der privaten After-Show-Party ziemlich nonchalant an Samsa rangemacht. Und nach einigen mehr Drinks ist er sehr darauf eingegangen.«
Trevor schluckte sichtbar. »Und wer hat das alles mitbekommen?«
»Junge! Erwartest du jetzt wirklich, dass ich dir alle aufzähle, die dabei waren? Ihr wart echt nicht unauffällig.«
Trevors Unbehagen war ihm deutlich anzusehen. Daher fragte ich: »Und von euch hat natürlich niemand darüber nachgedacht, uns vielleicht zu stoppen.«
Claire hob unschuldig lächelnd die Hände. »Doch schon, aber da ihr euch schon seit der ersten Probe anschmachtet, waren wir uns einig, dass es in eurem Interesse ist.«
Trevor öffnete den Mund, doch Claire hob den Finger und brachte ihn damit zum Schweigen. »Hmhm, Schatz, ich will nichts mehr von deiner ›professionellen Bewunderung‹ hören. Wir wissen beide, dass das Bullshit ist. Du hast da übrigens was.« Sie wischte mit einem Finger über ihren Mundwinkel, um Trevor die Stelle zu zeigen.
Okay, ja, sie hatten recht, Trevor hatte vom ersten Moment an mein Interesse geweckt und zumindest ich hatte gegenüber meinem besten Freund nicht verheimlicht, dass es nicht nur professionell war. Aber Lance wusste, dass ich nichts mit Bandmitgliedern anfing. Und irgendwie zählte da schon auch eine Band dazu, mit der wir für die nächsten Wochen unterwegs sein würden.
Als hätte sie meine Gedanken gelesen, wandte sich Claire mir zu. »Bevor du meckerst: Lance meinte, das könnte dir mal den Stock ausm Arsch ziehen. Seine Worte, nicht meine.«
Schön, wenn Lance das meinte. Es war ja nicht so, als hätte ich für dieses Prinzip nicht einen wirklich guten Grund.
»Wenn ihr mich dann entschuldigt, ich wollte eigentlich nur etwas aus dem Bad holen und dann wieder zurück.« Sie huschte durch das Zimmer, kramte kurz im Bad herum und kam dann mit einer kleinen Waschtasche zurück. Bevor sie die Zimmertür zuzog, winkte sie uns noch einmal zu. »Und weg! Bis später.«
Erneut trat betretenes Schweigen ein. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ja, Trevor war echt sexy, aber das hätte nicht passieren sollen.
Letztendlich fand ich zu dem zurück, was ich ursprünglich vorhatte: »Ich wollte gerade vorschlagen, dass du dich vielleicht waschen solltest. Du hast da wirklich ein wenig was im Gesicht.«
Er lächelte leicht, obwohl er ablehnend den Kopf schüttelte. »Bist du okay?«
»Ja? Warum sollte ich es nicht sein?«
»Weil du nicht okay wirkst.«
»Ich bin nur etwas überfordert. Normalerweise schlafe ich nicht mit Bandkameraden. Und dazu zählt ihr irgendwie auch ...«
»Kann ich nachvollziehen.«
»Was ist mit dir? Du wirkst auch etwas neben dir.«
»Der Kater. Und etwas durcheinander. Was du normalerweise nicht mit Bandmitgliedern machst, mach ich normalweise nicht mit Männern ...«
»Okay«, sagte ich langgezogen. »Meine Ausrede ist Alkohol. Und deine?«
»Wie? Dürfen wir jetzt nicht dieselbe Ausrede nutzen?« Er rettete sich in ein verlegenes Lachen.
Mit hochgezogener Augenbraue sah ich ihn an. »War es bis dahin wirklich nur professionelles Interesse?«
»Hell, no!«
Gut, sehr gut! Ich genoss das Kribbeln, dass sich bei seiner Aussage durch meinen Körper zog. Zum einen eröffnete das die Möglichkeit, zu wiederholen, was im Dunst des Alkohols verloren gegangen war, zum anderen hatte ich ihn dann nicht vollkommen falsch gelesen. »Nope, dann reicht Alkohol als Ausrede nicht aus.«
Er verdrehte etwas die Augen, dennoch verzogen sich die Lippen zu einem Lächeln. »Glaubst du mir, dass es wirklich anfänglich nur Bewunderung für dein Handwerk war? Nicht nur der Gesang, sondern auch noch nebenbei eine echt gute Technik und hervorragendes Gefühl für die Gitarre. Ich wollte wirklich etwas von dir lernen.«
Ich nickte. Daran hatte ich nie gezweifelt.
»Die Pausenjams waren richtig gut. Bis ich irgendwann darauf gewartet habe, dass du mich berührst und mit mir lachst. Wie eine Droge, von der ich nicht genug bekommen konnte.«
Ich schluckte trocken. Das klang ernster als angenommen. Aber es erschreckte mich nicht, sondern verstärkte das Kribbeln nur. Ja, ich hatte mich komplett in ihn verknallt. Nur hatte ich weder eine Erwiderung erwartet noch vorgehabt, dem nachzugeben.
Vorsichtig streckte ich die Finger aus. Ein elektrisches Knistern zog sich von meiner Hand über den Arm in meinen ganzen Körper.
Er griff nach meiner Hand und führte sie zu seinem Mund. Langsam küsste er meine Fingerspitzen.
Einen Moment genoss ich meine eigene Gänsehaut, die sich über die Wirbelsäule ausbreitete. Dann fragte ich vorsichtig: »Wärst du dabei, wenn wir das nächste Mal den Alkohol weglassen?«
»Sofort!« Er nahm die Spitze meines Zeigefingers zwischen seine Lippen und nuschelte daran vorbei: »Danke, dass du fragst.«